von Waleri Korowin
Der Oberbefehlshaber der britischen Armee, Patrick Sanders, wurde sich plötzlich bewusst, dass Russland in den meisten Szenarien in der Ukraine eine noch größere Bedrohung für die europäische Sicherheit darstellen wird als zuvor.
Am selben Tag sprach die britische Außenministerin Liz Truss von der Notwendigkeit einer umfassenden Unterstützung der Ukraine und rief dazu auf, nicht nach einer baldigen Friedenslösung zu suchen, was territoriale Zugeständnisse Kiews beinhalten würde. Truss sagte der deutschen Zeitung Die Welt:
"Das beste, was wir tun können, ist die Ukrainer mit allem zu versorgen, was sie brauchen: Waffen, Ausbildung. Damit es eben kein langer Krieg wird. [...] Klar ist auch, je mehr wir jetzt tun, desto schneller könnten wir die Ukraine siegen sehen."
Aber was ist, sollte die Ukraine nicht gewinnen? Darin liegt der Schrecken der britischen Diplomatie, wohlgemerkt aller britischen und im weiteren Sinne auch derzeitigen europäischen Eliten. Denn in den letzten 30 Jahren seit dem Zusammenbruch des Sowjetblocks haben sie keine andere Möglichkeit als die Niederlage und das Ende der Existenz Russlands in Betracht gezogen.
Nun haben sie damit begonnen. Zumindest Oberbefehlshaber Sanders macht das. In der Gefangenschaft ihrer eigenen Propaganda lebend, haben sie irgendwann selbst daran geglaubt. Russland wird zerschlagen werden, und andere Möglichkeiten gibt es nicht. Was für ein Entsetzen verspüren sie jetzt, in diesem Moment der Ernüchterung, in dem sie zunehmend erkennen, dass das Gegenteil der Fall ist und dass die Ukraine, in die sie solch große Hoffnungen gesetzt hatten, bald verschwunden sein wird.
Was wird geschehen? Wie sieht das andere Szenario aus, das sie all die Jahre nicht in Betracht gezogen haben? Was wird mit ihnen allen geschehen, und welche Gefahren drohen der europäischen Sicherheit im Falle eines für die europäischen Eliten ungünstigen Szenarios in der Ukraine? Das sind die Fragen, die jetzt nicht nur Sanders und Truss, sondern alle europäischen Eliten beunruhigen.
Was befürchten die europäischen Politiker also im Falle einer Niederlage der Ukraine?
Das, was sie in erster Linie beunruhigt, ist nicht der Verlust ihrer Staaten, denn darüber hat sich in der jetzigen Generation von Washingtons Bevollmächtigten schon lange niemand mehr Gedanken gemacht, sondern ihr persönlicher Verlust an Reputation.
Sie waren es, die europäischen Politiker, die die Welt in die Irre zu führen versuchten, indem sie die Ukraine als Opfer hinstellten. Angeblich hatte die ruhige Ukraine in Frieden gelebt und niemanden angerührt, und dann plötzlich, aus heiterem Himmel, griffen sie die bösen Russen an und begannen einen Krieg … Außerdem erzählten sie der ganzen Welt, dass es in der Ukraine keinen Nationalsozialismus gab und dass dort niemand unterdrückt wurde, schon gar nicht gefoltert und getötet.
Allerdings zeigten bereits die ersten Verhöre der Mitglieder des Asow-Bataillons, die sich in Mariupol ergaben, dass sie von der nationalsozialistischen Ideologie des Ukrainismus motiviert gewesen, dass sie von rassistischer Überheblichkeit geleitet worden waren und dass sie ausschließlich aus Hass auf die Russen getötet und gefoltert hatten. Welch ein Schlag für den Ruf der europäischen Politiker. Anscheinend haben sie den "weichen und flauschigen" Asow-Leuten nicht erklärt, was bei Verhören zu sagen ist.
Ebenso wenig wie ihren eigenen, den britischen Söldnern, die mit aller englischen Offenheit darlegten, wie sie Zivilisten misshandelten, folterten und ermordeten, wofür sie ihre Todesurteile erhielten.
Geschweige denn, was die Tatsachen angeht, die ans Licht kommen werden, wenn das Projekt Ukraine vollständig liquidiert ist. Die laufende Spezialoperation zur vollständigen Entmilitarisierung und Entnazifizierung dieses Raumes wird alle Beweise für die Verbrechen aufdecken, die von den ukrainischen Strukturen begangen wurden.
Als Ergebnis der Spezialoperation werden unwiderlegbare Beweise für Gräueltaten, Folter, rassistisch motivierte Verbrechen, also für alles vorliegen, was in die Kategorie der Verbrechen gegen die Menschlichkeit fällt. Ganz zu schweigen von den Verstößen gegen alle Rechte, Gesetze und Konventionen, die in erster Linie in Europa selbst verabschiedet wurden und die Europa der ganzen Welt vorschreibt.
Und von wem waren die Nazis ausgebildet worden, die all diese Verbrechen begangen haben? Wer hat das Asow-Bataillon und andere Strafbataillone im Rahmen des NATO-Programms ausgerüstet und ausgebildet, wer hat sie mit den neuesten Waffen und Kriegsmitteln beliefert?
Wer schickte ihnen seine Instrukteure zur Hilfe und übersah die Unterstützung durch Söldner? Wer baute Biolabore, entwickelte biologische Waffen und führte Experimente an Menschen durch? All dies wird in einem unvermeidbaren Tribunal gründlich geklärt und bewiesen werden.
In dem Augenblick, in dem die Spezialoperation endet und ein internationales Tribunal seine Arbeit aufnimmt, werden die europäischen Politiker, die jetzt Waffen, Treibstoff und Munition an die Ukraine liefern, zu Komplizen aller begangenen Verbrechen. Dadurch desavouieren sie eigentlich das gesamte Wertemodell der "Menschenrechte", der "Freiheiten" und der "Rechtsstaatlichkeit", von dem sie seit Jahrzehnten unermüdlich schwärmen.
Das alles wandert in den Papierkorb, zusammen mit dem Rest der sogenannten europäischen Werte, die in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union aufgeführt sind: "Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte …". Einfach alles, was das Nazi-Regime der Ukraine in den acht Jahren seit dem Maidan mit Unterstützung der EU verschmäht hat.
Mit ihrer Unterstützung des verbrecherischen Regimes in Kiew haben die europäischen Politiker selbst die Grundlagen des heutigen Europas zerstört, zusammen mit dem sogenannten Europäismus, der nichts mehr wert ist. Und das wird sich zeigen, sobald das Territorium der ehemaligen Ukraine vollständig von dem Nazi-Regime befreit ist, das der Westen geschaffen hatte und das seit 2014 so viele unvorstellbare Verbrechen begangen hat. Aber das ist noch nicht alles.
Als Zweites befürchten die europäischen Politiker im Falle einer drohenden Niederlage der Ukraine, dass gerade Russland danach die Hauptmacht in Europa sein wird. Das heißt, von diesem Zeitpunkt an wird Russland die Hauptvektoren der Entwicklung bestimmen, die Strategien formen und die semantisch-ideologischen Modelle diktieren. Die Fragen der Sicherheit und der Zusammenarbeit in Europa werden insgesamt von Russland abhängen.
Im Grunde genommen könnte das OSZE-Hauptquartier z. B. nach Kaliningrad verlegt werden, wo die Hauptrichtungen der Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa festgelegt würden – auf russischem Gebiet und unter der Kontrolle der russischen politischen Führung. Alle anderen Strukturen, die darauf ihr Anrecht geltend machen, würden jeden Einfluss und jede Bedeutung verlieren.
Das wird eine schwere Demütigung für die gegenwärtigen europäischen Politiker sein, die eine Art auslaufende politische Formation sind: Stellvertreter Washingtons, Globalisten, Liberale – ganz allgemein Vertreter eines ideologischen Modells, das in Europa völlig versagt hat.
Die sogenannten liberalen Werte werden inzwischen von den meisten Menschen in Europa selbst verflucht, indem sie aktiv ihre völlige Abneigung, Ablehnung und Abscheu zum Ausdruck bringen, was nur natürlich ist.
Die Katastrophe der gegenwärtigen liberalen Eliten, die von Washington aus gesteuert werden, ist bedingt durch die Niederlage ihrer Ansätze in der Ukraine – das ist ihre zweite Furcht.
Und drittens befürchten die heutigen liberal-globalistischen Politiker Europas, die nach dem Ende des ukrainischen Abenteuers bestenfalls in Vergessenheit geraten (und einige vor Gericht gestellt werden), dass die Pufferzone, die zur Verhinderung eines Krieges zwischen Russland und dem Westen erforderlich ist, nach Westen verlegt werden muss. Und zwar in die osteuropäischen Länder, die sich jetzt mit besonderer Wut gegen Russland stellen und die US-Interessen am stärksten, entgegen den europäischen Interessen, verteidigen.
Das geopolitische Gesetz besagt, dass es zur Vermeidung eines großen Krieges einen Landstrich von neutralen Ländern zwischen dem Westen und Russland geben sollte. Keine aggressiven Marionettenstaaten, die von der anderen Seite des Ozeans aus regiert werden, sondern wirklich neutrale, ruhige und stille Staaten, die keinem militärisch-politischen Bündnis angehören.
Sollte davon gesprochen werden, dass es in diesem Fall keine NATO auch nur in der Nähe des Baltikums, Rumäniens, Ungarns, der Slowakei und Polens geben darf? Wie sonst könnte es sein? Russland war gerade wegen des aggressiven Verhaltens gezwungen, die Spezialoperation in der ehemaligen Ukraine zu beginnen. Ist jenes der baltischen Staaten nicht aggressiv? Während der Westen in der Ukraine die NATO-Infrastruktur erst aufbaute, so sind Litauen, Lettland und Estland bereits Mitglieder der NATO. Ganz zu schweigen von Ungarn, Polen und Rumänien. Wie unterscheiden sie sich von der Ukraine?
Die NATO, die bakteriologischen US-Labore, die US-Raketenabwehrsysteme und das US-Militärkontingent mit all seiner gesamten Ausrüstung und seinen Waffen – all das sollte von den Grenzen Russlands entfernt werden, sodass die aufgeführten Staaten zu einem Landstrich der Neutralität werden. Und das ist, was der britische Oberbefehlshaber plötzlich erkannt hat. Wobei das alles von europäischen Politikern gemacht werden muss. Ob sie die Kraft, die Entschlossenheit und den Willen dazu haben, ist eine große Frage. Gerade diese Frage versetzt sie in Angst und Schrecken, denn nach der Liquidierung des Ukraine-Projekts wird sie unweigerlich gestellt werden.
Übersetzt aus dem Russischen.
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