Der Publizist und Verleger Dr. Hannes Hofbauer aus Österreich referierte auf dem Kongress "Corona – Inszenierung einer Krise" der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP) zum Thema "Kybernetische Wende – zur neuen Allianz von Kapital und Staat". Im Interview mit RT DE gibt er einen Einblick in seine Analyse des aktuellen Konglomerats von Privatwirtschaft und staatlichen Institutionen.
RT DE: Herr Dr. Hofbauer, zu Beginn Ihres Vortrags "Kybernetische Wende – zur neuen Allianz von Kapital und Staat" stellten Sie fest, dass eines der wesentlichen Elemente der sogenannten kybernetischen Revolution darin bestehe, dass dabei nicht die Art verändert werde, wie wir arbeiten, sondern dass es dieses Mal wir Menschen selbst seien, die verändert würden. Können Sie diese Wahrnehmung näher erläutern und auch erklären, welche Folgen dies für die gesellschaftliche und die Arbeitskultur insgesamt hätte?
Dr. Hannes Hofbauer: Mit dieser Aussage habe ich mich auf ein Zitat von Klaus Schwab bezogen, dem Mastermind des World Economic Forum. Er hat schon 2016 von einer kybernetischen Änderung des Menschseins gesprochen. Nicht mehr die Arbeitsprozesse werden in der "4. Industriellen Revolution", wie er es unpassenderweise nennt, verändert, sondern das menschliche Leben als Ganzes. Mithilfe neuer Leitsektoren wie Biotechnik, Pharma und Kontrollindustrie soll der menschliche Körper zum Investitionsfeld werden. Selbstoptimierung und genetische Modellierung stehen dabei an oberster Stelle. Künstliche Intelligenz, Nanotechnik sowie additive und kognitive Verfahren schaffen in diesem Zukunftsbild Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine. Es ist eine dystopische Vorstellung, wie Schwab die Krise der Kapitalverwertung, in der unser System spätestens seit dem Finanzcrash 2008 steckt, überwinden will. Neben der Arbeit als bislang entscheidendem Faktor zur Produktion von Mehrwert soll nun auch der menschliche Körper einer direkten Verwertung unterwerfen sein. Dadurch, so hoffen Schwab und seine Konzern-Kollegen, könnte die tiefe strukturelle Krise überwunden werden.
RT DE: Sie haben sich in Ihrer Präsentation auch auf die Dynamik des Kapitals seit dem 16. Jahrhundert bezogen. Wie ordnen Sie die historische Entwicklung der Rolle des Kapitals im Laufe der Jahrhunderte ein?
Dr. Hannes Hofbauer: Kapital ist gezwungen, sich ständig zu verwerten, oder einfach gesagt: Profit zu machen. Das unterscheidet das kapitalistische System, wie wir es seit dem 16. Jahrhundert kennen, von der Marktwirtschaft. Wenn Kapital im Produktionsprozess (durch die Ausbeutung von Arbeit) keine oder zu wenig Rendite abwirft, weil die Märkte – wie es dann heißt – "gesättigt" sind, dann sucht es sich andere Möglichkeiten der Verwertung. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, um eine Verwertungskrise zu überwinden: Rationalisierung, Markterweiterung oder Spekulation. Die Protoindustrialisierung im 17. Jahrhundert war so ein klassischer Rationalisierungsprozess, die darauf folgende Fabrikarbeit setzte noch eins drauf. In weiterer Folge können wir im Zeitalter des Imperialismus im 19. Jahrhundert beobachten, wie Markterweiterung betrieben wurde, meist, indem lokale Märkte zerstört werden, um freie Bahn für Händler und Investoren aus fernen Ländern zu schaffen. Heute passiert das z. B. mit den sogenannten Partnerschaftsabkommen der Europäischen Union, die in Afrika und der Karibik Märkte für EU-europäische Produzenten erobern.
Immer dann, wenn Rationalisierungsmöglichkeiten oder Markterweiterungen an ihre Grenzen stoßen, flüchtet das Kapital in die Spekulationssphäre. Dort platzt dann in regelmäßigen historischen Abständen die Blase. Enorme Mengen an Kapital werden dabei vernichtet, und die Suche nach rentabler Verwertung beginnt von Neuem. Wichtig zu wissen ist, dass es dasselbe Kapital ist, das produziert, rationalisiert, markterweitert oder spekuliert. Da gibt es kein gutes oder böses Kapital, wie es z. B. den Ideen von Attac zugrunde liegt.
Aktuell sehe ich zwei Sektoren, mit denen das Kapital seine Verwertungskrise zu überwinden gedenkt: Big Pharma und den militärisch-industriellen Komplex. Die Bekämpfung des Virus hat die Staaten fast überall auf der Welt in eine enge Allianz mit dem Kapital getrieben, indem Hunderte von Milliarden an Staatsgeldern den Pharmakonzernen in den Rachen geschmissen wurden. Testkits und Impfdosen wurden zu einem enormen Geschäft. Der Pharmakonzern BioNTech hat binnen zweier Jahre seinen Umsatz um sagenhafte 3.500 Prozent erhöht. So etwas ist in der Geschichte des Kapitalismus einzigartig, eventuell nur vergleichbar mit Rüstungskonzernen. Diese jubilieren nun angesichts der Unmengen von Waffen, die der transatlantische Raum gegen Russland in die Schlacht wirft. Eine abgeschossene Rakete ist die einfachste und lukrativste Art, Kapital zu verwerten, die nächste Rakete muss sogleich nachbestellt werden. Die Auftragsbücher der Rüstungskonzerne sind voll.
RT DE: Wie bewerten Sie die Entwicklung und die Rolle linker Gegenkräfte im Hinblick auf die aktuelle politische Lage? Und wie konnte es (gegebenfalls so abrupt) auf einmal zu einer Staatsgläubigkeit linker Basisbewegungen und linker Organisationen und Parteien kommen, in einer Situation, in der die Spaltung zwischen Arm und Reich alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt?
Dr. Hannes Hofbauer: Als Linker glaubt man sich derzeit in einem schlechten Film. Sowohl gegenüber dem Corona-Regime als auch in der Frage des Ukraine-Krieges stehen viele Linke auf Kriegsfuß mit der Wirklichkeit. Dass Linke die Corona-Maßnahmen der deutschen Regierung unterstützt haben, ist einem doppelten Missverständnis geschuldet. Viele dachten, beim Testen und Impfen und all den Einschränkungen rundherum ginge es um Gesundheitspolitik. Dem war freilich nicht so, was schon daran erkennbar war, dass mitten in der Corona-Krise Spitalsbetten abgebaut, ja Spitäler geschlossen und vor allem überhaupt nichts für die Besserstellung von medizinischem und Pflegepersonal unternommen wurde. Der Staat gab einfach Milliarden an Euro für Testkits und Impfdosen aus und verkaufte das als seine Gesundheitspolitik. Tatsächlich wären öffentliche Investitionen in das Gesundheitswesen nötig gewesen – und sind es freilich immer noch. Zum effektiven Schutz vulnerabler Gruppen vor dem Virus hätte man das Gesundheitswesen ausbauen, das Personal besser schulen und viel besser bezahlen müssen. All das ist nicht passiert. Stattdessen wurde Steuergeld einseitig für Impfkampagnen ausgestreut. Viele Linke glaubten offensichtlich dem staatlichen Corona-Narrativ, dass nun endlich Geld für die Gesundheit – und nicht fürs Militär – ausgegeben werde. Da sind wir schon beim zweiten Missverständnis. Die Tatsache, dass der Staat Nachfrage erzeugt – in diesem Fall nach Impfdosen etc. –, hat so manchen Linken glauben lassen, dass es nun mit dem Neoliberalismus vorbei sei, demzufolge ja der Staat so wenig wie möglich in die Wirtschaft eingreifen solle. Und tatsächlich befinden wir uns an einer Wende weg vom neoliberalen hin zum keynesianischen Paradigma. Aber Keynesianismus ist nichts Linkes, auch wenn die Ausgabenpolitik der 1970er-Jahre unter Willy Brandt, Olof Palme und Bruno Kreisky sozial fortschrittlich war. Keynesianismus heißt nur, dass der Staat Geld in die Hand nimmt und via Nachfrage wirtschaftliche Prozesse antreibt und Leitbetriebe in die Gewinnzone bringt. Das hat auch Ronald Reagan Anfang der 1980er-Jahre gemacht und enorme Summen in die Rüstungsindustrie gepumpt. Seinem Militärkeynesianismus war Erfolg beschieden, er konnte mit dem Aufrüstungswettbewerb die Sowjetunion in die Knie zwingen. Nun kam mit den Corona-Maßnahmen eben der Corona-Keynesianismus. Dass Linke darauf hereinfallen, zeugt von mangelnder Analysefähigkeit.
Seit dem 24. Februar 2022, als Russland in die Ukraine einmarschierte, greifen die transatlantisch orientierten Länder wieder auf ihren altbewährten militärisch-industriellen Komplex zurück und überschütten diesen mit Aufträgen. Wenn Linke nun gar Waffenlieferungen befürworten, sprich: die Rüstungsindustrie stärken wollen, dann hört für mich jedes Verständnis auf. Solche Befürworter, egal ob links, Mitte oder rechts, haben nichts, schon gar nichts aus der Geschichte gelernt. Sozialdemokraten waren schon 1914 in Richtung Kriegstreiberei umgefallen. Sie tun es nun wieder, angetrieben von kriegsgeilen Grünen, die sich um "Kriegsmüdigkeit" der Deutschen sorgen. Und sogar bei der Partei Die Linke gibt es Befürworter von Waffenlieferungen an die Ukraine. Man fragt sich, wo die Vernunft geblieben ist.
RT DE: Sehen Sie einen Ausweg aus der Unterordnung aller menschlichen Bedürfnisse unter die Profitinteressen einer Finanzelite, deren Moral an ihrer pathologischen Gier scheitert?
Dr. Hannes Hofbauer: Es ist nicht die Gier und es ist nicht pathologisch, was das Kapital antreibt, sondern es ist systemisch. Und die menschlichen Bedürfnisse müssen sich in diesem System der Kapitallogik unterordnen. Nicht zuletzt dagegen gab es ja schon immer wieder in der Geschichte der vergangenen Jahrhunderte Aufstände und Gegenmodelle, das größte und letztendlich fulminant gescheiterte war wohl die Russische Revolution. Zurzeit gibt es eine breite Bewegung gegen die Fortsetzung der Corona-Maßnahmen. Sie kämpft gegen Grundrechtseinschränkungen und Impfzwänge und umfasst alle gesellschaftlichen Gruppen. Obwohl gehörig unter Druck, gibt das doch Grund zur Hoffnung. Desgleichen stimmen die vorerst noch zaghaften Aufrufe von Intellektuellen gegen die Kriegshysterie hoffnungsfroh. Diese müssen stärker und konkreter werden. Vor allem im Hinblick auf die Sanktionspolitik der EU gegen Russland. Diese existiert seit April 2014 und hat nun Ausmaße eines riesigen Wirtschaftskrieges erreicht, der für die allermeisten Menschen in der Europäischen Union großen Schaden anrichtet und in den kommenden Monaten noch mehr anrichten wird. Gegen jede Art von Krieg, auch den Wirtschaftskrieg, müssen noch mehr Menschen sensibilisiert werden. Es kann doch nicht durchgehen, dass die politischen Eliten in Brüssel und Berlin mehr und mehr Sanktionen gegen Russland verhängen, daraus eine Verarmung breiter Bevölkerungsschichten entsteht und dieselben Eliten dann Moskau die Schuld an der Misere geben. Für so dumm sollten wir uns nicht verkaufen lassen.
Dr. Hannes Hofbauer leitet den Promedia Verlag in Wien. Als Herausgeber und als Autor veröffentlichte er mehrere Bücher, die das offizielle Corona-Narrativ und die -Maßnahmen kritisch bewerten: "Zensur. Publikationsverbote im Spiegel der Geschichte. Vom kirchlichen Index zur Youtube-Löschung", Promedia, Wien, 2022. "Herrschaft der Angst. Von der Bedrohung zum Ausnahmezustand", Wien 2021, (als Herausgeber mit Stefan Kraft). "Lockdown 2020", Wien 2020 (als Herausgeber).
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