von Scott Ritter
Während der Amtszeit von Donald Trump stand die Denuklearisierung Nordkoreas ganz oben auf der Liste der außenpolitischen Prioritäten der USA. Unter Joe Biden wurde das nordkoreanische Problem in den Hintergrund gedrängt. Der jüngste Test einer ballistischen Interkontinentalrakete (ICBM), die in der Lage sein soll, Ziele in den USA zu treffen, zeigt, wie töricht es ist, die Diplomatie schleifen zu lassen.
Nordkoreas letzter Flugtest am 24. März einer selbst hergestellten Interkontinentalrakete ist eine deutliche Erinnerung daran, dass die Welt außerhalb Europas ein sehr gefährlicher Ort bleibt und noch gefährlicher werden kann, selbst wenn die internationale Gemeinschaft mit den Folgen von Russlands "Sonderoperation" in der Ukraine ringt.
Der Start der Hwasong-17-ICBM, die erstmals im Oktober 2020 auf einer Militärparade in Pjöngjang und ein zweites Mal im Oktober 2021 auf einer Verteidigungsausstellung der Öffentlichkeit präsentiert wurde, stellt einen dramatischen Sprung in der militärischen Leistungsfähigkeit Nordkoreas dar.
Der Test, bei dem eine mobile Abschussvorrichtung auf einem Gelände in der Nähe des internationalen Flughafens von Pjöngjang aus eingesetzt wurde, zeigte eine Flugbahn, auf der die Rakete nach Angaben nordkoreanischer Medien in 67 Minuten 1.090 Kilometer weit flog und eine Höhe von rund 6.250 Kilometern erreichte, bevor sie ihr beabsichtigtes Ziel im Pazifik vor der Küste Japans genau traf.
Mit den Flugparametern des Raketentests hätte die Hwasong-17 eine nachgewiesene Reichweite von knapp 15.000 Kilometern (9.320 Meilen) – mehr als genug, um ein beliebiges Ziel auf dem US-amerikanischen Festland zu treffen.
Berichten zufolge überwachte Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un persönlich den Start der Hwasong-17 – eine Rakete, die nach seinen Angaben aufgrund der "Unvermeidbarkeit der langjährigen Konfrontation mit den US-Imperialisten, begleitet von der Gefahr eines Atomkriegs", entwickelt wurde. Nach Angaben der staatlichen Medien seines Landes ist die Rakete in der Lage, mehrere Atomsprengköpfe zu tragen, sie entspreche "genau den Konstruktionsanforderungen" und sei für "unter Kriegsbedingungen einsatzbereit" erklärt worden.
Dem Test waren eine Reihe von Raketenstarts vorausgegangen, die offenbar mit der Erprobung einzelner Komponenten in Vorbereitung auf die vollständige Erprobung der Rakete verbunden waren. Bei diesen Tests wurde die Hwasong-17 als Trägerrakete für den Start von militärischen Aufklärungssatelliten verwendet und erreichte zwar nicht ihre volle mögliche Reichweite, doch konnte dadurch ihr Antriebssystem sowie ihre Fähigkeit, eine Nutzlast mit Präzision im Weltraum abzusetzen, bestätigt werden – beides wesentliche Voraussetzungen für eine einsatzfähige Interkontinentalrakete.
Nach vier Jahren beispielloser, aber letztlich erfolgloser direkter Gespräche mit der Trump-Administration und Präsident Trump persönlich ist es Nordkorea nicht gelungen, mit der Biden-Administration eine nennenswerte diplomatische Annäherung zu erreichen. Im Rahmen der inzwischen ins Stocken geratenen Denuklearisierungsgespräche hatte Nordkorea 2018 ein selbst auferlegtes Moratorium für die Erprobung von Langstreckenraketen beschlossen.
Die wichtige Erkenntnis aus dem Test der Hwasong-17 ist nicht, dass Nordkorea sich auf einen Krieg vorbereitet, sondern dass es versucht, ein Umfeld zu schaffen, in dem eine diplomatische Lösung für die anhaltende Pattsituation mit dem Westen wieder Vorrang haben kann. In der bereits erwähnten Rede zum Jahresende im Dezember betonte Kim nicht die militärische Stärke, sondern vielmehr die innere Schwäche, und räumte zum ersten Mal ein, dass sein Land unter akuter Nahrungsmittelknappheit leidet. Angesichts der verheerenden Überschwemmungen, die die nordkoreanische Reisproduktion lahmgelegt haben, schätzt die UNO, dass das Land ein Nahrungsmitteldefizit von fast 860.000 Tonnen (780.179 Tonnen) hat, das nur mit internationaler Hilfe gedeckt werden kann.
Wenn die einzige Reaktion der USA und des Westens auf den Test der Hwasong-17 eine weitere Runde von Wirtschaftssanktionen ist, könnte Nordkorea keine andere Wahl haben, als die Dinge weiter eskalieren zu lassen, höchstwahrscheinlich in Form von erneuten Atomwaffentests. Das Hauptproblem ist heute nicht die nordkoreanische Kriegslust, sondern die mangelnde Weitsicht der USA, da sie die Chance nicht nutzen, die sich durch die maßvolle Provokation Pjöngjongs bietet.
Übersetzt aus dem Englischen.
Scott Ritter ist ein ehemaliger Offizier für Aufklärung der US-Marineinfanterie und Autor von "SCORPION KING: America's Suicidal Embrace of Nuclear Weapons from FDR to Trump". Er diente den USA in der Sowjetunion als Inspektor für die Umsetzung der Auflagen des INF-Vertrags, im Zweiten Golfkrieg im Stab von General Norman Schwarzkopf und war danach von 1991 bis 1998 als Waffen-Chefinspekteur bei der UNO im Irak tätig.