Ein Kommentar von Timur Fomenko
Die Kampagne der britischen Außenministerin, Liz Truss, gegen China und Russland zeigt, dass London anscheinend den Verstand verloren hat. In einem kürzlich gehaltenen Vortrag grenzten ihre Aussagen an den Wunsch, nach einem gleichzeitigen Krieg gegen Russland und China. Truss rief zunächst dazu auf, "Russland aus der gesamten Ukraine zu vertreiben", und bezeichnete den Konflikt als "unseren Krieg".
Sodann widmete sie sich China und stichelte in Richtung Peking, dass der Aufstieg Chinas "nicht unvermeidlich sei". Sie forderte, dass China "sich an die Regeln halten soll" und plädierte sogar dafür, dass die NATO Taiwan im "Eventualfall" verteidigen solle. Truss rief abermals zu einem "Netzwerk der Freiheit" auf und drängte darauf, wirtschaftliche Abhängigkeiten von unerwünschten Ländern zu vermeiden – wieder ein deutlicher Seitenhieb gegen Russland und China.
Glücklicherweise – und trotz des politischen Klimas, in dem wir uns gerade befinden – haben keine ihrer aufgeblasenen Worthülsen eine ernsthafte Grundlage in der Realität. Doch wenn es nach ihr ginge, sind die potenziellen Gefahren existenziell: Die Rhetorik der britischen Außenministerin schürt den direkten Konflikt nicht nur gegen eine, sondern gleich gegen zwei nukleare Supermächte.
Russland von der Krim zu vertreiben und China daran zu hindern, Taiwan einzunehmen – falls es dies tun wollte – sind beides Szenarien, die zu einer militärischen Gegenreaktion führen könnten, möglicherweise sogar zu einer nuklearen. Aber dies scheint Truss nicht weiter zu beunruhigen. Die europäischen Staatsoberhäupter werden wahrscheinlich nicht glücklich über die Aussagen von Truss sein, während ihre eigenen Herren in Washington erfreut sein werden, derartiges zu hören.
Letztlich jedoch spiegelt die Rhetorik von Truss die größere Wahrheit wider, dass die Hybris und nostalgische Kraft des Brexits Großbritannien über den Rand einer Klippe treibt. Und dass seine Außenpolitik jegliche Vernunft, Zurückhaltung, Mäßigung, sowie den Realismus über Großbritanniens derzeitigen Platz in der Welt ablegt hat.
Die Geschichte der britischen Außenpolitik seit 1945 könnte man als die eines zerfallenden Imperiums zusammenfassen, in der gewisse Phasen der Trauer, gemäß der Definition von Kübler-Ross, durchmacht wurden. Wenn die Suez-Krise der Phase der Wut und der Verleugnung entsprach, dann entsprach Großbritanniens Versuch, in den 1970er Jahren der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beizutreten, den Phasen der Verhandlung und der Akzeptanz.
Und doch währte es nicht. Großbritanniens englischsprachige Ausnahmeidentität, natürlich verstärkt durch die geografische Bedingung der Trennung vom europäischen Festland, führte zu einer ganz anderen historischen Erfahrung als die seiner Nachbarn. Während Frankreich und Deutschland noch gute Erinnerungen an großflächige Verwüstungen durch Jahrhunderte von Kriegen haben, sieht Großbritannien, weitgehend unversehrt und unbesiegt, seine Geschichte als die eines Triumphs, dem der Pragmatismus seiner Gegenüber abgeht.
Infolgedessen verblasste das britische Empire, anstatt sich einer Art "Nabelschau" zu stellen. Was bedeutet, dass die britische öffentliche Meinung nie "neu ausgerichtet" wurde und somit weiterhin glaubt, dass Britannien eine Kraft des Guten war. Und das wiederum ermöglichte der politischen Rechten, dieses Selbstbild weiterhin zu ikonisieren. Und genau diese Nostalgie für den Imperialismus hat sich bei vielen in der Konservativen Partei in Form des Brexits manifestiert.
Da der Brexit selbst keinerlei wirtschaftliche Vorteile gebracht hat, hat die Johnson-Regierung versucht, dies zu kompensieren, indem sie auf nationalistische Rhetorik und die Euphorie des "Britannien beherrscht die Wellen" setzt. Der Slogan "Global Britain" ist im Wesentlichen ein Codewort für Empire, die Konnotation eines Landes, das sich von den internen Streitereien der europäischen Politik fernhält, das stattdessen ehrgeizige Handelsvorhaben auf der ganzen Welt verfolgt und versucht, militärisch zu dominieren. Alles im Namen der Moral und der Ideologie der Einzigartigkeit.
Es sollte keine Überraschung sein, dass diese Rhetorik, einhergehend mit der Verschlechterung des britischen Wirtschaftsumfelds, zunehmend schlimmer wird. Die Inflation ist auf einem 30-Jahres-Hoch, die Energiepreise sind außer Kontrolle geraten, COVID-19 hat die Wirtschaft erledigt. Aber noch schlimmer ist, dass die Regierung von Boris Johnson sich zutiefst unbeliebt gemacht hat, nachdem sie von einer Reihe von Skandalen erschüttert wurde und Johnson nach allem zu greifen scheint, mit dem er die Briten davon ablenken könnte.
Ist es vor diesem Hintergrund und angesichts des Konflikts in der Ukraine wirklich verwunderlich, dass Liz Truss donnernd zum Kalten Krieg und möglicherweise sogar zum Heißen aufrufen darf? Dies ist keine Manifestation der Stärke Großbritanniens, so gefährlich diese Kommentare auch sein mögen, sondern eine Zurschaustellung seiner Schwächen. Die derzeitige Regierung hat nichts anderes zu bieten, als an nationalistische und imperialistische Gefühle zu appellieren, indem sie die Möglichkeit eines Krieges mit anderen Großmächten in Betracht zieht und sich gegen China an die historisch offensive Rhetorik im Stil der Opiumkriege anlehnt.
Aber die Realität sieht natürlich anders aus. Truss wird es nicht zugeben, aber nach dem Brexit braucht das Vereinigte Königreich China als wichtigen Wirtschaftspartner. Und natürlich wissen wir alle: Es gibt keine Chance, dass Russland aus der Ukraine vertrieben wird. Angesichts der Tatsache, dass nicht einmal Boris Johnson selbst so entschieden gegen China agiert, scheint es unwahrscheinlich, dass Truss trotz ihrer Position tatsächlichen den Einfluss hat, um ihre Visionen im Alleingang zu verwirklichen.
Obwohl ihre Rhetorik gefährlich sein mag, ist sie bestenfalls leeres Geschwätz, das aus einer zunehmend unbeliebten Regierung dringt, die vor den Kommunalwahlen so viel Lärm wie möglich machen muss. Aber das hindert Truss nicht daran, mit ihren eigenen Ambitionen in Großbritannien die Führung zu übernehmen und dem Land international so viel Schaden wie möglich zuzufügen.
Die Tatsache, dass sich die Außenministerin auf diese Art von Reden reduziert hat, ist ein Sinnbild für die umfassenderen Probleme, mit denen Großbritannien konfrontiert ist. Ein Land, dessen Identität und Bestrebungen chronisch realitätsfremd sind. Großbritannien ist nicht länger eine Projektion des Triumphs, sondern eine des Elends.
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Timur Fomenko ist ein politischer Analyst.