Grün ist der Untergang – Teil 1: Weltuntergangsfantasien als Ressource

Seit über vierzig Jahren gibt es die Partei der Grünen, und sie hat die deutsche Politik weit stärker geprägt, als ihre Regierungsbeteiligungen vermuten lassen. Jetzt macht sie sich daran, den Untergang dieses Landes zu inszenieren. Zeit für eine Bilanz.

von Dagmar Henn

Als die ersten Grünen im Bundestag saßen, Pullover strickten und ein Ende der Atombewaffnung forderten, da wirkten sie wie liebenswürdige Spinner. Wie wurde daraus diese menschenfeindliche, kriegslüsterne Partei, eine Truppe, die leidenschaftlich am völligen Ruin des Landes arbeitet, das sie hervorgebracht hat? Steckte das immer schon in ihnen oder wurde das aus ihnen gemacht, und falls ja, von wem? Endgültig beantworten wird man das erst können, wenn alle Dokumente zugänglich sind; bis dahin bleiben nur Vermutungen.

Am Anfang war diese Partei ein Schwamm, der vieles aufsog, was an politischen Bewegungen außerhalb der Parlamente gerade übrig war. Die Reste der "neuen Linken" der 70er, also viele der maoistischen Organisationen; Teile der Friedensbewegung, die sich gegen die Stationierung US-amerikanischer Pershing-Raketen gebildet hatte; die Anti-Atom-Bewegung, die sich ursprünglich vor allem aus der Landbevölkerung rekrutierte, Anhängern einer ziemlich industriefeindlichen Naturromantik und Fans der Weissagungen des Club of Rome. Als hätte man die Reste der kurzen demokratischen Blüte der Bundesrepublik, die schon längst zwischen Berufsverboten und Terroristenjagd zu Ende gegangen war, zusammengefegt und in einen Beutel geworfen. Niemand hätte damals gedacht, dass daraus fanatische Anhänger der NATO hervorgehen könnten; das Ende des Vietnamkriegs lag erst wenige Jahre zurück, und es gab noch keine einzige Demonstration, egal zu welchem Thema, bei dem nicht mindestens der Spruch USA-SA-SS gerufen wurde, der passte immer.

Manches, was mit diesem Haufen geschah, erklärt sich einfach. Dass aus jungen, radikalen Studenten später brave, angepasste Bürger werden, Lehrer oder Journalisten, das ist der Lauf der Welt. Dass den Grünen die Spitze ihres friedensbewegten Teils so abrupt abhanden kam, unter Umständen, die bis heute Zweifel hinterlassen, ist schon eine andere Geschichte. Und wie "natürlich" die innere Entwicklung einer Partei sein kann, die zu Beginn (tatsächlich!) ganz offiziell unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stand und ganz inoffiziell aus vielen der Ursprungsorganisationen eine entsprechende Beifracht geliefert bekommen haben dürfte, ist wirklich schwer zu beantworten.

Mit Ausnahme der RAF-Prozesse ist die Einwirkung der diversen Dienste auf linke oder sich links definierende Organisationen nie Gegenstand größerer Gerichtsverfahren gewesen. Wenn man aber ernst nimmt, was im NPD-Verbotsverfahren und im NSU-Prozess für die andere Seite des politischen Spektrums bekannt wurde, und berücksichtigt, dass die Energie, die in Überwachung, wenn nicht Steuerung der politischen Linken investiert wurde, stets größer war, dann dürfte diese Einwirkung beträchtlich gewesen sein. Nur, um es ins Gedächtnis zu rufen – der erste Anlauf, die NPD zu verbieten, war vor dem Verfassungsgericht gescheitert, weil so viele Verfassungsschützer in den Vorständen gesessen hatten, dass gar nicht mehr zwischen politischem Handeln der Partei und dem Einfluss der Agenten hatte getrennt werden können. Und das NSU-Verfahren gab eine quantitative Hausnummer: von 120 Mitgliedern des "Thüringer Heimatschutzes" waren 40 für den einen oder anderen Dienst tätig.

Eine Partei der kleinen Leute waren die Grünen jedenfalls nie. In und um die "neue Linke" fanden sich viele künftige Erben, deren Politisierung oft mit einem gewissen Ekel vor den Ursprüngen dieses Erbes zu tun hatte; Kinder aus gutem Hause, die später einen Weg finden sollten, über verschiedene Methoden des Ablasshandels, per Bioladen oder per Stiftung, ihren Frieden mit dem leistungslosen Reichtum zu schließen. Eine Befassung mit sozialen Fragen gab es so nur in vermittelter Weise, nicht als Vertretung eigener Interessen der Ärmeren, sondern als Vertretung eigener Interessen der reichlich vorhandenen Sozialpädagogen.

Trotz aller basisdemokratischen Rituale, die eigentlich verhindern sollten, dass sich eine Kaste von Berufspolitikern absetzt, hat sich keine Partei so schnell und so gründlich inhaltlich entleert wie die Grünen. Von den selbst gestrickten Pullovern aus der Landkommune und den romantischen Vorstellungen einer Harmonie mit der Natur blieben nur die Thesen des Club of Rome übrig, ein politisches Auftreten, das noch stärker auf Werbeträchtigkeit hin orientiert war als bei anderen Parteien, und die Überzeugung eigener moralischer Überlegenheit, die den Puritanern Konkurrenz gemacht hätte. Sie saugten Bewegungen schneller auf, als sich diese bilden konnten, wurden durch Tschernobyl nach oben gespült und vollzogen dann spätestens ab 1989 eine scharfe Wende nach rechts.

Anfangs wurde mit den Grünen das gleiche Spiel getrieben wie später mit der Linkspartei und dann mit der AfD. Gegen sie standen "alle demokratischen Parteien". Und das trug mit Sicherheit dazu bei, dass die "Neuen" besonders offen gegenüber Stiftungen und Organisationen waren, die sie nicht als eine Art Paria behandelten, sich geschmeichelt und anerkannt fühlten. Auf jeden Fall ist der Einfluss diverser Einflüsterer stark, ob sie nun WEF oder Atlantik-Brücke heißen.

Die erste Landesregierung mit grüner Beteiligung gab es in Hessen 1985, und sie hatte genau einen grünen Minister, Joschka Fischer, der vor allem als "Turnschuhminister" auffiel. Koalitionspartner war die SPD unter Holger Börner, der zuvor bei den Auseinandersetzungen um eine weitere Startbahn für den Frankfurter Flughafen die Sache noch mit der Dachlatte hatte regeln wollen. 18 Monate später zerbrach diese Koalition an der Atompolitik.

Nebenbei: Natürlich stand hinter der Ablehnung der Atomkraft in Deutschland auch die Ablehnung einer nuklearen Bewaffnung der BRD und das während des Kalten Krieges immer präsente Wissen, dass es zwar Stellvertreterkriege an allen Ecken der Welt geben mochte, eine direkte Konfrontation zwischen den beiden Blöcken aber ein prädestiniertes Schlachtfeld hatte und mit einem Aufeinanderprallen zweier deutscher Armeen beginnen würde. (Inzwischen ist bekannt, wie knapp die Welt diesem Schicksal entronnen ist und wie realistisch diese Furcht damals war, und eigentlich müsste die Gegenwart sie wieder zurückbringen.)

Irgendwie kam immer etwas völlig anderes heraus, als angekündigt worden war, wenn die Grünen irgendwo in der Regierung waren. Die Wähler, die 1998 die erste rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder an die Macht brachten, wollten Frieden und eine sozialere Politik; sie bekamen Bomben auf Belgrad und Hartz IV. Und das war kein Versehen. Jedes große grüne Vorhaben hat einen Pferdefuß. Mindestens einen.

Katastrophen und Notstandsjünger

Die Zwiespältigkeit all dessen, was unter dem Stichwort "Ökologie" läuft, war von Anfang an angelegt. Da gab es auf der einen Seite viel berechtigte, auch scharfe Kritik, an Umweltverschmutzung, an Pharmakonzernen, an industrieller Landwirtschaft. Aber da war auch jenes verklärte, romantische, der Moderne gegenüber zutiefst feindliche Ideal eines harmonischen Landlebens, das historisch so nie existiert hatte. Und das völlig überging, inwieweit es gerade Errungenschaften der Industriegesellschaft sind, die das Leben normaler Bürger sicherer machten. Kanalisation beispielsweise, Elektrizität, bis hin zu jenen seriellen Bauweisen, die die Wohnungsnot der Nachkriegsjahre beendeten, leider nur vorübergehend.

Umgesetzt wurde das in den kontinuierlichen Schrecken. Es reichte nicht, zu sagen, die Welt wird besser, wenn die Emscher nicht mehr fünf Kilometer gegen den Wind stinkt. Es musste der Weltuntergang sein. Was womöglich damit zu tun hat, dass der ganz reale Schrecken der wechselseitig garantierten Zerstörung (mutually assured destruction, MAD) in der BRD, wenn auch unbewusst, so präsent war; jedes neue Thema musste sich dagegen durchsetzen; das galt vor allem in der grünen Partei selbst. Das ist vielleicht der tiefste Umbruch, der mit den Grünen in die Politik kam: Bis dahin waren es die positiven Fantasien gewesen, die Politik antrieben; eine gerechtere Gesellschaft, Zugang zu Bildung für alle Kinder, Aufhebung von Arm und Reich – seitdem gibt es nur noch Weltuntergänge in verschiedenen Geschmacksrichtungen.

Der Vorteil der Weltuntergangsfantasien besteht natürlich darin, dass sie über den divergierenden Interessen zu schweben scheinen, so, wie das einst der Staat oder die Nation zu tun schienen. Der Wald stirbt, wir werden alle sterben ... Der Atommüll ist so gefährlich, wir werden alle sterben ... Die Gletscher schmelzen, wir werden alle ... Tatsächlich hat dieses dauerhafte Bombardement mit einem Untergang nach dem anderen dazu geführt, dass die Erkenntnis, dass es Gruppen mit völlig entgegengesetzten Interessen in der Gesellschaft gibt, fast völlig ausgelöscht ist. Denn immer gibt es irgendeine dräuende Katastrophe, hinter der eigentlich alles andere zurückstehen muss. Klima-Irre wie die "Letzte Generation" sind tatsächlich schon die zweite Generation im permanenten Notstandsmodus.

Inzwischen ist gut sichtbar, was das mit der gewöhnlichen Demokratie macht; aber die Durchsetzung von Politik im Katastrophenmodus ist so alltäglich geworden, auch in anderen Parteien, von der Rentenreform bis zu Corona, dass all diese Schritte wahrgenommen werden, als wäre es keine Politik, kein Ringen zwischen unterschiedlichen Gruppen um die Durchsetzung der jeweiligen Interessen, sondern immer nur die Vermeidung eines noch größeren Übels, die Abwendung eines weiteren Untergangs. Carl Schmitt hätte seine Freude an dieser Methode.

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