Bundeskanzler Olaf Scholz: Jetzt alle "unterhaken", aber bitte nicht schunkeln

In einer kurzen Videobotschaft richtet der sorgenvoll wirkende Bundeskanzler beruhigende Worte an die Bürger im Land. Es sei Zeit, sich "unterzuhaken". "Wir schaffen das" durfte er aus Copyright-Gründen nicht sagen.

von Bernhard Loyen

Auch die Bundesregierung muss sich mit modernen Trends arrangieren, daher werden peinliche Kampagnenvideos, wie überteuerte Hochglanzfilmchen, in Auftrag gegeben oder von der hauseigenen Kanzleramts-Technikcrew kurze Informationsvideos für die Bevölkerung produziert. Die bekommen dann vermeintlich sinnige Titel, meist aus Gründen einer anscheinend unvermeidlichen Fortsetzung in unregelmäßigen Abständen. Bei dem Ministerkollegen Lauterbach aus dem BMG lautet der Name der jüngsten Video-Reihe zum Beispiel "KarlText".

Das neueste Produkt aus der Reihe "Kanzler Kompakt" ist die Folge Drei mit dem Titel: "Was bringen Gipfel-Treffen?" Eine sehr gute und berechtigte Frage, denn die Ergebnisse zeigen, außer immenser Kosten recht wenig. Selbst die ARD-Tagesschau fragte ungewohnt frech: "Teure G7-Gipfel: Hoher Aufwand, wenig Nutzen?". Dieses Mal waren es fast 170 Millionen Euro, die das Schaulaufen der G7-Teilnehmer den ungefragten Steuerzahler kostete.

Die beiden zuvor produzierten Videobotschaften von "Kanzler Kompakt" lauteten "In der Ukraine ist Krieg – und was macht Europa?" und "Gas und Öl sind teuer und knapp – was bedeutet das für uns?" Zusammen kommen alle drei (!) Videos auf eine Klickzahl – dem Qualitätskriterium der Stunde für Social Media-affine Bürger – von beeindruckenden 5.578 Besuchen. Der Erklärbär als kleine Klick-Ameise.

Bundeskanzler Scholz redet bekannterweise nicht gerne, meidet die Erwartung längerer inhaltsvollerer Statements, was er jüngst bei dem G7-Gipfel in Elmau auf einer internationalen Pressekonferenz nachdrücklich bestätigte, als er auf die klar formulierte Frage zur Existenz und Details möglicher Sicherheitsgarantien westlicher Staaten für die Ukraine lediglich mit einem "Ja" antwortete.

Im Rahmen des G7-Gipfels beschloss das Presse-Management des Kanzlers anscheinend, dass ein weiteres Video aus der Reihe "Kanzler Kompakt" her muss, um die schlechten Kritiken für diese Performance zum Schweigen zu bringen. Konsequenterweise hat das Video lediglich eine Länge von einer Minute und 26 Sekunden, mehr Redezeit war wohl nicht aus dem Kanzler herauszukitzeln.

In den ersten 45 Sekunden "beschwört" der Kanzler laut der Wahrnehmung der Berliner Zeitung" in einer Videobotschaft ein "solidarisches Miteinander". Dort fällt dann auch umgehend das Wort des Videos – "unterhaken". So ist sich der Kanzler sicher:

"Wenn wir uns unterhaken und zusammenhalten, dann sind wir stark."

Jetzt könnte man eigentlich die Betrachtung des Videos beenden oder wegklicken, weil so ein unglaubwürdiger Beginn erfahrungsgemäß erahnen lässt, dass es danach nur noch schlimmer werden kann. "Wir"? Wir, also auf der einen Seite die Politiker und, wenn sie Sorgen und Kummer haben, die gerne verdrängte andere Seite, die Menschen im Land, aber natürlich nur gemeinsam als "Wir" mit einer dann bemühten gemeinsamen Gesamtverantwortung.

Bei der ersten Erwähnung des "Unterhakens" bezog sich Kanzler Scholz noch auf "die Botschaft des Europäischen Rats in Brüssel", "den Staaten des westlichen Balkans neuen Schub gegeben (zu) haben für ihren Beitrittsprozess zur Europäischen Union". Gemeint war die Osterweiterung der NATO, die aber nicht so genannt werden darf.

Erhellend ist die Betonung des Kanzlers, dass sich beim G7-Gipfel in Elmau die "großen, wirtschaftlich starken Demokratien" getroffen hätten. Keine Staatenlenker mit jeweils mehr oder weniger bedenklichen, sich dynamisierenden innenpolitischen Problemen. Groß, wirtschaftlich stark, Demokratien – noch Fragen?

Ein sehr starker Moment folgt, als Scholz versucht, die "Herausforderungen, vor denen wir stehen" flüssig dem Zuschauer zu vermitteln. Der Ukraine-Krieg kam ihm noch gut über die Lippen, dann hakte es beim Übergang zum Problemwürfelbecher "Energiesicherheitsfragen, Klimawandel und dem Hunger in der Welt". Es folgte nach knapp 50 Sekunden die Formel-Wiederholung:

"Wenn wir uns unterhaken und zusammenhalten, sind wir stark. Das gilt auch für unser Land."

Gibt es etwa aktuell Schwierigkeiten in der "großen, wirtschaftlich starken Demokratie"? Scholz erklärt dem besorgten Bürger wörtlich:

"Das große Problem, dass viele Bürgerinnen und Bürger in Deutschland gegenwärtig umtreibt – völlig zurecht – sind die steigenden Preise, ist die Inflation, dass alles teurer wird."

Puh, welch Glück für die Menschen im Land. Der Blick aus den Panoramafenstern des Kanzleramts, durch die getönten Scheiben der gepanzerten Limousine, hat Scholz aufgewühlt, ihn erkennen lassen. Hier, in diesem Land, läuft es nicht rund. Woher er von den steigenden Preisen erfahren hat, ist nicht bekannt. Zumindest gab er im September 2021 sehr freimütig zu: "Ich gehe selber nicht tanken."

Es folgt das Ergebnis von nächtelangen Sitzungen im Kanzleramt, mit den innovativsten Ratgebern des Landes. Wahrscheinlich auch geheimen Telefon-Sonderkonferenzen zur Lage der Nation. Das Ergebnis, vom Kanzler persönlich kompakt im Erklärvideo mitgeteilt, lautet:

"Und auch da müssen wir gemeinsam handeln. Deshalb habe ich, wie das schon einmal in so einer schwierigen Zeit in den 60er- und 70er-Jahren war, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Bundesbank, Wissenschaftler eingeladen, mit uns darüber zu sprechen, was wir machen."

Ach so, doch noch keine Problemlösung, daher braucht die Regierung wieder die vom Volk gefürchtete "Wir"-Formel? "Mit Uns" meint er die Politik oder Politiker und Bürger? Wird da das "Wir" etwa wieder inhaltlich getrennt, beim Blick aus dem Elfenbeinturm, in wir und die da unten? Nein, keine Angst, es folgt, sie werden es ahnen:

"Denn auch für unser Land gilt: Wir müssen uns unterhaken und zusammenhalten."

Wenn der amtierende Bundeskanzler in einem Satz die Worte "wir", "müssen", "unterhaken" und "zusammenhalten" benutzt, scheint es wirklich aktuell in diesem Land auf vielen Ebenen mehr als bedenklich auszuschauen. "Wir schaffen das" darf er ja aus Copyright-Gründen nicht sagen, aber eine volksnahe Variante scheint ihm wohl auch gerade nicht eingefallen zu sein. Interessierte Bürger dürfen daher gespannt sein auf Folge Vier von "Kanzler Kompakt".

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