von Andreas Richter
Das Springer-Blatt Welt bringt seinen Lesern in einem langen Artikel nahe, warum "kühlere Wohnungen gesünder sind". Vor einigen Wochen schon wusste das Boulevardblatt Bild aus demselben Hause zu berichten, dass es genüge, vier Körperstellen zu waschen, und dass sich die Haut schon selbst reinige, wenn man sie nur lasse.
Man ahnt schon, was in den nächsten Monaten noch alles auf die Leser zukommen dürfte: Laufen ist gesünder als Fahren, auch ohne Arbeit kann man glücklich sein und überleben, ohne eigene Wohnung lernt man viele neue Leute kennen. Und natürlich, der Verzicht auf tierische Lebensmittel verlängert das Leben.
Ganz offensichtlich geht es darum, den Menschen eine immer harscher werdende Realität mit immer knapper und teurer werdenden Ressourcen als etwas Gutes oder doch irgendwie Nützliches zu verkaufen. Dabei fällt auf, wie sehr die derzeitigen Entwicklungen im Kontext des Ukraine-Konflikts sich mit dem decken, was etwa die Grünen schon seit längerem fordern.
Natürlich begleiten die Medien ihre Schäfchen auch bei anderen Themen in die "neue Normalität". Die Pandemie ist die schlimmste seit Menschengedenken, die Impfung ist sicher, die Maßnahmen wirken. In der Ukraine wird für uns die Demokratie verteidigt, Putin ist das personifizierte Böse (aber vielleicht auch längst tot), den Russen geht bald die Munition aus, und das nun schon seit Monaten.
Und weiter: Verzicht auf Familie steigert das Wohlbefinden, Verzicht auf Kinder schützt das Klima, ein Geschlechtswechsel ist etwas ganz Normales, Drogen sind nicht so schlimm, Datenschutz wird überschätzt, wirklich Privates gibt es eh nicht mehr. Jeder ist ständig online, alles wird öffentlich, und das ist gut so.
Der Begriff "neue Normalität" wurde seinerzeit im Corona-Kontext von Jens Spahn geprägt. Mittlerweile lässt sich mit diesem Ausdruck der grundlegende Umbau der westlichen Gesellschaften beschreiben, der keinen Lebensbereich auslässt.
Dessen Zielrichtung hat mit allen herkömmlichen Vorstellungen eines guten und menschengerechten Lebens so wenig zu tun wie die mediale Begleitmusik zu diesen Vorgängen mit der eigentlichen Aufgabe der angeblichen "Vierten Gewalt", staatliches Handeln und dessen Folgen kritisch zu hinterfragen. Was wir sehen, ist Propaganda.
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