Von Igor Maltsew
Hier geschieht etwas Witziges, und schon wieder in Polen. Vermutlich macht Polen so viel Aufhebens um den aktuellen Konflikt, dass es sich bereits auf die polnische Gesellschaft auswirkt. Nein, ich meine nicht einmal die Rakete, die bereits allen auf die Nerven geht, und wahrscheinlich wurde sie deshalb dringend von den Titelseiten aller europäischen Zeitungen entfernt: "Gehen Sie weiter, gehen Sie, hier gibt es nichts zu sehen." Was ich meine, ist, was in den Tiefen des polnischen sozialen Umfelds vor sich geht. Die zunehmenden Skandale im Zusammenhang mit den ukrainischen Flüchtlingen − ein Indikator für die sich verändernde Haltung der Europäer gegenüber allem, was vor sich geht.
So beschloss beispielsweise ein Bürger aus Lodz, seinen Nachbarn über soziale Netzwerke Gutes zu tun, und schrieb, dass er seine Waschmaschine verschenken würde. Wie bei uns in solchen Fällen üblich, "mit Abholung". Und es ist alles hervorragend, bis man die Anzeige zu Ende gelesen hat. Dort steht vermerkt: "für jeden Interessenten, wenn er kein Ukrainer ist". Eine Aufregung von besorgten Bürgern kam auf, besonders von den polnischen Intellektuellen, die allerdings nicht in Warschau, sondern in New York leben. Vor allem der Historiker Andrzej Kompa.
Die New York Times berichtet, dass Kompa bei der Durchsicht einer Interessengemeinschaft im Internet auf etwas Beängstigendes gestoßen sei: Den Ukrainern wurde das Recht verweigert, eine kostenlose Waschmaschine zu besitzen. "Das ist Rassismus, Nazismus, Faschismus" und so weiter − genau so, wie ein liberal gesinnter amerikanischer Bürger reagieren sollte. Der polnische Historiker wertete den Beitrag als "eklatante Diskriminierung" ukrainischer Flüchtlinge. Unter dem Beitrag schrieb er einen Kommentar mit der Frage, worin sich diese Vorgehensweise von dem Schild "Whites Only" in öffentlichen Verkehrsmitteln der USA unterscheide.
Ach du lieber Gott! Was für Vergleiche wir hier anstellen... Noch einige Schritte und wir befinden uns in Auschwitz. Oh je, das war in Polen... Also lassen wir die brisanten Analogien vorerst beiseite.
Zunächst einmal hat der Verfasser der Anzeige wahrscheinlich die Nase voll von den etwa 7 Millionen ukrainischen Flüchtlingen in Polen (es heißt, es seien noch 1,5 Millionen geblieben). Sie durchstreiften Polen und riefen "Gib, gib, gib!", und sobald sie ihre Unterstützungsgelder erhielten, fragten sie im Internet, wie sie "die EU-Sozialleistungen nach ihrer Rückkehr in die Ukraine weiter beziehen könnten". Der nicht indifferente Historiker Kompa sollte in diesen Foren recherchieren − er würde eine Menge interessanter Dinge erfahren über das Thema "Wie man die Leute um das Geld bringt und auf den heimischen Hof zurückkehrt". Doch er bevorzugte umfangreiche Verallgemeinerungen und historisch brisante Analogien. Womöglich ist er ein "Woke"-Bürger.
Im Übrigen vermute ich sogar, dass der Historiker Kompa gar nicht bemerkt hat, dass russische Bürger aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit seit einem halben Jahr auf ausländischen Territorien einer massiven "Cancel-Culture" (Abschaffung aller Rechte und Freiheiten) ausgesetzt sind... und nichts. Keiner vergleicht sie mit den Negern der jüngsten Vergangenheit Amerikas. Gerade neulich gab es ein ganz gewöhnliches Beispiel. Eine junge Frau beschloss, sich um eine Stelle in einem europäischen Unternehmen zu bewerben. Sie erhielt diesen Brief: "Unsere Unternehmenspolitik sieht vor, dass wir keine russischen Staatsangehörigen einstellen, da gibt es keine Ausnahmen. Und obwohl jedem klar ist, dass Sie in der gegenwärtigen Situation nichts ändern können, glauben wir, dass es für alle besser ist, denn wir haben mehr als zehn Ukrainer in unserem Unternehmen beschäftigt."
Doch, natürlich verstehe ich, dass es sich um das "Andere" handelt. Darüber hinaus tragen alle Russen die Schuld. In der kollektiven Verantwortung gibt es keinen Hitlerismus. Oder gibt es ihn doch?
Der Historiker muss es genau wissen, wer das Prinzip der kollektiven Verantwortung vorangetrieben hat und warum. Ist also darin eine Manifestation des Nazismus zu erkennen, mit dem sich liberale Bürger gegenseitig Angst einjagen, wenn sie einen Polizisten sehen, der sich schwarzen BLM-Rebellen entgegenstellt, oder eher nicht? Dafür gibt es allerdings ein "Test-Wort", wie unsere Lehrerin in der fünften Klasse zu sagen pflegte. Man setze einfach "israelische Staatsbürger" und "mehr als zehn Palästinenser" in denselben Text und beobachte, was mit der Firma, ihrem Manager, ihrer HR und PR, und ihrem Fortbestand geschehen wird. Möglicherweise brennt sogar das Büro aus Versehen nieder.
Und doch ist dies ein ganz gewöhnlicher Fall unter Tausenden. Und wenn die Emigranten, die von den Geldern Chodorkowskis alimentiert werden und uns von Berlin aus erzählen, es sei alles anders, dann lügen sie unverschämt. Konten werden geschlossen, Aufenthaltstitel, die mehr als legal erworben wurden, werden annulliert, und das Arbeitsverhältnis wird nicht fortgesetzt usw. Man beachte: Niemand regt sich auf und niemand schreit "Diskriminierung!". Keine "Woke"-Kultur und keine Historiker quieken auch nur, denn heute darf man das. Niemand darf, nicht einmal die Roma selbst dürfen Zigeuner genannt werden, nur noch Sinti und Roma, mit den Russen aber darf man machen, was man will.
Währenddessen schreiben ihm polnische Bürger, die im Gegensatz zum Historiker Kompa in Polen leben und das ukrainische Spezifikum bereits kennengelernt haben: "Warum kaufen Sie nicht selbst eine Waschmaschine und schenken diese den Ukrainern?"
Und ich weiß, weshalb er das nicht tun wird. Weil die amerikanischen Zeitungen dem Historiker bereits mitgeteilt haben, dass die Waschmaschine zwangsläufig in die Hände russischer Aggressoren fallen wird, die dann die Mikrochips aus ihr herausnehmen, eine Rakete bauen und die Rakete zurückschießen werden.
Was denn sonst?
Übersetzt aus dem Russischen.
Igor Maltsew. Im Jahr 1958 geboren. Journalist und Schriftsteller, schreibt regelmäßig für RT auf Russisch, ehemaliger Chefredakteur der Zeitschriften "Medwed" und "Drugoi", Autor mehrerer Bücher, darunter "Whiskey. History of taste" und "Sina".
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