Deutsche Arroganz – Baerbock gibt in Zentralasien den Besserwessi

Die deutsche Außenministerin besucht Zentralasien. Sie möchte Kasachstan und Usbekistan aus der russischen und chinesischen Einflusssphäre lösen. Außer westliche Arroganz und Belehrung hat sie allerdings nichts zu bieten. Der Besuch ist ein Flop.

Von Gert Ewen Ungar

Außenministerin Baerbock (Die Grünen) ist zurzeit auf Tour durch Zentralasien. Dort hat sie die kasachische Hauptstadt Astana besucht und sich mit ihrem Amtskollegen Muchtar Tleuberdi getroffen. Im Anschluss flog die deutsche Außenministerin weiter nach Usbekistan. Politisches Ziel der Reise ist die geopolitische Einflussnahme. Kasachstan wie auch Usbekistan sollen aus der Einflusssphäre Chinas und Russlands herausgelöst und in Richtung EU eingebunden werden. Baerbock möchte die Kooperation mit Deutschland und der EU als Alternative zur Integration der beiden Länder in die eurasischen Wirtschafts- und Sicherheitsstrukturen ins Spiel bringen. 

Die deutsche Außenministerin äußerte in diesem Zusammenhang: 

"Mir ist wichtig, dass die Zukunft für sie nicht nur die Wahl zwischen der engen Zwangsjacke im Vorhof von Russland und der Abhängigkeit von China bereithält. Ich will in Kasachstan und Usbekistan deshalb vor allem zuhören, welche Hoffnungen und Erwartungen die Menschen in dieser Situation an Europa richten."

Dem Sender n-tv sagte Baerbock mit Blick auf China, andere Länder versuchten ihren Einfluss "nicht nur mit militärischer Gewalt, sondern auch durch wirtschaftliche Deals, hinter denen sich ein Netz von Abhängigkeiten verbirgt", auszubauen. Deutschland dagegen will nach Baerbock andere Wirtschaftsbeziehungen: "fair, auf Augenhöhe, ohne Knebelkredite und ohne versteckte Agenda".

Mit dem Zuhören und der Augenhöhe hat es dann gleich mal nicht so gut geklappt. Zwar glaubt Baerbock, dass die EU und Deutschland den zentralasiatischen Ländern mehr Freiheit und Unabhängigkeit bieten könnten als China und Russland. Daran schließt sie allerdings unmittelbar Mahnungen in Richtung Kasachstan in bestem Besserwessi-Ton an. Das Land habe, wenn die wirtschaftliche Kooperation ausgebaut werden soll, seine Defizite im Bereich Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu beheben.

Dass für Länder wie Kasachstan und Usbekistan die Attraktivität von Bündnissen wie BRICS, der Shanghai Cooperation Organisation (SCO), der Konferenz für vertrauensbildende Maßnahmen in Asien (CICA), der Organisation über kollektive Sicherheit (OVKS) eben genau darin besteht, dass sie auf dem völkerrechtlichen Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten ihrer Länder basieren, ignoriert Baerbock geflissentlich. Der neokoloniale Gestus ist zentrales Programm ihrer Außenpolitik. Alles hat sich der transatlantischen Ordnung zu unterwerfen. Baerbocks erhobener moralischer Zeigefinger ist jedenfalls das genaue Gegenteil von Zuhören und von Kommunikation auf Augenhöhe. Baerbock versteht das natürlich nicht. 

Da ist das Prinzip Augenhöhe also rasch wieder an seine deutsche Grenze gekommen. Man kann sich sicher sein, dass derartige Ermahnungen eine Einbahnstraße von West nach Ost sind. Freiheit, Demokratie und Menschenrechte gibt es nach Auffassung westlicher Politiker vom Schlage einer Baerbock nur im Westen, und nur der Westen hat daher nicht nur das moralische Recht, sondern auch die Pflicht, diese in anderen Ländern anzumahnen. Sollte Kasachstan auf die Idee kommen, Deutschland im Hinblick auf beispielsweise die Gewährung von Presse- und Meinungsfreiheit zu tadeln – man kann sicher sein, Baerbock würde sich das verbitten. Deutlich gemacht hat sie mit ihrem Statement: Es gibt mit dem Westen und mit Deutschland keine Augenhöhe. 

Es ist unklar, ob Baerbock selbst glaubt, was sie da äußert, ob sie ihren Bezug auf militärische und wirtschaftspolitische Strangulation durch China und Russland vor allem für ein schlecht informiertes deutsches Publikum anführt. Allerdings kann man sicher sein, dass ihr dies außerhalb der westlichen Hemisphäre niemand abnimmt. Die Überfälle auf andere Länder und Regionen, die strangulierenden Handelsabkommen des Westens sind bekannt. Lediglich in Deutschland wird das Publikum vor den bitteren Wahrheiten westlicher und deutscher Außenpolitik medial gut beschützt. 

Baerbock sieht das große wirtschaftliche Potenzial, über das die beiden zentralasiatischen Länder verfügen, und lädt zur Kooperation ein. Usbekistan ist im vergangenen Jahr um über sieben Prozent gewachsen. Mit Kasachstan strebt Deutschland eine Zusammenarbeit im Energiesektor an und eröffnet dort ein eigenes Wasserstoff-Büro zur Koordination energiewirtschaftlicher Aktivitäten.

Was die deutsche Außenministerin angesichts des großen Potenzials Zentralasiens allerdings übersieht, ist das immer geringer werdende Potenzial Deutschlands und der EU. Durch die Sanktionen hat sich Deutschland von der Möglichkeit weiteren wirtschaftlichen Wachstums abgeschnitten. Der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands wurzelte in der Verfügbarkeit von günstiger russischer Energie und im Lohndumping im Rahmen der Agenda 2010.

Auf günstige Energie aus Russland will man künftig aufgrund einer naiven Sicht auf wirtschaftliche Zusammenhänge verzichten. Wie viele andere Mitglieder der Regierung glaubt auch Baerbock, man könne durch Verzicht auf russische Energie den Verlauf des Krieges in der Ukraine beeinflussen, weil Russland bei einem Embargo die finanziellen Mittel zur Finanzierung weiterer Waffen fehlen würden. Obwohl die Kampfhandlungen immer weiter eskalieren und Russland zu einer Ausweitung seiner militärischen Aktivitäten in der Lage ist, hält man in Berlin am durch die Fakten längst widerlegten Irrglauben fest, man könne den Krieg durch Sanktionen steuern.

Die durch diesen Irrglauben verhängten Sanktionen treffen primär die deutsche Wirtschaft. Diesen Zusammenhang leugnet Baerbock. Für sie trägt Putin die Schuld an Inflation und steigenden Energiepreisen. Dabei ist gerade Kasachstan das Land, an dem sich deutlich zeigen lässt, dass es die Sanktionen sind, die Deutschland schaden, denn auch der kasachisch-deutsche Handel ist davon betroffen.

Deutschland deckt etwa zehn Prozent seines Bedarfs an Erdöl aus Kasachstan. Dieses wird über eine Pipeline an einen russischen Hafen am Schwarzen Meer geliefert, von wo aus es nach Deutschland verschifft wird. Die kasachischen Öllieferungen an Deutschland werden daher von den Sanktionen getroffen. Dafür kann Putin nun wahrlich nichts. Es sind die vom Westen verhängten Sanktionen, die der deutschen Wirtschaft das Leben schwer machen. Extrem schwer. Einsicht oder gar Korrektur? Bei Baerbock absolute Fehlanzeige. 

Absehbar ist auch, dass durch die ausufernde Verschuldung Deutschlands, durch zunehmende Rüstungsausgaben und durch Subventionen im Energiebereich in Verbindung mit einem immer schwächer werdenden Euro Deutschland zu umfassenden Investitionen und zu einer umfassenden Kooperation gar nicht in der Lage sein wird.

Mit seiner Zeitenwende-Rede hat Bundeskanzler Scholz eine zusätzliche Verschuldung von 100 Milliarden Euro zur Aufrüstung der Bundesrepublik verknüpft. Mit 200 Milliarden Euro sollen die steigenden Energiepreise abgefedert werden. All das sind zusätzliche Schulden. Mit dem Einfrieren russischer Devisen hat die EU das globale Vertrauen in den Euro geschwächt. Sie hat deutlich gemacht, dass sie die eigene Währung zu politischen Zwecken einsetzen wird. Der Euro ist seitdem auf Talfahrt. All das übersieht die deutsche Außenministerin. Allerdings wird man diese Zusammenhänge weder in Kasachstan noch in Usbekistan übersehen. 

Dem Besuch der Außenministerin wurde daher in Zentralasien bisher kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Lediglich die kasachische Ausgabe des russischen Auslandssenders Sputnik berichtet. Von kasachischen Medien wurde Baerbocks Besuch ignoriert. Er ist unbedeutend. Deutschland hat Zentralasien außer deutscher Arroganz und Überheblichkeit nichts zu bieten. Außer der deutschen Außenministerin ist das allen klar. 

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