Ein Kommentar von Anna Schafran
Ebenso wie Einzelpersonen leiden auch Staaten und Gesellschaften an psychischen Erkrankungen. Die Sowjetunion zum Beispiel hatte in den letzten Jahren ihres Bestehens einen ausgeprägten Minderwertigkeitskomplex. Alles, was sowjetisch war, wurde für minderwertig und alles Westliche für schön und großartig erklärt. Es bedurfte der Hölle und der Entbehrungen der 1990er Jahre, damit die Bürger Russlands und der Nachbarrepubliken begriffen, dass es in der UdSSR nicht so schlimm war, dass sowjetische Lebensmittel von höherer Qualität waren als die "chemischen" Lebensmittel des Westens und dass es auch in vielerlei anderer Hinsicht keinen Grund für derartige Komplexe gab. Doch die Folgen dieses Minderwertigkeitskomplexes haben viele Menschen bis heute nicht überwunden.
Manchmal wird ein Staat auch im Gegenteil von Größenwahn geplagt. Das war der Fall bei Hitler-Deutschland, und man muss zugeben, dass die Deutschen ihre Gründe für das Aufkommen dieses Wahns hatten: in weniger als zehn Jahren haben sie ihre nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg zerfallene Militärmaschinerie wiederbelebt, eine mächtige Industrie, Autobahnen und so weiter geschaffen. Doch die Grundlage für diesen kometenhaften Aufstieg war ungesund – das Ziel der Deutschen war nicht der eigene Wohlstand, sondern die Demütigung und Vernichtung ihrer Nachbarn. Daher endete die Geschichte schlecht für sie.
Zweifellos leidet auch die moderne Ukraine an Größenwahn. Und im Gegensatz zu Deutschland hat es weder eine siegreiche Armee, noch eine entwickelte Industrie, noch hochwertige Straßen – nichts, außer einer entwickelten Landwirtschaft, die es von der Sowjetunion geerbt hat.
Das Ausmaß des ukrainischen Wahns ist zwar unfassbar und erstaunlich, aber nicht verwunderlich: Seit dem Beginn ihrer plötzlichen Unabhängigkeit wurde den Ukrainern beigebracht, dass sie die ältesten, die klügsten, die geschicktesten, die europäischsten und einfach die Besten der Besten sind. Es wurden allen Ernstes Artikel und Bücher darüber veröffentlicht, wie die angeblichen Ur-Ukrainer (die sogenannten Ukren) das Schwarze Meer ausgruben, die altägyptischen Pyramiden bauten, wie Buddha und Christus Ukrainisch sprachen und so weiter. Vor diesem fantastischen Hintergrund fielen die rasche Verarmung des ukrainischen Volkes und die Zerstörung der einst zu Zeiten der UdSSR weltberühmten Industrie nicht so sehr auf.
Eine psychisch instabile Gesellschaft lässt sich leicht von verschiedenen hysterischen Ideen mitreißen. Nachdem er den Ukrainern das Zuckerbrot der "europäischen Integration" vor die Nase gehalten hatte, führte Wiktor Janukowytsch sein Volk mehrere Jahre lang "nach Europa". Als er erkannte, dass dies unweigerlich zu Massenarmut führen würde, versuchte er, dies zu verhindern, aber es war zu spät. Die meisten der ukrainischen Oligarchen, die den Maidan unterstützt hatten, schlossen sich zusammen, um Janukowytsch zu stürzen. Einer der reichsten Männer der Ukraine, Petro Poroschenko, wurde zum neuen Präsidenten.
Es ist bezeichnend, dass sowohl Poroschenko als auch sein Nachfolger Selenskij mit den Slogans des Friedens und der Einigung des Landes gewählt wurden. Doch unmittelbar nach ihrer Wahl vergaßen sie alle ihre Versprechen und begannen, die russische Sprache weiter zu verbieten und auf einen Krieg im Donbass bis zum bitteren Ende zu setzen.
Russland hat sehr lange geduldet, dass die Ukraine schnell ihr menschliches Gesicht verliert. Als jedoch direkte Drohungen aus Kiew erfolgten, nahm man es nicht weiter hin. Bei der militärischen Sonderoperation Russlands geht es nicht nur um Entnazifizierung und Entmilitarisierung.
Es handelt sich auch um eine Sanierungsmaßnahme zur Wiederherstellung der geistigen Gesundheit einer ukrainischen Gesellschaft, die seit langem davon überzeugt ist, dass Russland und Europa verpflichtet seien, die Ukraine einfach so zu unterhalten und zu versorgen. Einfach, weil sie es müssen – ohne jeglichen objektiven Grund.
Deshalb ist der ukrainische Botschafter Andrei Melnyk, der den deutschen Kanzler als "beleidigte Leberwurst" bezeichnete oder Karikaturen von Deutschland als Schnecke mit angeklebter Patrone veröffentlichte, Fleisch und Blut der geisteskranken Ukraine, die verlangt, dass man sie füttert, versorgt und sich vor ihr verbeugt.
Und in diesem Fall hat Melnyk großes Glück. Denn Westeuropa befindet sich derzeit eindeutig in einer Phase des staatlichen Masochismus. Sie empfinden das Verlangen, Buße zu tun und sich vor jemandem zu demütigen. Bis vor kurzem waren es Migranten aus Afrika und dem Nahen Osten, doch den Ukrainern steht diese Rolle auch nicht schlecht.
Bezeichnend ist jedoch, dass die US-Behörden zwar einen ähnlichen BLM-Masochismus in der US-Gesellschaft unterstützen, aber nicht bereit sind, ihren messianischen Komplex auf internationaler Ebene aufzugeben. Adam Smith, ein Kongressabgeordneter der Demokraten aus dem Bundesstaat Washington, hat es treffend formuliert:
"Nur weil die USA eine auf Regeln basierende Weltordnung verteidigen, heißt das nicht, dass sie sich selbst an die Regeln halten müssen."
Deshalb schweigt auch der ukrainische Botschafter in Washington, obwohl die USA, ebenso wie Deutschland, es nicht eilig haben, Kiew Hilfe zukommen zu lassen. Denn auch geistig nicht ganz ausgereifte Menschen spüren in der Regel, wen sie ungestraft beschimpfen können und wer auf eine Art und Weise antworten könnte, die es in sich hat.
Die Tatsache, dass der ukrainische Präsident Selenskij jedoch bereits den einflussreichsten und populärsten US-Diplomat Henry Kissinger kritisierte, beweist, dass Kiew die letzten Reste menschlichen Anstands verliert.
Und sehr bald wird es nicht nur für uns in Russland, sondern für die ganze Welt offensichtlich sein, dass die ukrainischen Politiker und "Diplomaten" alles tun, um ihren Irrsinn zu demonstrieren.
Übersetzt aus dem Russischen.
Anna Schafran ist eine russische Fernseh- und Radiomoderatorin.
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