Von Tom J. Wellbrock
Kaum war die Meldung in die Welt gesetzt worden, ging das Geschrei los. Jetzt greift Putin die NATO an, jetzt wissen wir alle endgültig, wie der "Tyrann" (Bild-Zitat) tickt. Besonders genau wusste es mal wieder die Ukraine. Selenskij forderte eine "schnelle Reaktion", außerdem habe er es ja immer schon gewusst, Putin will die Welt erobern, und da wir ihn bisher nicht in Schutt und Asche gebombt haben, haben wir den Salat.
Die Bild titelte "Putin spielt mit dem Weltkrieg" und entlarvt sich mit dieser eckigen Headline gleich mal selbst. Denn diese Überschrift ist genau das, was das Blatt Russland vorwirft: ein Spiel mit dem Feuer, mit dem Weltkrieg. Die fachlichen Überflieger der Bild hatten auch sofort eine Analyse im Gepäck:
"Die zwei wahrscheinlichsten Möglichkeiten sind: Entweder Putins Soldaten haben aus Versehen Polen getroffen. Sie sind oft schlecht ausgebildet und betrunken. Dann muss sich der Tyrann formvollendet entschuldigen, sozusagen auf Knien um Vergebung betteln, während bewaffnete NATO-Kampfflugzeuge um sein Land fliegen."
Mehr rhetorischer Krieg in nur einem Absatz ist schwer möglich, aber doch machbar:
"Oder Putin hat die NATO mit Absicht angegriffen. Dann muss das Militärbündnis hart zurückschlagen. Denn die NATO kann ihr Territorium nicht einfach bombardieren lassen, ihre Bürger nicht im russischen Bombenhagel sterben lassen. Putin reagiert nur auf Gewalt."
Verbale Eskalation gewünscht? Kein Problem, hier kommt sie:
"Sollte die unwahrscheinliche dritte Möglichkeit zutreffen, dass die Explosion die Folge der ukrainischen Flugabwehr war, dann sind – tatsächlich – auch die Russen schuld. Denn sie spielen an der NATO-Grenze mit dem Feuer. Der irre Tyrann bringt uns immer näher an einen dritten Weltkrieg."
Inzwischen sieht es so aus, als treffe so etwas wie die "dritte Möglichkeit" zu. Aber die Bild hatte sich darauf ja schon vorbereitet, indem sie kundtat, dass Putin ohnehin Schuld hat, egal wer was gemacht oder nicht gemacht hat.
Hier sind die Kriegstreiber! Sie überprüfen nicht, warten nicht ab, was die weitere Entwicklung an Erkenntnissen bringt, sie feuern sofort los, fordern schnelle Reaktionen gegenüber einem "Terrorstaat", und sie sind so sehr von Sinnen, dass sie unreflektiert und ohne einen Gedanken an die verheerenden Folgen einen Gegenschlag fordern. Einen Gegenschlag, von dem zum Zeitpunkt des Geschreis nicht einmal klar ist, was passiert ist.
Wir sind an einer neuen Eskalationsstufe angekommen. Alles, was der NATO-Darsteller Selenskij bislang versucht hat, um eine weitere, womöglich atomare Eskalation herbeizuführen, ist gescheitert. Darum muss jetzt das Narrativ des Angriffs auf die NATO herhalten. Wäre doch gelacht, wenn man nicht doch noch den atomaren Erstschlag auf Moskau auf die Reihe kriegen würde.
Bezeichnend ist die Tatsache, dass keine Tatsache nötig ist, um eine weitere Eskalation zu fordern. Ein gewisser Julian R. twitterte kurz nach der Neuigkeit:
Was soll man dazu noch sagen? Die Kriegstreiber ziehen ihr Spiel durch, und sie werden nicht aufgehalten, nicht einmal gebremst, sie können Leid und Tod fordern, die Ausweitung des Krieges herbeischreiben und menschenverachtende Angriffe tätigen.
Nur fürs Protokoll sei hier betont, dass es krank ist, vollständig krank, anzunehmen, Russland würde die NATO angreifen. Aber wer glaubt, Russland sprenge seine eigenen Nord-Stream-Pipelines, dem kann man jeden Unsinn erzählen. Soll das glauben, wer will oder wer mit einem so psychopathischen Geist ausgestattet ist, dass derlei Überlegungen irgendeinen Sinn ergeben. Jeder Versuch einer erfolgreichen Behandlung – ob psychologisch oder medikamentös – ist ganz sicher zum Scheitern verurteilt.
Aber es geht hier nicht um psychopathische Journalisten oder dem Kokain verfallene Präsidenten korrupter Länder, sondern um die Menschheit. Eine finale Eskalation kann große Teile dieser Menschheit auslöschen und/oder so krank machen, dass sie einen langsamen, qualvollen Tod stirbt.
Es wird Zeit, den Egoismus, die eigenen Interessen, die Gier und den Hass all derer klar zu benennen, die hier hetzen und anheizen. Wer jetzt immer noch mitmacht bei der Steigerung des Hasses, wer jetzt noch immer meint, dass noch mehr Waffen und noch mehr Krieg nötig sind, um Frieden zu schaffen, der möge sich sein Orwell-Sprech eingerahmt an seine Wohnzimmerwand nageln. Doch er muss damit aufhören, das Schicksal von Millionen, Milliarden Menschen mit einem sicheren und grauenvollen Krieg zu zementieren.
Es reicht!
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