Ein Bericht von Eva Bartlett
Am Samstag, dem 30. Juli, kurz nach 21 Uhr, erschütterten grollende Explosionen das Zentrum von Donezk. Kurz darauf gab es Meldungen, dass die Luftverteidigung mehrere von der ukrainischen Seite abgefeuerte Raketen abgefangen hatte. Diese waren mit PFM-1-"Schmetterlings"-Minen – oder auch "Blütenblatt"-Minen genannt – beladen, die in Form von Streumunition über das Zielgebiet verteilt wurden. Angesichts der Tatsache, dass über 300 dieser handtellergroßen Minen in jede von der Ukraine abgefeuerte Rakete gepackt waren, wäre das Zentrum von Donezk buchstäblich zu einem Minenfeld geworden, hätten alle Raketen erfolgreich ihre Ziele erreichen können.
Warnungen in den sozialen Medien und in Kanälen auf Telegram forderten die Bewohner auf, in den Häusern zu bleiben und darauf zu warten, bis die Notfalldienste die Straßen und Gehwege geräumt haben, die noch in derselben Nacht mit der gefährlichen Arbeit begannen. Aber selbst bei Tagesanbruch lagen noch unzählige dieser winzigen Sprengmittel verstreut im Stadtgebiet, weshalb die Behörden eine erneute Warnung herausgaben und die Bevölkerung aufforderten, weiterhin zu Hause zu bleiben – es sei besser, zu spät zur Arbeit zu kommen, als ein Bein zu verlieren. Bewohnern, die unbedingt hinausgehen müssen, wurde empfohlen, ihre Augen auf den Boden zu richten und darauf zu achten, wo sie hintreten, Grasflächen zu vermeiden und sich äußerst vorsichtig durch die Straßen zu bewegen.
Nachdem die Ukraine diese Minen schon seit vielen Monaten im Donbass einsetzt, hat sie in den letzten Tagen damit begonnen, Wohngebiete der Stadt Donezk intensiv damit zu bombardieren.
Zunächst waren die am stärksten betroffenen Bezirke jene von Kiewski im Norden, Kirowski im Südwesten und Kuibyschewki im Westen. Aber seit diesem Samstagabend Ende Juli hat die Ukraine auch damit begonnen, diese Minen über das Zentrum von Donezk zu streuen. Seither ist ein Gang durch die Innenstadt zum Albtraum geworden, den ich ertragen musste, um zu dokumentieren, in welchem Ausmaß diese Minen hier verstreut worden sind. Sie liegen überall, auf zentralen Straßen und Gehwegen, in der Nähe von Wohnungen, in Parks und auf Spielplätzen.
Schwer zu erkennen, leicht auszulösen
Wie sich herausstellt, sind die "Blütenblätter" nicht nur breit verstreut worden, sondern sie sind oft auch sehr schwer zu erkennen – selbst wenn Warnungen direkt neben einer Fundstelle angebracht wurden. Durch ihre Miniaturgröße und die matte Färbung fügten sie sich fast unsichtbar in die Umgebung ein, und wenn man nicht direkt auf die Stelle schaut, an der eine Mine liegt, dann kann man sie leicht übersehen. Beim Gang durch die Stadt lernt man schnell, allem auszuweichen, unter dem eine Mine liegen könnte, und nur nackten Asphalt und sauber gewischte Bürgersteige zu betreten.
In der Nähe einiger Wohnblöcke wurden zahlreiche Minen gefunden und mit improvisierten Warnungen markiert. "Gefahr, Minen" stand auf einer dieser Warnungen neben der winzigen Mine, die jeweils entweder mit Kreide auf dem Asphalt oder einem Reifen – oder was auch immer verfügbar ist – markiert werden, um damit die Bürger zu warnen.
Als ich mir eine der Fundstellen näher ansah, an der vor einer Mine gewarnt wurde, dauerte es einen ganzen Moment, bis ich tatsächlich die Mine mit dem Auge erfassen konnte. Man stelle sich nun die Situation vor, in der es überhaupt keine Warnung gibt – ein Blutbad für Zivilisten, aber auch für Tiere, da es nur wenig Druck braucht, um eine dieser Minen auszulösen. Laut Experten reicht ein Druck von lediglich 5 Kilogramm.
Das Einmaleins der "Schmetterlings"-Minen
Die "Schmetterlings"-Minen – oder "Blütenblätter"-Minen – sind in etwa so groß wie der Handteller eines Erwachsenen, aber dennoch in der Wirkung verheerend. Ein im Netz geteilter Clip veranschaulichte dies: Ein Soldat der Donezker Volksrepublik (DVR) warf von einem Abstand aus einen Autoreifen auf eine dieser Minen, und der Reifen wurde durch die Explosion etwa fünf Meter hoch in die Luft geschleudert. Es braucht also keine starke Vorstellungskraft, um abzuschätzen, was passieren würde, wenn eine Person mit dem Fuß auf eine dieser Minen treten würde. Diese Sprengmittel werden aus der Ferne verbreitet – das heißt, sie können mittels Mörser, Raketen oder Artillerie verstreut und von Hubschraubern und Flugzeugen abgeworfen werden.
Laut Notfalldiensten der DVR setzt die Ukraine Raketen ein, die vom System Hurrikan MLRS abgefeuert werden, um diese Minen zu verbreiten. Jede Rakete enthält zwölf Kanister, die jeweils 26 Minen in sich tragen. Jede Rakete streut somit 312 Minen. Der Kanister explodiert in der Luft und verbreitet die Minen weiträumig und willkürlich in alle Himmelsrichtungen. Die schmetterlingsähnliche Formgebung ermöglicht es den Minen zu gleiten und auf dem Boden zu landen, ohne gleich zu explodieren – zumindest üblicherweise –, wo sie dann als Gefahr auf dem Boden lauern und darauf warten, dass jemand, der Pech hat, auf sie tritt.
Die meisten Antipersonenminen haben einen Mechanismus zur Selbstzerstörung. Andere jedoch, einschließlich derjenigen, die von der Ukraine in Richtung Donezk abfeuert wurden, haben eine jahrelange Haltbarkeit. Sie richten an Militärfahrzeugen so gut wie keinen Schaden an, und daher ist ihr Einsatz im Donbass besonders heimtückisch – man zielt bewusst auf Zivilisten ab, um sie zu verstümmeln.
Am 30. Juli sah ich in einem dicht besiedelten Arbeiterviertel im Westen von Donezk, auf einem Feld mit Schrebergärten für die nahe gelegene Wohnbevölkerung, eine Vielzahl dieser heimtückischen Minen. Ursprünglich breit im Gebiet verstreut, waren sie eingesammelt worden und warteten auf die Zerstörung durch Fachleute der DVR. In einem großen Innenhof eines Wohnkomplexes sah ich aus sicherer Entfernung zu, wie Minenräumer acht Minen, die sie auf dem Gelände gefunden hatten, unschädlich machten. Am Tag zuvor brachten sie weitere 26 kontrolliert zur Explosion, während weitere 150 davon lokalisiert und mit einem ferngesteuerten Minenräumer zerstört werden konnten. Aber es bleibt noch viel zu tun, um die Straßen und Höfe wieder sicher zu machen.
Nachdem die Minen an diesem Samstagabend gestreut worden waren, stellte die DVR eine interaktive Karte ins Netz, auf der die am stärksten durch die Minen kontaminierten Gebiete markiert sind, um damit den Bewohnern eine grundlegende Warnung darüber zu geben, welche Gebiete der Stadt man besser meiden sollte. Während zahlreiche Autos das Glück hatten, dass nur ein Reifen gesprengt wurde, würde die Explosion einer dieser Minen in der Nähe des Benzintanks das ganze Fahrzeug in Flammen aufgehen lassen.
Seit diese Minen über Donezk verstreut wurden, sind durch sie bereits mehrere Zivilisten getötet worden und immer noch werden Verwundete und Verstümmelte in die Krankenhäuser der Stadt gebracht. Laut Wadim Onoprienko, dem stellvertretenden Direktor eines Zentrums für Unfallchirurgie, wurden in der vergangenen Woche zehn Amputationen durchgeführt – darunter Opfer der Minen vom vergangenen Samstag und Opfer jener Minen, die am Samstag davor gestreut wurden, darunter ein 83-jähriger Mann.
Alles deutet auf die Ukraine hin
Wenig überraschend gab die pro-ukrainische Seite umgehend Russland die Schuld. Selbst Journalisten, die stets vorgeben, sich um das Wohl von Zivilisten zu sorgen, übernahmen unkritisch die ukrainische Propaganda, die behauptete, dass Moskaus Streitkräfte diese Minen über zivile Gebiete gestreut hätten – ohne zu hinterfragen, weshalb Russland ein Gebiet mit Minen verseuchen sollte, über das es die Kontrolle hat, dessen Bewohner zu seinen Verbündeten gehören und um dessen Befreiung es überhaupt den Krieg gegen die Ukraine begonnen hat. Unter den pro-ukrainischen Propagandisten befindet sich auch der lächerliche Möchtegern-Kriegsheld Malcolm Nance, der seinen Job als notorisch antirussischer Analyst beim amerikanischen Sender MSNBC vorübergehend aufgegeben hat, um gegen die Russen in der Ukraine zu kämpfen.
Das ist die Art von Projektion der westlichen Propaganda, die ich bereits bis zum Erbrechen erleben musste, als ich aus Syrien berichtet habe. Ukrainische Nationalisten geben offen zu, dass sie die Menschen im Donbass als Untermenschen betrachten und ihre Ermordung begrüßen. Die Ukraine tötet und verstümmelt seit über acht Jahren Zivilisten in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk, einschließlich durch Beschuss mit Granaten in die Zentren von Städten, auf Krankenhäuser, Märkte, Schulen und belebte Straßen. Angesichts all dessen ist es kaum überraschend, wenn sie jetzt "Schmetterlings"-Minen über Donezk streuen. Es ist kriminell, aber absolut nicht überraschend.
Ein Argument pro-ukrainischer Kommentatoren ist, dass Kiew sein Arsenal dieser Minen im Rahmen der 1999 unterzeichneten Konvention zum Verbot von Antipersonenminen längst zerstört habe. Allerdings sind von den sechs Millionen dieser Minen, die von der Ukraine ursprünglich als in ihrem Besitz erklärt wurden, Berichten zufolge bis 2018 lediglich zwei Millionen zerstört worden.
Die Ukraine hat allen Grund zu der Annahme, dass sie sich nicht dafür verantworten muss, solche Minen gegen Zivilisten eingesetzt zu haben, angesichts der Vorliebe ihrer westlichen Unterstützer und ihrer Verbündeten, verbotene Waffen gegen Zivilisten ohne Konsequenzen einzusetzen – darunter Agent Orange in Vietnam, Uranmunition im Irak und in Syrien sowie weißer Phosphor und Pfeilmunition in Gaza.
Übersetzt aus dem Englischen
Eva Bartlett ist eine kanadische freie Journalistin und Aktivistin. Sie hat Jahre vor Ort in Konfliktzonen im Nahen Osten verbracht, insbesondere in Syrien und Palästina (wo sie fast vier Jahre lang lebte). Sie twittert unter @EvaKBartlett
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