Ein Kommentar von Bradley Blankenship
Diese Woche sind Berichte aufgetaucht, wonach die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi im August die südostchinesische Insel Taiwan besuchen wird. Wenn dies zutreffen sollte, wird dies zu einer Begegnung zwischen einer Vertreterin der US-Regierung und den abtrünnigen Kräften in Taiwan auf höchster diplomatischer Ebene führen und damit die Beziehungen zwischen Washington und Peking in einen neuen Tiefpunkt stürzen.
Eine solche Ankündigung wurde zuvor schon einmal gemacht. Pelosi hatte bereits im April dieses Jahres eine Reise nach Taiwan geplant, musste diese jedoch absagen, nachdem sie positiv auf COVID-19 getestet worden war. Es wurde jedoch allgemein erwartet, dass Pelosi ihre Reisepläne zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen wird und damit die Bühne für ein weiteres Kapitel in den Beziehungen zwischen den USA und China vorbereiten würde.
Pelosi ist die dritthöchste Regierungsvertreterin der USA. Sollte Präsident Joe Biden etwas zustoßen, das ihn daran hindert, sein Amt als Staatsoberhaupt auszuüben, dann rückt gleich hinter Vizepräsidentin Kamala Harris Pelosi an die zweite Stelle in der Rangordnung des Weißen Hauses. Ein offizieller Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses in Taiwan kommt einer außerordentlich hochrangigen Unterstützung der regierenden Kräfte in Taiwan durch die USA gleich.
Deshalb hat China als Reaktion auf diese Entwicklung auch umgehend "entschlossene und energische Maßnahmen" angekündigt, sollte es zu diesem Besuch kommen. Chinas Außenministerium sagte, dass die Delegation, angeführt von Pelosi, "schwerwiegende negative Auswirkungen auf die politische Grundlage der Beziehungen zwischen China und den USA haben und ein schwerwiegend falsches Signal an die separatistischen Kräfte Taiwans senden würde".
"Wenn die USA darauf bestehen, den falschen Weg einzuschlagen, wird China definitiv entschlossene und energische Maßnahmen ergreifen, um seine nationale Souveränität und territoriale Integrität entschieden zu verteidigen", sagte der Sprecher des Ministeriums, Zhao Lijian, auf einer Pressekonferenz. "Die Vereinigten Staaten werden für alle daraus resultierenden Folgen vollumfänglich verantwortlich sein."
Wie immer legte Peking jedoch nicht alle Karten auf den Tisch und hat nicht durchblicken lassen, wie seine Antwort aussehen würde, was nicht heißt, dass es sich bei der Warnung um einen Bluff gehandelt hat. Ich persönlich erwarte zunächst, dass Pelosi und ihre unmittelbare Familie, einschließlich ihres Ehemannes, der Geschäftsbeziehungen auf dem chinesischen Festland unterhält, mit ziemlicher Sicherheit auf eine Sanktionsliste gesetzt werden. Es könnte aber auch eine bedeutende militärische Reaktion geben.
China hat in der Vergangenheit stets deutlich gemacht, dass eine Wiedervereinigung Taiwans mit dem Festland eine seiner obersten Prioritäten ist. Es hat auch wiederholt betont, dass Peking "um jeden Preis" darum kämpfen werde, eine Sezession der Insel zu verhindern, wie es der chinesische Staatsrat und Verteidigungsminister Wei Fenghe letzten Monat beim 19. Shangri-La-Dialog in Singapur ausdrückte.
Hu Xijin, ein einflussreicher Kolumnist der Global Times, machte einen kühnen Vorschlag, wie Peking einem Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan Paroli bieten könnte. Er schlug vor, dass Flugzeuge der Volksbefreiungsarmee (PLA) das Flugzeug von Pelosi "begleiten", wenn es sich dem Luftraum der Insel nähert. Die Bedeutung einer solchen Maßnahme, sagte er, "würde den Besuch von Pelosi erdrücken". Er fügte zudem die Bemerkung hinzu, dass er glaube, sein Vorschlag sei nur eine der Optionen, die Peking auf dem Tisch habe.
Sollte China sich tatsächlich mit militärischen Maßnahmen gegen die Bedrohung seiner nationalen Souveränität wehren müssen, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit für eine direkte militärische Konfrontation zwischen den USA und China. Für die große Mehrheit der Menschen auf dieser Welt, die es für wünschenswert halten, die Vernichtung unserer Spezies zu vermeiden, wäre dies eine äußerst negative Entwicklung und es liegt in der alleinigen Verantwortung der USA, dies zu verhindern.
Aber selbst wenn Pelosi ihre Reise aus gesundem Menschenverstand oder wegen einer weiteren Infektion mit dem Coronavirus erneut absagt, müssen die USA der Welt Antworten zu ihrer offiziellen Position zum Prinzip des "unteilbaren China" geben. Die USA müssen eine klare Entscheidung treffen, ob sie ihre diplomatischen Verpflichtungen gegenüber Peking einhalten wollen oder sich rücksichtslos hinter die "Unabhängigkeit Taiwans" stellen. Dies muss in jedem Fall auch gründlicher und artikulierter geschehen als in der Rede von Außenminister Antony Blinken zu China im vergangenen Mai, in der er es irgendwie schaffte, über 44 Minuten lang zu reden und dabei gleichzeitig nichts zu sagen. Darüber hinaus würde ich auch meinen, dass die USA Fragen zu den koordinierten Bemühungen beantworten müssen, die sie unternehmen, um Peking zu hintergehen, während man gleichzeitig Taipeh stärkt.
Ein Beispiel dafür ist das Europäische Parlament, in dem von Washington unterstützte Politiker die Beziehungen zwischen der EU und China untergraben, nachdem das Parlament das umfassende Investitionsabkommen zwischen der EU und China (CAI) eingefroren und eine Reihe von Resolutionen verabschiedet hat, mit der die "Unabhängigkeit Taiwans" gestärkt werden soll. Tatsächlich traf sich die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Nicola Beer, diese Woche in Taiwan mit der höchsten taiwanesischen Politikerin Tsai Ing-wen, was vom chinesischen Außenministerium als Verletzung der politischen Grundlagen der Beziehungen zwischen der EU und China verurteilt wurde.
Einige mögen die bisher lediglich verbale Antwort Chinas auf den Besuch von Nicola Beer als Vorahnung für das sehen, was im Falle von Nancy Pelosi kommen könnte oder auch nicht. Aber das Europäische Parlament und die EU im Allgemeinen sind zu stark von Washington beeinflusst, um irgendetwas zu unternehmen, damit eine gefährliche Eskalation verhindert wird.
Übersetzt aus dem Englischen.
Bradley Blankenship ist ein in Prag lebender amerikanischer Journalist, Kolumnist und politischer Kommentator. Er hat eine Kolumne bei CGTN und ist freiberuflicher Reporter für internationale Nachrichtenagenturen, darunter die Nachrichtenagentur Xinhua. Er twittert auf @BradBlank_
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