Putins Besuch in Teheran öffnet Russland und Iran den Weg zur strategischen Partnerschaft

Iraner haben eine große und leidvolle Erfahrung, ihre Identität und Zukunft besser zu gestalten, ohne sich dabei auf den Westen zu verlassen. Russland könnte hierbei noch von ihnen lernen.

von Pjotr Akopow, RIA Nowosti

Am vergangenen Dienstag besuchte Russlands Präsident Wladimir Putin nun schon zum fünften Mal die Islamische Republik Iran. Ist das nun oft oder zu selten? Nun, blickt man auf das Jahr 2000 zurück, als Putin erstmals das Amt des Präsidenten der Russischen Föderation antrat, scheint dies nicht sehr oft gewesen zu sein. Schaut man sich allerdings die Daten der jeweiligen Besuche genauer an, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Es stellt sich dann heraus, dass diese Reise nun bereits die vierte allein in den letzten sieben Jahren war.

Es stimmt zwar, dass Putin Teheran 2007 zum ersten Mal besucht hat, aber seine regelmäßigen Besuche begannen dann erst im Jahr 2015. Gleichzeitig hatten alle Besuche Putins in Teheran einen reinen Arbeitscharakter. Putin war noch nie zu einer offiziellen, förmlichen Staatsvisite in der Islamischen Republik Iran. Jedes Mal waren seine Besuche mit einer multilateralen Veranstaltung in der iranischen Hauptstadt verbunden, so etwa im Rahmen des Kaspischen Forums, einem Gipfeltreffen gasexportierender Länder. Oder wie in aktuellen Fall im Rahmen eines Treffens im Astana-Format, einem trilateralen Gipfeltreffen von Russland, der Türkei und Iran. Diese Treffen der "großen Drei" wurden vor fünf Jahren im Zusammenhang mit der Suche nach einer Lösung des Konflikts in Syrien initiiert, sind aber längst über diese eine Frage hinausgewachsen. Denn alle drei Länder sind wahrhaft souveräne Staaten – und sie haben viel miteinander zu besprechen.

Während die Bedeutung der Türkei sowohl in regionalen als auch in globalen Angelegenheiten gut verstanden wird – sowohl von den Befürwortern als auch von Gegnern einer Stärkung der jeweiligen bilateralen Beziehungen –, so wurde die Rolle von Iran viele Jahre lang unterschätzt. Genauer gesagt wurde sie von vielen völlig falsch eingeschätzt. Der Grund dafür ist einfach: Die westlich orientierte Expertengemeinschaft betrachtet Iran hauptsächlich durch die US-amerikanisch getönte Brille: Iran als der Schurkenstaat mit seinen mit Raketen bewaffneten Mullahs, die den Wunsch nach einer Atombombe hegen; eine Theokratie, ein repressives Regime, eine Sicherheitsbedrohung für den Nahen Osten und die Welt usw. Im Allgemeinen wird Iran als eine Art östlicher schwarzer Fleck wahrgenommen, der mit dem fortschrittlichen, aufgeklärten und wohlhabenden Westen nicht zu vergleichen sei. Die Politiker betrachten zwar Iran bisweilen mit anderen Augen – aber was weiß man wirklich über die Islamische Republik? Im schlimmsten Fall ein Halbwissen, das sich aus der westlichen Propaganda ableitet, bestenfalls ein Widerhall aus dem "Club der Reisenden", einer Fernsehsendung, die einst in Russland und schon in der UdSSR sehr populär war. Selbst Russlands Wende hin nach Osten im Jahr 2014 hat an dieser Wahrnehmung wenig geändert: Iran ist in Wahrheit auch hierzulande immer noch kaum bekannt.

Die beiden Länder bewegen sich jedoch jetzt auf eine umfassende strategische Kooperation zu, eine, die wohl mindestens 20 oder 25 Jahre Bestand haben könnte und bereits im laufenden Jahr unterzeichnet werden soll. Im Januar legte der iranische Präsident Ebrahim Raisi in Moskau den iranischen Entwurf Wladimir Putin vor, im vergangenen Monat brachte Sergei Lawrow die russischen Vorschläge nach Teheran. Russland und Iran werden wohl keine militärischen Verbündeten, obwohl auch die militärisch-technische Zusammenarbeit zunehmend durch gemeinsame Übungen ergänzt wird, aber die Beziehungen zwischen den beiden Ländern werden ansonsten sehr tiefgreifend entwickelt.

Iran engagiert sich zunehmend in einem multilateralen Format der Zusammenarbeit mit Russland – das Land hat bereits seinen Beitritt zur Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) eingeleitet, das Beitrittsverfahren wird im kommenden Herbst abgeschlossen – und Teheran äußerte jüngst auch den Wunsch, der Staatengemeinschaft BRICS beizutreten. Mit anderen Worten, wir sprechen von einem umfassenden Kurs zur strategischen Zusammenarbeit zwischen Russland und Iran, sowohl bilateral als auch auf globaler Ebene. Russland und Iran verfügen dafür durchaus über ein enormes Kooperationspotenzial, zum Beispiel vom Handel bis hin zur Einbindung in den Nord-Süd-Verkehrskorridor, der die Ostsee mit den iranischen Häfen im Arabischen Meer verbindet, das heißt für einen Korridor von der Europäischen Union über das Kaspische Meer bis nach Indien.

Man darf nicht glauben, dass Russland durch den Konflikt mit dem Westen irrelevant geworden ist. Das Potenzial für den Nord-Süd-Handel ist trotz alledem immer noch enorm. Selbst wenn der Sanktionskrieg zwischen Russland und der EU noch lange andauert, wird dieser Korridor für Russlands Handel mit dem Nahen Osten und Asien umso bedeutsamer.

Und vor allem liegt die Annäherung zu Iran im strategischen Interesse Russlands. Denn man hat es nicht einfach mit den Erben einer großen Zivilisation zu tun, mit einem Staat mit 86 Millionen Menschen, sondern mit einer der sinngemäß stärksten Nationen der Welt. Iran ist ein echter souveräner Staat, der seinen eigenen Weg geht, eigene staatliche und gesellschaftliche Organisationsformen sucht, ein Staat, der für seine nationalen Interessen einsteht und sich keinem Druck von außen beugt.

Das ist genau das, was Russland auch tut, aber Russland muss diesen Prozess erst noch vollständig abschließen. Es geht dabei nicht einmal um die iranische Erfahrung, unter jahrzehntelangen westlichen Sanktionen zu leben und sich trotzdem zu entwickeln – obwohl sich auch dieser Erfahrungsschatz als nützlich erweisen kann. Die alte Welt, in welcher der Westen für ihn selbst unliebsame Nationen erheblich behindern und denen sogar mit ihrer Zerstörung drohen konnte, gehört der Vergangenheit an. Noch wichtiger ist, dass es Iran gelungen ist, seine eigene Formel für die Staatsstruktur und die sozialen Beziehungen zu finden, eine Formel, die genau seine nationale Identität und seine Bestrebungen zum Ausdruck bringt.

Die Islamische Republik Iran ist keine Kopie irgendwelcher ausländischen Modelle, weder westlicher noch östlicher – sie ist eine einzigartige iranische Erfindung. Das iranische Modell ist komplex und basiert sowohl auf religiösen und kulturellen Traditionen als auch auf der Vorstellung von der korrekten Form der Volksvertretung unter der Anwendung des islamischen Rechts. Es ist ein Modell, das zwar eigene Probleme hat, eigene Fehler zulässt und seine Lektionen daraus lernt, das aber unter schwierigsten äußeren Bedingungen überlebt hat und überlebt. Keine der Großmächte – und Iran selbst gehört zweifelsohne dazu – hat in den letzten Jahrzehnten eine solche Kreativität beim Aufbau seines Staatswesens bewiesen.

Der letzte Staat, der eine ähnliche Erfahrung gemacht hat, war die Sowjetunion. Heute steht Russland erneut vor dieser großen Herausforderung und muss eine neue Existenzform für sein Volk und den Staat finden. Nicht nur, um einer Konfrontation mit dem Westen standzuhalten, sondern auch, weil das Land es auch selbst schon lange braucht.

Die iranische Erfahrung ist nicht direkt auf Russland übertragbar, aber das Streben Irans nach einer idealen Gesellschaftsstruktur steht den Russen sehr nahe, ebenso wie der Traum, dass der Staat für Gerechtigkeit eintreten, die Ideale der Menschen verkörpern und schützen muss, dass die politischen Führer im Geiste ehrlich und stark sein müssen und sich ihrer Verantwortung vor den Bürgern und vor ihrem Gott bewusst sind.

Und deshalb ist Putins fünftes Treffen mit Ali Chamenei, dem obersten Führer der Islamischen Republik Iran, nicht nur ein Gespräch zwischen zwei sehr einflussreichen und sehr erfahrenen Staatsmännern – es ist auch ein Treffen zwischen zwei Menschen, die – neben den globalen Fragen und Herausforderungen – viel miteinander zu besprechen haben. Denn wenn zwei Länder wie Russland und Iran auch ihren eigenen spirituellen und nationalen Weg gehen, dann werden sie ihn auch gemeinsam gehen können. Und beide werden dabei stärker werden, um nicht länger nur defensiv auf die Herausforderungen des Westens zu reagieren, sondern konstruktiv gemeinsam eine neue Weltordnung aufbauen, in welcher traditionsverbundene Völker nach ihren eigenen Lebensformen und ihren eigenen Gesetzen leben können.

Dieser Artikel ist übersetzt aus dem Englischen und wurde ursprünglich von RIA Nowosti veröffentlicht.

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