Von Bernhard Loyen
Leitende Ämter bedeuten Verantwortung gegenüber Bürgern wie auch potenziellen Angestellten. Die Ernennung oder Besetzung einer leitenden politischen Position setzte früher – zumindest zu Zeiten wirtschaftlicher Grundstabilität in diesem Land – noch eine entsprechende Qualifikation voraus.
Der Karrieresprung einer Grünen-Spitzenkandidatin der Landtagswahlen in Niedersachsen 2022 sorgt nun für gewaltige Irritationen. Die neue Vize-Ministerpräsidentin heißt Julia Willie Hamburg. Sie ist 36 Jahre alt. Was zeichnet ihr persönlicher und beruflicher Werdegang für dieses verantwortungsvolle Amt aus? Nichts, null, nada.
Diese Nulleignung, die Unfähigkeit gepaart mit Selbstüberschätzung, ist jedoch das politisch-gesellschaftliche Phänomen der Stunde. Eingefordert und beeindruckend zelebriert seit der letzten Bundestagswahl vor allem durch die Partei Die Grünen. Im Falle von Hamburg gipfelt der Irrsinn in der Tatsache, dass die Studienabbrecherin ohne jeglichen Berufsabschluss nun auch in den VW-Aufsichtsrat berufen wurde. "Ohne Volkswagen (VW) ist Niedersachsen nichts", titelte Die Welt im Jahr 2017. Seit 1988 hält das Land Niedersachsen 20 Prozent Anteile an dem Automobilkonzern und erhielt dadurch zwei Aufsichtsratsplätze in Wolfsburg.
Jeder fünfte Job im VW-Konzern ist in Niedersachsen beheimatet. Von den insgesamt mehr als 600.000 Beschäftigten arbeiten gut 120.000 in dem Land. VW stand im Jahr 2017 für mehr als die Hälfte der erwirtschafteten Wertschöpfung der 50 größten niedersächsischen Unternehmen. Der Gewinn von Europas größtem Autobauer stieg auf Basis vorläufiger Zahlen 2021 um fast 75 Prozent auf 15,4 Milliarden Euro. Und nun sitzt da Frau Hamburg in einer verantwortungsvollen Position.
Die Grünen sollen nach der Landtagswahl "auf eine stärkere Rolle in der Wirtschaftspolitik gedrungen haben", weiß der NDR zu berichten. Neben dem Ministerpräsidenten galt rückblickend der zweite Aufsichtsratsplatz eines 20-köpfigen VW-Kollegiums eigentlich immer einem Politiker aus dem Wirtschaftsressort. Frau Hamburg wurde neben der Funktion der Vize-Ministerpräsidentin neue Kultusministerin, also zuständig für den Bereich Schule und Bildung. Der NDR informiert:
"Die Bildungs-Expertin hatte im Wahlkampf auch das Wirtschaftsministerium für sich in Erwägung gezogen. Offenbar konnte sie sich in den Verhandlungen aber nicht gegen die Sozialdemokraten durchsetzen."
Woher kommt dieser Größenwahn, woraus resultiert diese kolossale Selbstüberschätzung? Expertin klingt nach Qualifikation, aber was zeichnet Hamburgs wirtschaftliche Kompetenz nun aus? Die Südwest Presse klärt auf:
"Nach dem Abitur begann sie ein Studium in Politikwissenschaft und Philosophie in Göttingen. Das Studium hat sie jedoch nie abgeschlossen, unter anderem weil sie ihr erstes Kind bekam und sich danach neu orientierte. Damit begann nämlich auch ihre Karriere als Politikerin."
Was verrät Frau Hamburg persönlich über ihren beruflichen und politischen Ehrgeiz, über anvisierte Karriereziele? Hier die Antwort:
"Ich bin ein durch und durch politischer Mensch, bewegt von gesellschaftlichen Entwicklungen, von Menschen und ihren Schwierigkeiten und Geschichten. (...) Schon immer wollte ich eine junge Mutter sein und habe während meines Studiums der Politikwissenschaft mein erstes Kind bekommen. (...) Ich habe kein Auto, fahre gerne Rad und gehe gerne wandern. Ich liebe Comics und eigentlich lese ich sehr gern – finde nur viel zu selten die Zeit dafür."
Zusammenfassend in aller Kürze: Von 2008 bis 2010 war sie Sprecherin der Grünen Jugend in Niedersachsen, 2013 wurde sie die Landesvorsitzende der Grünen. Seit 2013 sitzt Hamburg im Landtag von Niedersachsen. Hat sie irgendeinen Amtstitel, eine leitende Position, irgendeine Eignung oder Auszeichnung? Nein, sie ist Mitglied bei der Gewerkschaft Verdi, beim FC St. Pauli, bei LINDENbackt! eG, bei der Deutschen Herzstiftung e.V. und einem Bürgerradio. Immerhin zudem Mitglied des Kuratoriums der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung und Mitglied des Stiftungsrats Niedersächsische Gedenkstätten.
Vor den letzten Landtagswahlen wurde sie in einem Interview zu aktuellen niedersächsischen Zahlen zum Thema Altersarmut und Arbeitslosigkeit befragt. Sie waren ihr, als Verdi-Mitglied, nicht bekannt.
Dieser Interviewausschnitt ist ein weiteres Paradebeispiel für das Niveau der gegenwärtigen (grünen) Politikergeneration.
In Hamburgs Falle, das einer jüngst gekürten Vize-Ministerpräsidentin! Nun also ein weiterer Titel für ihren dünnen Lebenslauf – Aufsichtsratmitglied bei VW. Autobranchenexperte Ferdinand Dudenhöffer erläutert im Fachmagazin Automobilwoche:
"In der Steuerung des 'Weltkonzerns VW' muss es vor allem um ein tiefes Verständnis und um thematische Expertise in der Auto- sowie Zulieferindustrie gehen – nicht um 'landespolitische Opportunitäten'. Die Entscheidung für den Aufsichtsrat(-platz von Hamburg) wirkt daher eher willkürlich, dem politischen Proporz der niedersächsischen Regierung geschuldet."
Die zu erwartende Vergütung von knapp 100.000 Euro muss Hamburg "gemäß § 5 Abs. 3 Niedersächsisches Ministergesetz" für ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat an das Land Niedersachsen abführen. Immerhin, ein schwacher Trost, der jedoch von der nachweislichen Nichteignung und der skandalösen Nominierung nicht ablenken sollte.
Dieses Land hat aktuell sehr viele und bedenkliche Probleme. Ein federführendes dabei ist die Besetzung maßgeblicher Positionen und Ämter mit charakterlichen Blendgranaten, die sich meist sehr schnell als klägliche Rohrkrepierer herauskristallisieren. Ein Parteienklüngel lässt das individuelle Scheitern jedoch meist moderat ausklingen. Ein weiteres Mosaiksteinchen für das Phänomen der Arroganz der Macht.
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