von Thomas Frank
Wer mit Rechtsextremen bündelt, ist hierzulande ein Paria, ein Ausgestoßener, der nie wieder einen Fuß in das gesellschaftliche oder mediale Leben setzen wird. Er wird verachtet, ausgegrenzt, überwacht, kontrolliert und seine Existenz zerstört. So lautet das ungeschriebene gesellschaftlich-mediale Gesetz. Doch das gilt offenbar nicht für alle. Denn scheinbar gibt es "gute" Nazi-Bündler, die von den Medien auch noch in den Himmel gelobt werden und uns unumwunden als Helden präsentiert werden.
Vitali Klitschkos bedenkliche Zusammenarbeit mit Antisemiten und Rechtsextremen
Das gilt augenscheinlich für Vitali Klitschko. Denn mit Beginn der Proteste in der Ukraine im Jahr 2013 bildete die rechtsextreme Swoboda-Partei, gemeinsam mit Klitschkos UDAR-Partei und der Allukrainischen Vereinigung "Vaterland" von Julija Tymoschenko, ein oppositionelles Dreierbündnis mit dem Ziel, den ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch abzusetzen.
Verschwiegen wird hierzulande, dass Vitali Klitschko damals mit den Antisemiten und Neonazis von Swoboda in einem Boot saß. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Immerhin ist Klitschko bis heute noch Bürgermeister in Kiew und mit seinem Bruder gehört er zu den Superhelden der Axel-Springer-Presse, allen voran der BILD. Im Februar 2014 traute sich die Süddeutsche Zeitung noch, Klitschko deswegen zu kritisieren. Sie schrieb:
"Oleg Tiagnibok ist der Kopf der rechtsextremem Swoboda und enger Verbündeter von Vitali Klitschko. (…) Der Zweck heiligt die Mittel – und manchmal auch die Auswahl der Partner. So erklärt jedenfalls der im Westen geschätzte ukrainische Oppositionelle Vitali Klitschko, warum er mit einer umstrittenen Partei zusammenarbeitet."
Und weiter:
"Die offizielle Bezeichnung der Partei-Ideologie lautet Sozial-Nationalismus. Die phonetische Ähnlichkeit zum Nationalsozialismus, der Ideologie der NSDAP ist hier offensichtlich. Ungeniert bediente sich die Partei auch der Symbolik des Dritten Reichs."
Selbst die Friedrich-Ebert-Stiftung verurteilte damals noch das Verhalten der Opposition um Klitschko: Sie distanziere sich nicht eindeutig von Swobodas antisemitischer, fremdenfeindlicher und rassistischer Rhetorik. Sie habe damit "Swoboda in den Augen der Öffentlichkeit vom Stigma befreit, sie legitimiert" und ihr den Anschein gegeben, "als sei sie als Partner mit anderen Parteien gleichwertig".
Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute wagen es Medien und Politiker nicht mehr, Klitschkos damalige Nähe zu den Neonazis, Rechtsextremen und Antisemiten von Swoboda auch nur in den Mund zu nehmen. So verwundert es nicht, dass dieser niemals dafür zur Verantwortung gezogen wurde. Im Gegenteil sogar, Klitschko und sein Bruder werden als Helden präsentiert, die selbstlos und mutig ihr Land verteidigen. Der Hass auf Putin ist so groß, dass man anscheinend selbst die frühere Nähe zu Nazis in Kauf nimmt, die für jeden Anderen das sichere Aus in der Öffentlichkeit bedeuten würde.
Hintergründe, die man wissen muss
Die Swoboda-Partei wurde im Jahr 1995 gegründet. Sie ist offen antirussisch und ihr Vorsitzender äußerte sich des Öfteren antisemitisch. Im Dezember 2012 setzte das Simon-Wiesenthal-Zentrum Swobodas Parteichef Tiagnibok und seinen Stellvertreter Igor Miroschnytschenko auf Platz 5 seines "Top Ten Anti-Semitic/Anti-Israel Slurs". Tiagnibok hatte zuvor behauptet, die Ukraine werde von einer russisch-jüdischen Mafia regiert.
Am 28. April 2013 organisierte die Partei Swoboda unter Teilnahme eines Abgeordneten in Lwow (Lemberg) eine Kundgebung anlässlich des 70. Jahrestages der Gründung der SS-Division "Galizien". Die deutsche Bundesregierung schätzte Swoboda im August 2013 aufgrund einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke als eine rechtspopulistische und nationalistische Partei ein, die zum Teil rechtsextreme Positionen vertrete. Nach einer Analyse der Konrad-Adenauer-Stiftung mobilisiere der Parteivorsitzende Tiagnibok "antisemitische Ressentiments, Fremdenfeindlichkeit und ukrainischen Isolationismus".
Bei der letzten Parlamentswahl 2019 trat Swoboda in einem Wahlbündnis verschiedener nationalistischer Organisationen an und scheiterte mit 2,4 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde, konnte aber mit Oksana Sawtschuk ein Mandat gewinnen. Sawtschuk ist ein führendes Mitglied von Swoboda, die offen den Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera und die ukrainische Waffen-SS-Division "Galizien" verherrlicht. Aufgepasst: Sawtschuk war auch Studentin am Open World Leadership Center des US-Kongresses, das sich 2019 sogar damit brüstete, dass seine Absolventin ins Parlament gewählt worden war. Alles Zufall oder was?
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