von Gert Ewen Ungar
Der Versuch der großen deutschen Medien sowie der deutschen Politik, das westliche Narrativ über den Konflikt in der Ukraine aufrechtzuerhalten, wirkt zunehmend verzweifelt. Der Umgang mit abweichenden Meinungen wird zudem aggressiver, denn inzwischen haben jene, die das Narrativ in Zweifel ziehen und eigenständig überprüfen wollen, mit juristischen und persönlichen Konsequenzen zu rechnen.
Vor wenigen Tagen forderte beispielsweise die EU-Parlamentsabgeordnete Nathalie Loiseau Sanktionen gegen westliche Beobachter der Referenden. Der NDR-Journalist Patrik Baab verlor seinen Lehrauftrag an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Berlin. Auch der Geschäftsführer des nordhessischen Versorgers Energie Waldeck-Frankenberg (EWF), Stefan Schaller, wurde nach seinem Besuch im Donbass als Wahlbeobachter von seinen Aufgaben entbunden. Inzwischen wurde er entlassen, wie die Regionalzeitung HNA meldet. Die mediale Hetzjagd gegen ihn, an der sich auch das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) beteiligte, zu dem die HNA gehört, war erfolgreich. Das RND gehört zur Madsack Mediengruppe, welche zu 23 Prozent der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft DDVG gehört. Diese wiederum ist zu 100 Prozent im Besitz der SPD. So funktioniert unabhängiger Journalismus in Deutschland.
Was in Deutschland und der EU vorgeht, ist skandalös. Natürlich wird darüber nicht berichtet, denn die Medien haben an dieser reaktionären Wendung ins Autoritäre maßgeblichen Anteil – nicht nur in Form von Beteiligungsgesellschaften, sondern auch durch Netzwerke und Seilschaften bis in die Redaktionen hinein. Die Immunabwehr der Demokratie ist selbst vom Virus des Autoritarismus infiziert. Der deutsche Journalismus ist zu einer immunologischen Antwort auf Gefahren für die Demokratie nicht mehr in der Lage. Er ist im Gegenteil selbst zu einer Gefahr für den demokratischen Diskurs geworden.
Die Kiewer Regierung lässt seit über acht Jahren auf ihre eigene Bevölkerung im Donbass schießen. Inzwischen massiv verstärkt und unterstützt von Waffenlieferungen enormen Ausmaßes aus dem Westen. Versuche, auf diplomatischem Weg eine Lösung herbeizuführen, sind gescheitert. Die Kiewer Regierung fühlt sich an die Minsker Vereinbarungen nicht mehr gebunden und wird in dieser Verletzung des völkerrechtlich bindenden Abkommens Minsk 2 von ihren westlichen Partnern unterstützt. Die betroffenen Regionen wollen sich daher abspalten. Das ist angesichts der Abläufe absolut nachvollziehbar. Die Referenden sollten über das Ausmaß der Unterstützung für diesen Schritt in der Bevölkerung Klarheit bringen und ihn rechtlich absichern. Auch das ist nicht zu bestreiten.
Damit aber würde das westliche Narrativ, dass Russland in die Ukraine einmarschiert ist und dort mit Waffengewalt gegen den Willen der Bevölkerung Landesteile annektiert, in sich zusammenbrechen. Damit es nicht zusammenbricht, werden die Referenden diskreditiert. Unterstellt wird, der Ablauf und die Ergebnisse seien manipuliert. Unabhängige Wahlbeobachter, die etwas anderes berichten, stören in diesem Zusammenhang. Sie bedrohen die Herrschaft des Mainstreams über die etablierte Erzählung. Sie werden daher mundtot gemacht. Das Narrativ von der Ukraine, die das Opfer imperialer Machtausweitung Russlands ist, muss unter allen Umständen erhalten bleiben. Das erfordert auch den Einsatz repressiver Maßnahmen. Diejenigen, die sich ein eigenes Bild verschaffen wollten, verlieren ihre Jobs, ihr Ansehen wird diskreditiert, sie werden öffentlich angeprangert. Man kann sich für Deutschland nur noch schämen.
Fakt ist, dass unabhängige Wahlbeobachter durchaus eingeladen waren. Es waren auch Wahlbeobachter zugegen. Auch Journalisten waren vor Ort, die über die Abläufe berichteten. Nur eben nicht aus dem Westen, der EU und Deutschland. Natürlich hätten auch deutsche Reporter vor Ort sein können, wie der NDR gegenüber dem Journalisten Tom J. Wellbrock in einem Beitrag für RT DE zugibt. Natürlich waren auch westliche Wahlbeobachter eingeladen.
Man wollte nicht. Man wollte mit dem Argument nicht, dass es den Referenden Legitimität verliehen hätte. Die deutschen Medien machen sich damit zum Handlanger der Politik. Politik behauptet, die Referenden seien nicht legitim und die Berichterstattung des deutschen Mainstreams stützt das unter anderem dadurch, dass er keine Journalisten entsendet, die über die Abläufe der Referenden vor Ort auf der Grundlage von Fakten berichten können. Der deutsche Journalismus hat sich damit seiner genuinen Möglichkeit beraubt, substanzielle Äußerungen zu den Referenden zu machen. Er hat geschwänzt und berichtet lediglich vom Hörensagen, wobei er nur auf eine Seite hört. Mit dem vielfach erhobenen Anspruch, journalistische Qualität zu liefern, hat das natürlich rein gar nichts zu tun. Im Gegenteil: Der deutsche Journalismus ist Kriegspartei.
Konsens im deutschen Mainstream ist, den Menschen im Donbass das völkerrechtlich verbriefte Recht auf Selbstbestimmung abzuerkennen. In einem absolut desinformierenden Beitrag der Tagesschau dazu heißt es:
"In der Charta der Vereinten Nationen findet sich das Selbstbestimmungsrecht an prominenter Stelle bei den Zielen und Grundsätzen in Artikel 1. Was dieses Recht genau umfasst, ist allerdings nicht definiert. Wissenschaft und Rechtsprechung haben den Begriff aber konkretisiert und bestimmte Standards herausgearbeitet. 'Es geht um einen angemessenen Umgang mit dem Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse der Staaten an der Unverletzlichkeit ihres Hoheitsgebietes auf der einen Seite und der demokratischen Legitimität auf der anderen Seite', erklärt Professor Bernd Grzeszick, Völkerrechtler von der Uni Heidelberg."
Die Tagesschau zitiert weiter:
"Erst wenn die Autonomie innerhalb des Landes unmöglich ist, das Selbstbestimmungsrecht nicht wahrgenommen werden kann und es schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen gegen einen Teil der Bevölkerung gibt, erkennt das Völkerrecht ausnahmsweise eine Abspaltung an. 'Diese Voraussetzungen sind in der Ostukraine keineswegs gegeben', betont Grzeszick."
Da schließt sich dann auch der Kreis und das Dilemma des öffentlichen deutschen Diskurses ist auf den Punkt gebracht. Denn der deutsche Experte ist offenkundig der deutschen Nichtberichterstattung über die Vorgänge im Donbass aufgesessen. In der Ostukraine sind all die Voraussetzungen, die eine Abspaltung laut Grzeszick legitimieren, natürlich gegeben. Er weiß davon nur nichts. Nur weil der deutsche Mainstream nicht darüber berichtet, sind Fakten aber nicht einfach weg.
Es gibt im Donbass eine Vielzahl von Zeugnissen über schwerste Menschenrechtsverletzungen durch die Ukraine. Einsatz von verbotenen Waffen, Kriegsverbrechen. Zudem diskriminierende Gesetzgebung, die sich direkt gegen die Bewohner des Donbass richtet. Den Bewohnern von Donezk und Lughansk wurden die Rentenzahlungen, den Staatsbediensteten die Bezüge verweigert. Es gibt Attentate und Terroranschläge. Dort, wo die Ukraine bereits befreite Gebiete rückerobert, gibt es Berichte über regelrechte Rachefeldzüge gegen die verbliebene Bevölkerung. Der deutsche Professor wurde das Opfer deutscher Propaganda.
Wie die Nachdenkseiten in einer investigativen Artikel-Serie aufdeckten, ist diese Gleichschaltung der großen deutschen Medien in Bezug auf Russland geplant und wird ganz offensichtlich auch schon praktiziert. Sowohl die sogenannten Faktenchecker in den sozialen Medien als auch der deutsche Mainstream diskreditiert jegliche aus Russland kommende Information als Desinformation - weitgehend ohne Überprüfung des Inhalts. Deutschland ist wieder eingeschlossen in einer Glocke aus staatstreuer Propaganda. Der Umgang mit den Referenden im Donbass macht das deutlich. Der Umgang mit den Wahlbeobachtern macht es noch deutlicher. Wohin das führt, wissen wir aus der eigenen Geschichte.
Die Strafen und persönliche Konsequenzen für jene, die sich auf eigene Verantwortung einen Eindruck von den Abläufen der Referenden im Donbass verschafft haben, sind alarmierend. Dass der deutsche Mainstream darüber, wenn überhaupt, so nur affirmativ berichtet, deutet auf seine Dysfunktionalität. Der Erhalt des antirussischen Narrativs wird von Politik und Medien über die Fakten und tatsächlichen Abläufe in der Ukraine gestellt.
Dabei ist klar, das westliche und deutsche Narrativ wird sich nicht als haltbar erweisen. Die Folgen für Deutschland werden absehbar enorm sein, denn auf Grundlage einer objektiveren Berichterstattung würde in Deutschland in einer anderen Weise über den Ukraine-Konflikt diskutiert und Deutschland würde sich nicht immer tiefer in diesen Konflikt hineinziehen lassen. Der Schaden hätte sich frühzeitig begrenzen und vermeiden lassen. Die Deutschen werden systematisch unwissend gehalten. Das Ergebnis kennen wir aus unserer Geschichte. Medial ist Deutschland wieder da angelangt, wo es niemals wieder hinwollte.
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