"Letzte Generation": Klima der Angst(störung)

Sie besetzen Kreuzungen, kleben sich fest, machen aus Kunstwerken Suppenbilder, geben ihr Studium, ihre Ausbildung oder ihren Beruf auf und lassen sich einsperren. Die "Letzte Generation" hat Angst – zumindest die meisten der darin Auftretenden.

Von Tom J. Wellbrock

Inzwischen ist bekannt geworden, dass es diverse Organisationen gibt, die die "Letzte Generation" fördern und finanziell unterstützen. Es wäre sicher interessant, sich mit den Motiven dieser Förderer zu befassen, ganz sicher tun das auch gute Leute. Doch in diesem Text soll es um die psychologische Verfassung der (meist) jungen Menschen gehen, die sich in einer so ausgeprägten Todesangst befinden, dass man von einer Angststörung sprechen muss.

Kürzlich saßen unterschiedliche junge Frauen bei Markus Lanz und bei Anne Will, um über ihre Ängste zu sprechen. Wobei sie eigentlich eher über die Hilfe sprechen wollten, die sie erwarteten. Denn sie wähnten sich im Recht. (Scheinbar) unabhängig voneinander sagten die jungen Frauen, dass es keine Chance mehr zur Anpassung gebe, dass in 20 bis 30 Jahren ein Großteil der Ernten wegfalle und auf der Welt Hunger, Bürgerkriege und Flüchtlingsbewegungen ausbrechen würden. Zwischen den beiden TV-Auftritten war im Radio innerhalb eines kurzen Berichtes eine weitere Frau zu hören – 20 Jahre jung –, die die gleiche Botschaft hatte.

Es wirkte wie abgesprochen. Oder es war abgesprochen. Fast identisch waren nicht nur die Worte der Frauen, sondern auch die Intonation, die sich zwischen Hysterie und ehrlicher Angst bewegte. Was die Sache so brisant machte, war die Gewissheit, die die Frauen ausstrahlten. Für sie schien es keinen Zweifel daran zu geben, dass sie nur die Wahrheit sagten, und umso schwerer verständlich empfanden sie es, dass nicht sofort alle Politiker auf ihre Forderungen eingehen wollen. Das ist verständlich, denn wer sicher ist, dass er seine später geborenen Kinder nicht mehr wird ernähren können, wer weiß, dass sein Job ohnehin ohne Zukunft ist, weil der Klimawandel und die daraus entstehenden Folgen die gesamte Existenz, das Leben, bedroht, der kann im Grunde nicht anders reagieren als diese Frauen.

Die Klima-Angststörung

Eine von zahlreichen anderen Definitionen einer Angststörung lautet:

"Eine Angststörung besteht, wenn Angstreaktionen in eigentlich ungefährlichen Situationen auftreten. Die Angst steht in keinem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Bedrohung. Betroffene erleben die Angst dennoch psychisch und körperlich sehr intensiv. Sie erkennen unter Umständen zwar, dass ihre Angst unangemessen oder unbegründet ist, sie können sie aber nicht ausschalten oder kontrollieren."

Damit ist das Problem vieler Teilnehmer der "Letzten Generation" recht gut auf den Punkt gebracht. Die Angst ist irrational und bewegt sich in einem Zeitfenster, das viele Varianten zulässt. Denn selbst wenn es stimmen sollte, dass die jetzige Entwicklung der Klimaveränderungen auf den befürchteten Anstieg der Temperaturen bis 2040 oder 2050 sich bewahrheiten sollte, berücksichtigt die Angstreaktion in der Form, wie wir sie erleben, keine weiteren Faktoren. In den Köpfen und (vor allem!) Herzen der Menschen der "Letzten Generation" werden keine abweichenden Entwicklungen zugelassen. Es scheint sogar, dass sie emotional und vielleicht auch intellektuell gar nicht in der Lage sind, andere Szenarien in Betracht zu ziehen.

Die "helfenden" Hände von Politik und Medien

Selbstverständlich geht es hier nicht darum, eine so große Gruppe wie die "Letzte Generation" unter eine Generaldiagnose zu stellen. Es wäre unangemessen und oberflächlich, schlicht eine kollektive Angststörung zu unterstellen. Die Biografien sind unterschiedlich, die Motivation ist unterschiedlich, auch die Ängste sind es. Bei vielen werden die Ängste wieder vergehen, sich von selbst "ausschleichen", bei anderen kommt es vermutlich zu einer gefährlichen Steigerung der Ängste. Aber vermutlich ist der Prozentsatz derer, die auf längere Zeit in ihrer Angststörung verharren, nicht zu unterschätzen. Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass die gewünschte und geforderte sofortige Lösung des Problems unrealistisch ist. Somit wird der Weg in die Dunkelheit der Angststörung fortgesetzt, weil sich jeden Tag zu zeigen scheint, wie berechtigt diese Form der Angst, der Todesangst, ist.

Eine Aktivistin hat es gut auf den Punkt gebracht. Sie sagte sinngemäß:

"Eigentlich wollte ich studieren, dachte, dass jetzt der schönste und aufregendste Teil meines Lebens kommt. Aber dann hab ich mich mit dem Klima beschäftigt und mir wurde klar, dass ich keine Zukunft habe, dass meine Kinder später keine Zukunft haben werden, wenn wir den Klimawandel nicht aufhalten."

Offen bleibt, wie genau sich diese Frau mit dem Klima beschäftigt hat, aber ganz offenkundig war sie in der Auswahl der Quellen nicht sehr wählerisch. Denn sie erzählt das, was ihr erzählt wurde, von den Medien, von der Politik. In einem Zeitraum von 20, 30, 50 oder 100 Jahren gibt es unzählige unbekannte Faktoren, die auf den Verlauf Einfluss nehmen könnten. Das gilt selbstverständlich in beide Richtungen, alles kann also viel schlimmer oder auch deutlich besser werden als prognostiziert oder modelliert.

Junge Menschen sind leicht manipulierbar, und mit den entsprechenden Methoden lassen sie sich geradezu in jede Richtung steuern, in die man sie bringen will. Genau das ist hier der Fall. Politik und Medien singen ein gemeinsames Lied der Panikmache, sie verbreiten Angst und schlechte Gewissen, sie priorisieren das Thema Klimaveränderungen vor allen anderen Themen. Und sie behaupten, dass alles in Gefahr ist, wenn wir das Klima nicht "retten".

Natürlich ist das eine wirksame Methode, um Menschen – insbesondere wenn sie noch jung sind – gefügig zu machen und sie zu Handlungen zu bewegen, die sie ohne diese Einflussnahme nicht einmal in Erwägung gezogen hätten. Angst ist ein guter Ratgeber, wenn man mit ihr Menschen manipulieren will. Genau das passiert. Genau das ist gewollt. Wie schon zu Corona, als die Kinder die waren, die am meisten unter der Angstpropaganda zu leiden hatten, sind sie es jetzt wieder. Erneut sagt man ihnen, dass die Apokalypse bevorsteht. Im Falle von Corona verängstigte man die jungen Menschen als potenzielle Mörder ihrer Eltern oder Großeltern, wenn sie nicht das "richtige" Verhalten an den Tag legen. Heute nimmt man ihnen mit entsprechenden Szenarien die Hoffnung und den Optimismus. Als hätten wir nicht schon genug traumatisierte Kinder und Jugendliche.

Der kluge Wissenschaftler

Wichtiger als die Politik, die Medien und in vielen Fällen auch die Eltern wären für die jungen Menschen von der "Letzten Generation" sicher unabhängige Wissenschaftler. Wissenschaftler, die nicht auf Drittmittel angewiesen, sondern in der Lage sind, auf das Thema Klima einen unaufgeregten Blick zu werfen.

Solche Wissenschaftler könnten den jungen Menschen zeigen, was möglich ist, aber auch was nicht möglich ist. Sie könnten ein Problembewusstsein bei den jungen Leuten erzeugen, ohne daraus eine Todesangst entstehen zu lassen. Die große Stärke unabhängiger Wissenschaft ist der Pragmatismus. Er erleichtert nicht nur die Analyse, sondern entwirft auch Lösungsvorschläge, die Optimismus erzeugen können.

Was den jungen Menschen heute angetan wird, ist die Erzeugung einer bewussten Verunsicherung, einer sich langsam ausbreitenden Angst, die zu dem Gefühl führt, ausgeliefert zu sein und handeln zu müssen, und koste es die Freiheit, das Glück, den Beruf oder die Familie. Dadurch entstehen verängstigte Menschen, die mit großer Wahrscheinlichkeit zur Radikalität und womöglich irgendwann zur Unzurechnungsfähigkeit neigen.

Für die großen Emotionen der jungen Menschen in Todesangst wären pragmatische und fachlich unaufgeregte Analysen notwendig. Doch sie sind weit und breit nicht in Sicht. Und so wird die Jugend weiterhin auf einen Weg gebracht, der ihr schadet, sie verletzt, verängstigt und von innen auffrisst.

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