Ein Kommentar von Robert Bridge
Wann wurde das letzte Mal ein westlicher Athlet gesperrt, weil sein Land einen Krieg begonnen hat? Vergangene Woche erteilte die serbische Tennissensation Novak Đoković der Entscheidung von Wimbledon, die Teilnahme russischer Spieler an dem berühmten Rasenturnier auszuschließen, öffentlich eine energische Rüge. Sich selbst als ein "Kind des Krieges" bezeichnend, weil auch er das "emotionale Trauma" des US-geführten 78-tägigen NATO-Bombardements seiner Heimatstadt Belgrad im Jahr 1999 erlebte, nannte Đoković das Verbot russischer Spieler bei dem prestigeträchtigen Tennisturnier kurzerhand "verrückt".
"Ich kann die Entscheidung von Wimbledon nicht unterstützen, ich finde es verrückt", sagte der weltbeste Tennisspieler. "Wenn sich die Politik in den Sport einmischt, ist das Ergebnis nie gut."
Wenn doch nur die Wortführer westlicher Institutionen mit solch einer angeborenen Weisheit gesegnet wären. Dank ihres hohen Grades an Russophobie, gepaart mit einem gehörigen Glauben an die eigene Tugendhaftigkeit, finden sich somit die Russen nun als Opfer institutioneller Diskriminierung wieder, und das nicht nur auf dem Tennisplatz. Von den Olympischen Spielen bis hin zu Schachturnieren werden Inhaber russischer Pässe geächtet, ohne dass sie sich etwas hätten zuschulden kommen lassen.
Die Ausrede für diese Inquisition, wie sie jetzt in den westlichen Hauptstädten zu hören ist, lautet: "Russland hat seinen Nachbarn angegriffen." Für diejenigen unter uns, die ein wenig Kontext in ihren täglichen Nachrichten bevorzugen, ist es jedoch wichtig zu beachten, dass Moskau vor Angriffen der Ukraine auf russischsprachige Menschen im Donbass gewarnt hatte – was der russische Präsident Wladimir Putin als einen faktischen "Völkermord" bezeichnete. Wie vorherzusehen war, ignorierte der Westen Moskaus ernsthafte Bedenken in dieser Angelegenheit – mit all den tragischen Folgen, die sich durch diese Haltung jetzt ergeben.
Während die Meinungen über das Vorgehen Moskaus in der Ukraine heftig auseinandergehen, kann eines nicht bestritten werden: Von der illegalen Invasion von George W. Bush im Irak im Jahr 2003 bis hin zu Barack Obamas militärischem Fehlschuss in Libyen im Jahr 2011 mussten westliche Athleten nie die Schmach der Verbannung aus internationalen Wettbewerben erdulden, etwa allein aufgrund der Militanz ihrer Präsidenten. Manche mögen das seltsam nennen.
Wenn die liberalen Tugend-Verkünder wirklich darum besorgt sind, ihre Legitimation als Pazifisten zur Schau zu stellen, warum haben sie dann nicht die Chance ergriffen, US-amerikanische, britische, australische und andere NATO-Athleten aus der Welt des Sports zu verbannen? Immerhin führte beispielsweise die US-geführte Invasion im Irak zu Tod, Verletzung und Vertreibung von mehr als einer Million Menschen. Die ebenso fehlgeleitete "Intervention" in Libyen, in einem der am höchsten entwickelten Staaten auf dem afrikanischen Kontinent, hat dieses Land praktisch über Nacht wieder in den Status der Dritten Welt katapultiert. Wurden US-Athleten als Strafe dafür von den Olympischen Sommerspielen 2004 verbannt, nachdem das US-Militär ein Jahr zuvor die "Schock und Schrecken"-Bombardierungen gegen das irakische Volk entfesselt hatte? Überhaupt nicht. Tatsächlich verließ das Team USA Athen in jenem Jahr mit den meisten Medaillen (101), gefolgt von China und Russland.
Aber vielleicht wurden wegen des Angriffs auf Libyen, Athleten der NATO-Mitglieder von den Olympischen Sommerspielen 2012 verbannt? Fehlanzeige. Die Krieg führenden Staaten des Westens, wurden nicht nur von den kriecherischen Medien für ihre Taten entlastet, sondern London war auch noch Gastgeber der Sommerspiele. Das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die Royal Air Force – zusammen mit den üblichen westlichen Verdächtigen – ihren Anteil an Raketen auf Libyen abfeuerte und damit half, die Regierung von Muammar al-Gaddafi zu stürzen, obwohl dies nicht das war, was die UN-Resolution Nummer 1973 vorsah. Ähnlich wie die "gescheiterte Geheimdienstarbeit", die 2002 von den USA zur Unterstützung ihrer Militäraktion im Irak vorgebracht wurde, wurde das Anheizen des Krieges in Libyen auf einem Berg von Lügen aufgebaut, wie eine Untersuchung des britischen Parlaments später feststellte.
Doch jetzt, da Moskau das Bedürfnis verspürt, zur Verteidigung seiner "nationalen Sicherheit" zu den Waffen zu greifen, ist die Cancel-Culture-Brigade mit voller Kraft im Einsatz und geißelt die Russen als Aussätzige und Ausgestoßene, die eines internationalen Sportwettbewerbs unwürdig seien. Und die "glücklichen" russischen Athleten, die eine Genehmigung erhalten haben, an Sportwettkämpfen teilzunehmen, müssen dies ohne jede äußere Zeichen ihrer nationalen Identität tun, damit nicht etwa der Anblick einer russischen Trikolore bei den neu konvertierten Kriegshassern Herzrasen verursacht. Der Verband der Tennisprofis unterstützt beispielsweise die Zulassung russischer und weißrussischer Spieler – allerdings nur, wenn sie sich bereit erklären, als staatenlose "Neutrale" anzutreten.
Solche offensichtliche Heuchelei und Doppelmoral gegenüber dem russischen Volk waren ebenso vorhersehbar wie sie abstoßend sind. Nach alledem haben die westlichen Mainstream-Medien ihre Verunglimpfung von Russen längst perfektioniert. Offensichtlich geht es ihrem Journalismus nicht mehr darum, eine Regierung zur Rechenschaft zu ziehen. Vielmehr wird er von den Machthabern und dem Geheimdienstapparat benutzt, um die öffentliche Meinung zu manipulieren und zu einem bestimmten Narrativ hin zu bewegen, normalerweise größtmöglich zulasten Russlands.
Nachdem man das westliche Publikum viele Jahre lang einer unerbittlichen antirussischen Kampagne ausgesetzt hatte, ist es nur noch ein Kinderspiel, das Publikum jetzt davon zu überzeugen, dass es russische Athleten "verdienen", verbannt zu werden.
Was ist also das ultimative Ziel dieser hässlichen Angriffe auf russische Sportler? Sie werden vom Westen als Bauernopfer in seinen Bemühungen benutzt – nicht etwa, um den Krieg zu kritisieren, dessen größte Förderer die westlichen Mächte selbst waren und sind – sondern um Russland über seine Athleten moralischen Schaden zuzufügen. Gemessen an der Unterstützung, die Wladimir Putin inzwischen bei den Russen genießt, scheinen diese Bemühungen jedoch weiterhin ihr Ziel zu verfehlen, während sie gleichzeitig schonungslos aufzeigen, wie heuchlerisch der Westen wirklich ist, wenn es um den Umgang mit Moskau geht.
Was auch immer der Fall sein mag, die Welt des Sports – jetzt ganz auffällig einer der größten Sportnationen der Erde beraubt – ist der größte Verlierer westlicher Doppelmoral und Heuchelei. Es ist eine Tragödie, dass der Sport es zuließ, dass Politiker so rücksichtslos auf dem Feld der Träume herumtrampeln.
Übersetzt aus dem Englischen
Robert Bridge ist ein US-amerikanischer Schriftsteller und Journalist. Er ist Autor von "Midnight in the American Empire", Wie Konzerne und ihre politischen Diener den amerikanischen Traum zerstören. Er twittert unter @Robert_Bridge
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