Von Susan Bonath
"Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken." Was Karl Marx und Friedrich Engels bereits 1845 niederschrieben, gilt offensichtlich noch heute. Dass schon die Kinder diese Gedanken verinnerlichen, dafür sorgt der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Dafür greift er schon mal in die Trickkiste der von ihm selbst so gern angeprangerten Fehlinformationen.
Um den Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine tobt eine Propaganda-Schlacht. Die westlichen Leitmedien, darunter die deutschen, blenden konsequent die Vorgeschichte aus: das jahrzehntelange Vorrücken der NATO in Europa gen Osten entgegen früherer Absprachen, den 2014 in der Ukraine von Rechtsextremisten gewaltsam forcierten Putsch, fortgesetzte Repressionen gegen den russischsprachigen Teil der ukrainischen Bevölkerung, den acht Jahre währenden Beschuss der Donbassrepubliken Donezk und Lugansk mit Tausenden Opfern, die Nichteinhaltung der Minsker Abkommen durch die ukrainische Regierung, deren Drohung mit NATO-Beitritt und Atomwaffen und die Integration des offen faschistisch mit SS-Runen auftretenden Asow-Bataillons in die ukrainische Armee – zum Beispiel.
Die Geschichte in der Leitpresse ist eine andere und geht verkürzt so: Russlands Präsident ist ein Teufel, der aus reiner Kriegslust und Annexionseifer die Ukraine überfallen hat. Und genau so bringt es der Kinderkanal (KiKA), der den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF unterstellt ist, schon den Jüngsten bei – in einer als Bildungsfernsehen getarnten Sendung.
KiKA-"Checker" checkt "vereinfacht" – heraus kommen Fake News
So erzählte ein sogenannter "Checker Tobi" in der KiKA-Sendung CheX Spezial bereits am 10. März sinngemäß folgende Story: Der russische Präsident Wladimir Putin habe am 24. Februar seine Truppen in die Ukraine geschickt "und ihnen befohlen, das Land anzugreifen und zu besetzen". Dann entschuldigt sich Moderator "Tobi" vorab: Die ganze Geschichte sei "ziemlich kompliziert", und man könne sie in diesem Video nicht unterbringen. Um dann (ab Minute 3:13) wörtlich anzuschließen:
"Vereinfacht gesagt: Putin möchte, dass die Ukraine zu Russland gehört und Russland dadurch noch größer und mächtiger wird."
Der russische Präsident habe den Angriff befohlen, obwohl das ukrainische Staatsoberhaupt Wladimir Selenskij, der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden zuvor versucht hätten, "mit Putin zu sprechen und eine friedliche Lösung zu finden". Putin aber sei bei seiner Entscheidung geblieben. Dann untermauerte Moderator "Tobi" seine bisherige Darstellung mit den Worten:
"Und jetzt versucht er eben gewaltsam, das Land an sich zu reißen."
Das ist schlicht und ergreifend gelogen. Zu keiner Zeit hat die russische Regierung eine Absicht geäußert, die gesamte Ukraine an Russland anzugliedern, um ihr Land weiter zu vergrößern. Sie betonte vielmehr, den mit Waffengewalt von der ukrainischen Armee und den Asow-Truppen terrorisierten Menschen in den Donbass-Republiken zu helfen. Sie wolle die Ukraine entwaffnen und von bewaffneten Neonazis befreien.
Insbesondere das Kapitel Rechtsextremismus kommt in der deutschen Presse, anders als vor dem Krieg, kaum mehr vor. Dabei reicht dieser bis weit in die aktuelle Regierung des Landes hinein. Schon vor dem Putsch am Maidan vor über acht Jahren hatte die Ukraine als Pilgerstätte für Neonazis aus ganz Europa gegolten. Es existieren unzählige Fotos von Konzerten, auf denen Hakenkreuzflaggen und SS-Symbole geschwenkt wurden. Bekannt ist auch der Kult um Stepan Bandera, der einst mit der deutschen SS kooperiert und sich die Säuberung der Ukraine von Juden, Russen und Polen zum Ziel gesetzt hatte. Das alles ist aus den deutschen Medien weitgehend verschwunden, und auch der KiKA blendet es komplett aus.
KiKA beruft sich auf "journalistische Standards"
Kinder in Schulen und anderen staatlichen Einrichtungen politisch zu indoktrinieren, ist in Deutschland eigentlich untersagt. Geregelt ist das im sogenannten Beutelsbacher Konsens. Darin heißt es beispielsweise, es sei "nicht erlaubt, den Schüler – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der Gewinnung eines selbständigen Urteils zu hindern". Dort verlaufe "die Grenze zwischen politischer Bildung und Indoktrination".
Überrumpelt werden könnten Schüler auch durch Weglassen bestimmter Informationen oder Standpunkte. Schüler seien nämlich in die Lage zu versetzen, "eine politische Situation und die eigene Interessenslage zu analysieren".
Die Autorin bat den KiKA um Stellungnahme zu den Widersprüchen zwischen der Realität und den Aussagen in der Sendung sowie zwischen letzteren und dem Beutelsbacher Konsens. Pressesprecherin Tina Hertzer antwortete zwar per E-Mail, ging aber auf die angesprochene Problematik nicht ein. Sie übermittelte vielmehr Allgemeinplätze, die mit der konkreten Fragestellung nichts zu tun haben:
"Öffentlich-rechtliches Kinderprogramm hat auch den Auftrag, seine Zielgruppe über aktuelle Geschehnisse zu informieren und eine kindgerechte Einordung zu ermöglichen. Dies wird in vielen Formaten und Sendungen realisiert, so auch in der Web-Show 'CheX!', auf die sich Ihre Anfrage bezieht. Basis dafür ist, wie bei allen öffentlich-rechtlichen Programmangeboten, eine gewissenhafte Recherche auf Grundlage aller journalistischen Standards sowie auch der Informationen unserer Korrespondentinnen und Korrespondenten vor Ort."
Als "gewissenhafte Recherche auf Grundlage aller journalistischer Standards" können die genannten Inhalte der "Bildungs"-Sendung allerdings kaum bezeichnet werden. Man könnte es einfach als das benennen, was es ist: Indoktrination von Kindern auf NATO-Linie durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland.
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