von Dagmar Henn
Ist das nun wahr oder nicht? Manchmal kann man seinen Augen nicht trauen, schon gar nicht in Zeiten von Photoshop, aber diesmal ist es eher die Dreistigkeit, die den Zweifel weckt. Wobei, zugegeben, jemand, der Englisch auf Schulniveau beherrscht, vielleicht gar nicht merkt, wie abgründig dieses Plakat ist.
Die Aufnahme zeigt jedenfalls, da bin ich mir absolut sicher, weil ich ihn seit Jahrzehnten kenne, den Münchner Hauptbahnhof. Und das Plakat, das von der Decke hängt? "Chicks from Ukraine are very welcome to Germany", steht da, und man sieht das Männergesicht aus dem Logo von Kentucky Fried Chicken unter einem herunter gerollten Blatt, das eine Bettdecke assoziiert, und hinter dem Männerkopf ein Doppelbett mit einer freien Seite …
Nun, die Suche nach der Quelle endete bei einer mir bisher unbekannten Webseite namens oopstop.com. Die IP-Adresse führt nach Delft in den Niederlanden, die Autoren der Seite sind aber, wenn die Namen stimmen, vermutlich Inder.
Aber zurück zum Bild. Chicks ist die Kurzform für Chicken, das heißt Küken. Es ist aber auch eine Bezeichnung für Frauen, und das Wörterbuch Merriam Webster schreibt dazu: "informell und manchmal beleidigend". Es ist auch vorstellbar, dass das spanische Wort "chica" für junges Mädchen dabei einen Einfluss hatte.
Chick jedenfalls assoziiert junge Frauen. Das Logo von KFC zeigt einen eindeutig älteren Mann. Auf der Werbung findet sich außerdem noch das Logo von Booking.com, einer Online-Plattform zur Buchung von Hotelzimmern. Küken aus der Ukraine sind in Deutschland sehr willkommen.
Junge Frau, alter Mann, Hotelzimmer, Doppelbett, was ist die Summe daraus? Dazu kommt noch, dass die Anzeige Englisch beschriftet ist, bzw. US-Amerikanisch, was auf der einen Seite zwar zu Kentucky Fried Chicken passt, auf der anderen aber durchaus eine Attitüde von Dominanz ausstrahlt. Der alte Mann holt sich ein frisches Hühnchen in sein Bett. Oder eben in ein Hotelbett. Es geht schließlich nicht um eine Beziehung.
Hinzu kommt, dass es sich um eine Fast-Food-Kette handelt. Die Assoziationskette, die sich von hier aus eröffnet, ist schier endlos. Aber auf jeden Fall absolut respektlos.
Richtig fett wird die Nummer dann, wenn man den Ort mit einbezieht. Der Münchner Hauptbahnhof war schließlich die Kulisse für die Willkommens-Inszenierung vom Sommer 2015. Sieben Jahre später gibt es keine Teddybären mehr, sondern eine eindeutige Zuweisung. Das Willkommen für die Ukrainerinnen wird horizontal exekutiert. Von alten Männern in Hotelbetten.
Kann das wirklich echt sein? So ein "frische Nutten in der Stadt"-Plakat? Klar, bei jeder Migrationswelle wird ein Teil vom Schattenmarkt verschlungen, sei es in der Kriminalität, sei es in der Prostitution; 2015 waren das vor allem Stricher, es waren ja vor allem junge Männer gekommen. Das ist eine Nebenwirkung der Tatsache, dass dieses Land zwar gerne Willkommen schreit, aber praktisch dann doch eher nach Pizzafahrern und Zimmermädchen verlangt, billig, willig und wehrlos, und gerne ordentlich Druck in Richtung halb- bis ganz illegaler Tätigkeit aufbaut, indem nicht einmal eine Unterkunft gesichert ist. Was sich an den vielen hübschen Geschichten zeigte, als man die Syrer, die vor Jahren gekommen sind, aus den Notunterkünften warf, um Platz für die Ukrainer zu machen.
Ich habe mir übrigens das Foto heruntergeladen und in achtfacher Vergrößerung angesehen, also so groß, dass die einzelnen Pixel zu sehen sind, und keine Artefakte entdeckt. Es ist also entweder eine verdammt gute Arbeit oder eben doch ein echtes Bild. Booking.com jedenfalls hat auf seiner Webseite eine Pressemeldung vom Mai, dass Conchita Wurst jetzt "Ambassador", also Botschafter, sprich Werbeträger für die Firma sei. Ist es dann unvorstellbar, dass dieses Plakat – schließlich ruft der verlinkte Artikel zu Wurst auch die Assoziation Hotel/ schneller Sex auf, dieselbe Kombination, die das Plakat produziert – echt ist?
Vielleicht würde das Plakat anders wirken, wenn dieser Kopf von Kentucky Fried Chicken einem jungen, knackigen Burschen statt einem alten Knacker gehören würde. Aber es ist ja noch schlimmer – der alte, bärtige Mann heißt Colonel Sanders, was dann zusätzlich noch das Militär ins Gedankenpaket packt, und schon ist man in den Bordellen von Bangkok.
Auf der Webseite von KFC kann man übrigens gar nichts überprüfen. Die Firma gibt es zwar, aber die Presseabteilung offenkundig nicht mehr, die letzte Meldung stammt aus dem Jahr 2000. Das lässt immerhin die Vermutung übrig, dass hier versucht wurde, mit einem grob anstößigen Plakat über die Gegenreaktionen eine Billigwerbekampagne zu fahren, die zumindest bei älteren alleinstehenden Männern Sympathien für Kentucky Fried Chicken weckt. Der Rest des Publikums wird dann unter "auch schlechte Publicity ist gute Publicity" verbucht, und sollten sich die Ukrainerinnen gekränkt fühlen, weil ihnen der zugewiesene Platz in der Hackordnung nicht passt, kann man ja immer noch den Praktikanten feuern, der sich das Ganze ausgedacht hat. Was gleichzeitig bedeutet: Sollte es sich doch um eine Fälschung handeln, dürfte der Erfinder zwar öffentlich beschuldigt werden, aber vermutlich sein Leben lang heimlich umsonst bei KFC essen dürfen …
Aber es würde passen. Zu der ganzen Heuchelei. Zu der Menschenverachtung, die sich in Wirklichkeit hinter dem Insistieren auf "Solidarität mit der Ukraine" verbirgt, weil sie nur unnötig Menschenleben kostet; zu der Missachtung, die sich darin zeigt, ein ums andere Mal Menschen großspurig aufzunehmen, um sie dann unter Brücken hausen zu lassen, und zu der Verachtung, die Frauen gegenüber herrscht, die zwar per Sternchen und ähnlichen Manövern in jedem Text hervorgehoben werden, aber immer noch weniger Lohn erhalten und als Alleinerziehende in Armut gehalten werden.
Weshalb man dann fast dankbar sein müsste für dieses Ding, weil es so viel enthüllt – wenn es nicht so ekelhaft wäre.
Mehr zum Thema - Ukraine: Waffen, Weizen und ein Fleischwolf