Von Andrew Korybko
Das Konzept der westlichen Demokratie wird weithin so verstanden, dass die gewählten Vertreter eines Landes immer den Interessen ihres Volkes dienen und ihm gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Weshalb die jüngste Grundsatzerklärung der deutschen Außenministerin absolut schockierend ist. Annalena Baerbock hat am vergangenen Mittwoch, während einer Konferenz zum Thema "Die klare und gegenwärtige Gefahr für die Demokratie: Wie reagieren wir?", ironischerweise folgendes antidemokratische Gelöbnis abgelegt:
"Wenn ich Leuten in der Ukraine das Versprechen gebe 'Wir stehen zu euch, solange ihr uns braucht' – dann will ich mein Versprechen auch halten. Egal, was meine deutschen Wähler denken, aber ich möchte gegenüber den Menschen in der Ukraine mein Versprechen halten. Darum ist es für mich wichtig, immer offen und klar zu bleiben. Das bedeutet, dass jede Maßnahme die ich treffe, so muss klar sein, dass diese bestehen bleiben, so lange die Ukraine mich braucht.
Wir stehen jetzt vor einem Winter, in dem wir als demokratische Politiker herausgefordert werden. Die Leute werden auf die Straße gehen und sagen: 'Wir können unsere Energiekosten nicht bezahlen'. Und ich werde sagen: 'Ja, ich weiß, also helfen wir euch mit sozialen Maßnahmen.' Aber ich will nicht sagen: 'Okay, dann stoppen wir die Sanktionen gegen Russland.' Wir werden zur Ukraine stehen, und das bedeutet, dass die Sanktionen auch im Winter aufrecht erhalten werden, auch wenn es für die Politiker wirklich hart wird."
In nur wenigen Sätzen, diskreditierte die Spitzendiplomatin des de facto führenden Landes der Europäischen Union, das gesamte Konzept der westlichen Demokratie. Weit davon entfernt, den Interessen derjenigen zu dienen, die diese deutsche Regierung gewählt haben, verspricht sie offen, gegen sie zu arbeiten. Selbst wenn diese Wähler auf die Straße gehen, um in Massen gegen die kontraproduktive Sanktionspolitik gegen Russland zu protestieren, die bereits jetzt enorme Härten beim Durchschnittsdeutschen verursacht hat.
Vor über einem halben Jahr, bevor der von den USA provozierte Ukraine-Konflikt in seine letzte Phase trat, hätten westliche Offizielle und einflussreiche Meinungsmacher in ihrer jeweiligen Gesellschaft – hauptsächlich in den von der Regierung beeinflussten Mainstream-Medien – jede Spekulation über ein solches Szenario als "Verschwörungstheorie" abgetan. Ganz im Einklang mit den böswilligen Kampagnen im Informationskrieg gegen die Gedanken und Meinungen ihrer eigenen Bürger. Und siehe da, jetzt wo Baerbock gerade die westliche Demokratie diskreditiert hat, haben dieselben Leute nichts dazu zu sagen.
Beobachter können eher damit rechnen, dass sich diese Meinungsmacher bald zur Verteidigung von Baerbock zusammenrotten. Mit dem Argument, dass die Deutschen leiden müssen, um "die Demokratie in der Ukraine zu schützen." Ganz nach dem Motto: "Der Zweck heiligt die Mittel", das der machiavellistischen Denkweise entstammt. Somit folgt daraus, dass die Essenz der westlichen Demokratie auf unbestimmte Zeit ausgesetzt werden muss, bis die sogenannte "Entkolonialisierung Russlands" vollständig vollzogen ist. Was, wie westliche Staatslenker neuerdings andeuten, das große strategische Ziel in diesem Stellvertreterkrieg ist.
Da dieses strategische Ziel aber nur eine politische Fantasie bleiben wird, bedeutet dies, dass der vergleichsweise viel "demokratischere" Status quo ante bellum, offensichtlich nie zurückkehren wird und es auch gar nicht vorgesehen ist, dass er das soll. Das schleichende Bewusstsein für diese politische Tatsache wird vorhersehbar zu weit verbreiteten Protesten im ganzen Westen führen. Die durch die Verzweiflung der Menschen noch heftiger ausfallen werden, da sie zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg ernsthaft darum kämpfen müssen, ihre grundlegenden Lebenshaltungskosten zu decken.
Vor diesem Hintergrund ist es viel einfacher zu verstehen, was Baerbock mit ihrer provokanten Aussage erreichen wollte, mit der sie die westliche Demokratie vollständig diskreditierte. Sie versuchte, der Öffentlichkeit glauben zu machen, dass das bestehende und bevorstehende wirtschaftliche Leiden der Menschen einer "größere Sache" diene, als sie selbst es sind. Und diese Sache scheint für die Regierenden groß genug zu sein, dass sie die immensen Kosten, die daraus entstehen, als "unvermeidlich" betrachten.
Die Realität ist jedoch, dass die "Demokratie" in der Ukraine von niemand anderem als Selenskij selbst mit voller Unterstützung des Westens demontiert wurde, als er Oppositionsparteien verbieten, einige ihrer Mitglieder inhaftieren und kritische Medien schließen ließ. Zudem war es nicht "unvermeidlich", dass Deutschland vor den Sanktionsforderungen der USA kapitulieren musste, um damit einen wirtschaftlichen Selbstmord zu begehen, freiwillig die eigene Bevölkerung in die Verelendung zu treiben und die Wettbewerbsfähigkeit der EU gegenüber den USA für immer lahm zu legen.
Ungeachtet des dramatischen Versprechens von Baerbock an die Ukraine, belegen die neuesten Daten des Ukraine Support Trackers des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, dass Deutschland und die fünf aufeinanderfolgenden großen EU-Staaten im Juli keine neuen militärischen Verpflichtungen gegenüber Kiew eingegangen sind.
Ganz klar spricht die Außenministerin des de facto führenden Landes der Europäischen Union mit gespaltener Zunge. Aus Gründen, die nur sie erklären kann, die jedoch unter Anwendung fundierter Vermutungen entblößt werden können.
Einerseits meinen Baerbock und ihresgleichen es todernst mit dem Abbau der westlichen Demokratie. Genauso wie Selenskij seine zerfallende ehemalige Sowjetrepublik demontiert hat. Andererseits versteht Baerbock auch sehr genau, dass Deutschland seine militärische Hilfe für Kiew nicht auf unbestimmte Zeit aufrechterhalten kann. Darin liegt das Dilemma zwischen Worten, Taten und Absichten – was in diesem Fall durch die Gleichzeitigkeit verkompliziert wird; wodurch es schwierig wird, genau vorherzusagen, was Deutschland als Nächstes tun wird.
Gleichwohl zeichnen sich bereits jetzt die Parameter Berlins in der Gestaltung seiner Politik ab. Die deutschen Eliten wollen nicht zum vergleichsweise "demokratischeren" Status quo ante bellum zurückkehren. Sie können aber auch nicht mit Vollgas eine hyperliberale Diktatur durchsetzen, da man bereits mit massiven Unruhen im kommenden Winter rechnet, sobald die sich anbahnende Energiekrise ihren Höhepunkt erreicht. Dies legt eine sogenannte Politik des "Mittelwegs" nahe, bei der die kommende Diktatur schrittweise und nicht radikal durchgesetzt wird.
Was die militärische Dimension anbelangt, so kann Deutschland seine Verpflichtungen nicht einfach zurücknehmen. Es kann aber auch nicht das Tempo und den Umfang seiner bisherigen Waffenlieferungen aufrechterhalten, geschweige denn in dieser Hinsicht die USA übertrumpfen. Aus diesem Grund wird erwartet, dass das de facto führende Land der EU weiterhin wenig überzeugende Rhetorik von sich geben wird, à la "Um jeden Preis zur Ukraine stehen" – während man hinter den Kulissen stillschweigend die Waffenlieferungen an Kiew herunterfährt.
Die antirussische Sanktionspolitik Berlins wird jedoch wahrscheinlich sehr hart bleiben, da diese von Deutschlands amerikanischem Schirmherrn durchgesetzt wurden. Und dieser würde niemals zulassen, dass sich Deutschland ohne Washingtons Erlaubnis von davon lossagt. Aber das ist ohnehin etwas, was voraussichtlich nie geschehen wird. Dies deutet wiederum darauf hin, dass die strukturellen Grundlagen der Instabilität dieses Landes nicht angegangen werden. Was bedeutet, dass weitere Proteste vorhergesagt werden können, in denen provokative Elemente – ob staatliche oder nicht – den Vorwand für die Beschleunigung diktatorischer Tendenzen schaffen könnten.
Deutschland kämpft aktuell darum, seine Handlungen und Absichten, unter Berücksichtigung seiner politischen Richtlinien – Waffenverkäufe an Kiew und antirussischen Sanktionen – in Bezug auf die Zukunft seines politischen Systems in Einklang zu bringen. Und seine politischen Vertreter werden wahrscheinlich an dem offiziellen Fahrplan festhalten, unabhängig von den Diskussionen über die zukünftige Gestaltung der Politik. Daher bleibt dem Durchschnittsbürger nichts anders übrig, als zu spekulieren, was wirklich hinter den Kulissen vor sich geht, da nichts klar sein wird. Was an sich schon ein weiteres Beispiel dafür ist, wie Deutschland die westliche Demokratie diskreditiert.
Die Äußerungen von Annalena Baerbock werden aller Wahrscheinlichkeit nach, im Nachhinein als ein Wendepunkt in der Geschichte angesehen werden, bei dem die "Maske der Demokratie" verrutschte und das diktatorische Gesicht der deutschen Eliten zum Vorschein kam.
"Deutschlands jahrhundertelanges Komplott zur Übernahme der Kontrolle über Europa ist fast abgeschlossen", im wirtschaftlichen, militärischen und politischen Bereich. Aus diesem Grund scheinen Deutschlands Eliten beschlossen zu haben, dass es an der Zeit ist, im eigenen Land schrittweise eine Diktatur durchzusetzen, um anschließend die Grundlagen ihrer Diktatur über den Rest der EU zu stülpen.
Übersetzt aus dem Englischen
Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien spezialisiert hat, sowie auf Chinas Belt & Road-Initiative, Russlands geopolitischem Balanceakt und hybrider Kriegsführung.
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