von Bernhard Loyen
Im Jahre 2006 schrieb der Spiegel-Autor Markus Feldenkirchen seinen ersten Artikel über den Politiker Karl Lauterbach. Nun durfte er den aktuellen Gesundheitsminister für die ARD "begleiten durch die aufreibende Zeit seit Übernahme des Ministeramtes". Das Ergebnis ist eine knapp einstündige Dokumentation. Der Titel lautet: "Konfrontation: Markus Feldenkirchen trifft Karl Lauterbach." In Feldenkirchens Artikel aus dem Jahr 2006 ist nachzulesen, bezugnehmend auf einen Talkshow-Auftritt Lauterbachs, wie er einen jungen Arzt schwer attackierte: "Später wird er sagen, dass der junge Arzt an diesem Abend 'ganz schön viele Stockhiebe empfangen hat', aber dass er selbst daran schuld sei, weil er vor seinem Chef in die Knie gehe und in der Sendung schlecht argumentiert habe. So wie Herrn Steinfeld geht es vielen, die mit Karl Lauterbach zu tun haben:
"Er (Lauterbach) hat sich geschworen, nicht mehr zu kuschen und zu schweigen (...). Er möchte nur noch die Wahrheit sagen – oder das, was er dafür hält. Er möchte die Systemfrage stellen. Es sind keine guten Voraussetzungen, um in Deutschland Politik zu machen."
Die aktuelle ARD-Dokumentation startet mit dem Thema Ukraine. Lauterbach "glaubt", dass seine Mutter (87), wie auch er, Angst vor dem Krieg habe,
"im Sinne, dass sie nicht die Angst für sich selbst spürt, sondern sie Angst hat um ihre Enkel. Ich habe Angst um meine Kinder".
Worauf sich die Angst gründet, erfragt der Spiegel-Autor nicht. Minuten später erklärt Lauterbach auf die Frage, wie groß "die Sorge" bei ihm sei, dass der Krieg "auch nach Deutschland" komme, dass er diese Gefahr als "sehr unwahrscheinlich" einschätze, "weil ich es für sehr klar abgrenzbar halte, was da geschieht. Die NATO wird sich nicht beteiligen, es ist auch keine Beteiligung der NATO in absehbarer Zeit zu befürchten".
Ist Lauterbach auch im Bereich der Außenpolitik ein Fachmann? Über den ehemaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder hat Lauterbach eine zumindest aufschlussreiche eigene Meinung zu verkünden:
Dann der fließende Themenwechsel, also der Übergang zur Coronakrise. Der Minister "glaube", dass die steigenden Coronazahlen auch mit dem Krieg zu tun hätten, denn
"die Menschen konzentrieren sich jetzt auf den Krieg und haben den Eindruck Corona gibt es nicht mehr".
"Es wirkt, als verzweifele Lauterbach an seinen Mitmenschen mal wieder", so der Spiegel-Autor als begleitende Off-Stimme in der Dokumentation. Lauterbach zeigt sich unzufrieden hinsichtlich der Organisation seines neuen Übergangsbüros zu Jahresbeginn. Das Problem, dass sein Büro vorerst – als Übergangslösung aufgrund von Renovierungen im Bundesgesundheitsministerium (BMG) – fünf Kilometer vom BMG entfernt eingerichtet wurde, erklärt der "Feldherr" Lauterbach (Feldenkirchen-Zitat) dem Spiegel-Autor so:
"Das ist hier vergleichbar mit einer Situation, wie wir sie gehabt haben im 1. Weltkrieg, dass die genau alle 20 km hinter der Front sind, das kann nicht funktionieren."
Es wird die Titelseite der FAZ vom 13. Januar 2022 eingeblendet. Die Schlagzeile lautete "Nur mit Impfpflicht ist Belagerungszustand zu beenden" Wie sieht es denn generell mit der Glaubwürdigkeit oder der Halbwertszeit von Lauterbachs Äußerungen in den zurückliegenden zwei Jahren aus, in der prägenden Phase seines unerwarteten Karriereschubs? Im Mai 2020 twitterte Lauterbach den folgenden Text:
"Bei 70% freiwilliger Impfung kommt Pandemie zum Stillstand. Das ist bei gutem Impfstoff zu erreichen. Bei den Risikogruppen wird Bereitschaft noch höher sein. Jetzt Impfpflicht zu fordern, ist medizinisch fragwürdig, es verunsichert. Kein Virologe tut das."
Am 14. Oktober 2021 erklärt Lauterbach in der ZDF-Talksendung Maybrit Illner: "Eine Impflicht gibt es aus politischen und epidemiologischen Gründen nicht." In der gleichen Woche im Oktober 2021 ein ähnliches Statement:
"Eine Impfpflicht können wir nicht durchsetzen, also zum einen haben wir versprochen, dass es keine Impfpflicht gibt, dann muss man sich als Staat auch daran halten."
Schon im Mai 2020 hatte Lauterbach eine mittlerweile dissidente Eingebung: "Eine Impflicht macht bei SARS-CoV-2 so wenig Sinn wie bei Grippe. Wenn die Impfung gut wirkt, wird sie auch freiwillig gemacht. Dann (ist) keine Impflicht nötig. Wenn sie viele Nebenwirkungen hat oder nicht so gut wirkt, verbietet sich Impflicht. Daher nie sinnvoll." Müsste sich mit den mittlerweile vorliegenden Erkenntnissen eine Impfpflicht aktuell daher eigentlich nicht eher "verbieten"?
Die Welt meldete im Jahre 2021: "SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach lehnt eine Impfpflicht für Pflegekräfte ab." Üblicherweise, so der Spiegel-Autor in der Dokumentation, "informieren die Mitarbeiter einen Minister", bei Lauterbach sei das dagegen so, "als briefe der Minister seine Mitarbeiter".
Es folgt ein Rückblick auf seine Bundestagskarriere. Die Stimme aus dem Off spricht im Beitrag weiter:
"Von Beginn an [in] seiner Zeit als frisch gewählter SPD-Abgeordneter ging Lauterbach seinen Kollegen gehörig auf den Keks. Er ließ sie spüren, dass er sich für den schlauesten Fuchs weit und breit hielt. Und das System verweigerte dem arrogant wirkenden Eindringling die erwünschten Posten und Listenplätze."
Ein ehemaliger interner SPD-Konkurrent um die begehrte Listenplätze für Bundestagswahlen umschreibt Lauterbach als jemanden, der kein "Kumpeltyp, kein Teamplayer sei". Zu Beginn des Spiegel-Beitrags sitzen sich Autor Feldenkirchen und Lauterbach an einem Tisch in einem dunklen Studio gegenüber. Der Mann vom Spiegel weist den Minister daraufhin, dass er die Chance hätte auf den schwarzen Buzzer auf dem Tisch zu drücken, sollten ihm Inhalte der "Konfrontation" nicht zusagen, er sie korrigieren möchte. In dieser Sekunde drückt Lauterbach das erste Mal auf den Buzzer. Er kein Teamplayer? Seine Darlegung:
"Wenn man ihn hier so reden hört, den Kollegen, dann kann man sich fragen, wieso hat er dann gegen mich verloren. Ich hatte ein Team am Start und ohne Team wird man nichts und die Niederlage, die er damals hinnehmen musste, die er offensichtlich noch nicht verschmerzt hat, Jahre später, die hatte auch mit dem besseren Team zu tun."
Bei einer dann folgenden Einschätzung des SPD-Kollegen Jens Singer drückt Lauterbach nicht den Buzzer, er hämmert geradezu drauf und sagt: "unglaublich." Der Satz, der den Minister aus der Reserve lockte, lautete: "Ich vermute mal, dass die meisten Politiker auch immer ein Stück weit Ich-AG sind, aber bei Karl Lauterbach ist das wirklich extrem ausgebreitet." Lauterbachs Erklärung für diese kurze ehrliche, wenig souverän wirkende Reaktion:
"Na ja, es spricht für sich, aber wir machen einfach weiter, das ist es nicht wert, das ist es nicht wert."
Die Dokumentation fährt fort, untermalt mit weichen Piano-Klängen und der Off-Stimme von Feldenkirchen:
"...endlich Zeit für wissenschaftliche Studien. Lauterbach liest sie so begeistert, wie andere Liebesromane. Gerade hat er eine Studie zu Viren in Fledermäusen auf dem Tisch. So etwas verzückt ihn. Er ist so auf Inhalte fokussiert, dass ihm das, was für viele das Leben versüßt, egal ist. Ambiente zum Beispiel. In seinem kahlen Büro gucken noch die Dübel aus der Wand, mit denen Jens Spahn seine Kunst befestigt hatte, wie nach einer schlampigen Wohnungsübergabe."
Hieß es nicht zu Beginn der Dokumentation, das Büro sei eine Übergangslösung? Lauterbach buzzert nicht und nickt Feldenkirchen zustimmend lächelnd zu. Beide sind anscheinend zufrieden. Feldenkirchen darf mit dem Minister auch essen gehen, allein mit ihm an einem Tisch sitzen. Es hätte die Chance gegeben, wie es der Minister anscheinend ansonsten laut der Dokumentation auch macht, sich das Essen ins Büro zu bestellen, aber dann wären die Bilder nicht so schön geworden. Der Zuschauer hätte zudem verpasst, dass Lauterbach beim Kellner seine "Spaghetti Gamberoni" stockend, aber bemüht italienisch "sensa sale" (ohne Salz) bestellen kann. Ein weltgewandeter Minister, "der Tristesse entfliehend".
"Fest überzeugt" sei Lauterbach in der "spannenden Frage", ob es wichtig sei, dass "ein Minister sich in seinem Fach auskennen müsse". Es sei ein Minister, der "die Dinge genau versteht". Andere Minister würden dasitzen und denken, "wenig sagen, schlau wirken". Er sei dagegen der "Daten- und Informations- und Versteh-Freak". Beim Thema, ob die Politik den Empfehlungen der Wissenschaft folgen solle, kommt es zu der mittlerweile sehr kontrovers wahrgenommenen Äußerung über Wissenschaftskollegen. Die Reaktionen in den sozialen Medien zeigen Entsetzen bis Befremden.
Der Chefredakteur der Welt twittert: "Gibt es noch weitere Länder, in denen der Gesundheitsminister öffentlich Wissenschaftler diskreditiert? Oder hat Deutschland auch diesbezüglich einen Sonderweg eingeschlagen?" Lauterbach verglich die beiden Virologen Christian Drosten und Klaus Stöhr. Für ihn ein qualitativer Unterschied wie der zwischen dem FC Bayern München, also Drosten, und dem FC St. Pauli, also Stöhr. Stöhr war allerdings immerhin bei der WHO langjähriger Leiter des Influenzaprogramms und beschäftigt sich intensiv mit dem Weg Deutschlands in der Pandemiebekämpfung. Drosten dagegen ist der auserkorene und prämierte Darling von Politikern wie auch Medien. Der attackierte Wissenschaftskollege reagierte ebenfalls per Twitter:
Die persönliche Erfahrung einer Fehldiagnose in jungen Jahren hätte bei Lauterbach das Interesse für die Medizin geweckt. Das Thema hieß Knochenkrebs. Jahrzehnte später schreibt Lauterbach im Jahre 2015 ein Buch zum Thema Krebs. Der Titel lautet "Die Krebs-Industrie – Wie eine Krankheit Deutschland erobert". Lauterbach behauptet laut dem Klappentext, es werde der "Krebs in den nächsten Jahren zu einer unserer größten Herausforderungen – menschlich wie gesundheitspolitisch". "Fast jeder zweite Deutsche wird im Alter betroffen sein, Wissenschaftler gehen von 40 Prozent mehr Krebsfällen bis 2030 aus", so nachzulesen beim Verlag.
2016 belegte die Statistik rund 492.000 Krebsdiagnosen in Deutschland. Die Realität, zumindest für die Jahre danach? Die Seite Krebsdaten.de informiert im Jahr 2021: "Neuerkrankungen leicht rückläufig. Damit liegen die Fallzahlen für Krebs insgesamt seit 2007 kontinuierlich knapp unter 500.000, mit verhältnismäßig geringen Schwankungen." Die Krebssterberate ist laut der Seite zwischen 1999 und 2018 um 19,8 Prozent rückläufig.
Die Coronakrise ermöglicht nun Lauterbach, von einer der diversen nachweislichen Fehlprognosen über die Jahre abzulenken. Im März 2022 twittert Lauterbach: "Rekordzahl der Infizierten. Long COVID-Gefahr für mehr Menschen als je zuvor." Bei einer Rede im Bundestag, ebenfalls im März 2022, weiß Karl Lauterbach jetzt schon:
"Long COVID wird zu den wichtigsten chronischen Erkrankungen in Deutschland gehören, und zwar insbesondere auch bei denjenigen der mittleren Lebensphase."
Ob Lauterbach sich erneut geirrt hat – ob bewusst oder mit Kalkül –, werden die kommenden Jahre zeigen. Die häufige Ungenauigkeit der Aussagen, die anstandslos von einem Großteil der deutschen Medien akzeptiert und dementsprechend kolportiert werden, kann gelinde formuliert nur irritieren. So auch ein Beispiel zum selben Thema aus dem jüngsten Live-Interview mit der Bild-Zeitung – versehentlich geirrt oder bewusst getäuscht:
In dem Spiegel-Beitrag folgt ein weiterer Beleg für die wirre Gedankenwelt des Karl Lauterbach, die dankenswerterweise eine mehr als entlarvende Widerspiegelung offenbart. Zu dem Thema, warum er über die Wissenschaft zur Politik gekommen sei und nicht wie beabsichtigt "Chirurg" wurde, legt Lauterbach dar, dass er "schon sehr früh in den USA" (laut Biografie Ende der 1980er Jahre) Fehler im Krankenmanagement erkannt hätte. "Das System war schlecht", so Lauterbach. Er hätte Operationen am Herzen assistiert, die durch Rauchen und schlechte Ernährung indiziert waren. Seine Schilderung in der Dokumentation:
"Wir operierten da nur an Leuten, die bei besserer Vorbeugung nie hätten operiert werden müssen … wir operierten an Schusswunden, also die unnötig gewesen waren, Messerstiche waren sehr häufig, eigentlich war das meiste, was wir operierten über den ganzen Tag hinweg, vermeidbar gewesen."
Diese Erfahrungen hätten seinen Beschluss bestärkt, "Vorbeugemedizin zu machen". Aufgrund der Erfahrungen mit Schussverletzungen und Messerstichen? Es wird auf den Moment eingegangen, als die Bild-Zeitung Lauterbach über Tage als "Panik-Minister", "Angst-Minister" und "Licht-Ausmacher am Ende des Tunnels" betitelte. Lauterbach empfindet dies als Kampagnen-Journalismus. Der Spiegel-Autor fragt im Anschluss an diese Sequenz dann, welche Talkshow denn aktuell das beste Büfett vorweisen könne. Kampagnen-Journalismus? In einer Folgesequenz zum gleichen Thema drückt Lauterbach erneut den Buzzer. Die Welt-Chefreporterin Schneider betitelte ihn als "Reizfigur", die nie aufhöre, "Panik zu machen". Lauterbach kritisiert:
"Also, das ist etwas, das mich stört, wenn mir vorgeworfen wird, dass ich Panik mache. Ich beschreibe immer, meistens mit Zahlen, wie die Lage ist. In der Funktion, in der ich bin, muss ich Ross und Reiter nennen, und komme dann immer, das ist das Entscheidende, mit Vorschlägen."
Keine Panik, keine Angstmache? Äußert der Minister Vorschläge oder Forderungen? In der Talk-Sendung Chez Krömer des RBB erklärte Lauterbach dem eher jungen Zielpublikum: "Für Jemanden, der Epidemiologe ist (ist er das?), ist im politischen Geschäft die Warnung eine weit verbreitete Währung." Beispiele des Twitter-Alarmsystems des Ministers:
- April 2021: "Auch mir sind die Grundrechte wichtig. Sie werden vorübergehend eingeschränkt, um Menschenleben zu retten. Das darf der Bundestag. Wenn jetzt viele Kinder ihre Eltern verlieren und selbst krank werden, MÜSSEN wir handeln.
- Oktober 2021: "Es gibt Kritik an Aussage, dass ein schwerer COVID-Verlauf Alterungsprozess beschleunigen könnte. Hatte dazu Studie gepostet, es gibt viele, hier noch eine. Darf man das nicht? Macht es Angst? Muss man 5 Jahre abwarten bis Frage endgültig geklärt ist?"
- November 2021: "Inzwischen zeigen viele Studien, dass und wie COVID das Gehirn beschädigen kann. Es gibt mehr Hinweise, dass COVID ähnlich wie Herpes-Viren das Risiko der Alzheimer-Demenz erhöht."
"In Deutschland reicht es nicht, den Ungeimpften auf die Nerven zu gehen, da muss man mehr tun. Ich bin ein ganz klarer Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht."
Sowie der mittlerweile ungekrönte Klassiker aus dem Oktober 2021:
Zum Thema Impfpflicht geht der Spiegel-Autor nicht auf die zurückliegenden widersprüchlichen Aussagen des Ministers ein. Lauterbachs Darlegung, also Wahrnehmung, im März des Jahres 2022:
"Was soll ich denn sonst sagen? Ich bin der Minister für alle? Ja, natürlich bin ich das, aber als Minister muss ich parteiisch sein, weil in einer Pandemie, wo wir alle davon abhängig sind, dass die Bevölkerung sich impfen lässt – weil: wenn man sich nicht impfen lässt, das ist ja keine Privatentscheidung, sondern damit gefährde ich ja auch andere –, da muss der Minister ganz klar stehen. Und wenn das die Spaltung ist, dann muss man auch ganz klar sagen: das ist ja eine kleine Gruppe, die sich nicht impfen lassen will – vielleicht zehn Prozent, und 90 Prozent wollen sich impfen lassen."
Die Fragen, die sich unmittelbar stellen, aber vom Minister Lauterbach niemals beantwortet werden (ausgehend von den Erfahrungen des Autors mit Anfragen im Büro Lauterbach oder beim BMG), lauten:
- Muss ein Minister parteilich sein oder sollten die individuellen Wahrnehmungen der Bevölkerung zumindest in der Diskussion und Lösungsfindung wahrgenommen werden?
- Stellt eine Impfung für den Minister keine Privatentscheidung dar?
- Gefährdet der Ungeimpfte vermeintlich mehr als der Geimpfte?
- Ist das eine kleine Gruppe von zehn Prozent? Oder eher 23,6 Prozent?
- Haben sich die 76,4 Prozent der Bürger mit einer Erstimpfung ALLE freiwillig impfen lassen oder haben sie sich zum großen Teil schlicht einem politischen Druck gebeugt, in Bezug auf massive Einschränkungen, Drohungen und Maßnahmen, bis hin zur drohenden Arbeitslosigkeit?
Die Off-Stimme der Dokumentation resümiert gegen Ende des Beitrags überraschend pointiert:
"Lauterbach hält dagegen. Er sagt immer genau das, was er [sic!] für richtig hält, versucht gar nicht erst eine Brücke zu bauen, um des lieben Friedens willen. Auch wegen seiner Penetranz wurde er zur Reizfigur Nummer eins."
Und dann blitzt im Finale zum Thema Impfpflicht die ganze Abgehobenheit des Karl Lauterbach im dunklen Studioraum auf, glänzt der Minister mit einer weiteren Aussage für die Archive, mit einer vollkommen deplatzierten und unangemessenen Arroganz in der Formulierung. Der Spiegel-Journalist stellt im Zuspiel die Frage: "Ist die Impfpflicht wirklich eine Kategorie, die über 'guter Mensch, böser Mensch' entscheidet?" Lauterbachs Antwort darauf lautet:
"Nein, nicht immer. Wenn ich jetzt beispielsweise – also bei der Impfpflicht – nicht mitgehe, weil ich beispielsweise die Impfungen nicht richtig bewerten kann, und glaube, dass die Impfungen nicht wirken oder dass die Impfungen gefährlicher sind als die Pandemie, dann kann es sein, dass ich tatsächlich nicht der Hellste bin, aber darum bin ich automatisch kein schlechter Mensch …
Es gibt aber auch Leute, die tatsächlich rücksichtslos sind, die einfach selbstgerecht sind, die sich gar nicht genau informieren und vom Hören und Sagen etwas machen und die sich selbst und andere nicht schützen wollen. Und da ist es tatsächlich dann auch eine Charakterfrage. Somit gibt es Charakterprobleme, es gibt da auch Probleme, da sind wir in der Pflicht."
Sollte ein Inhaber wichtiger politischer Posten so reduziert differenzieren, in Zeiten einer dermaßen konträren und wichtigen gesellschaftlichen Diskussion, um gleichzeitig aus seinem Elfenbeinturm heraus – für viele Menschen nicht nachvollziehbar – schlicht arrogant abwertend zu richten?
Am 30. März 2022 verkündete Stern-TV, dass der Minister sein neues Buch vorstellt:"Bevor es zu spät ist – Karl Lauterbach: Was jetzt gegen den Klimawandel getan werden muss". Die Anmoderation lautet so:
"Die zentrale Botschaft des Politikers lautet: Es ist sehr hilfreich, wenn verantwortliche Politiker einen wissenschaftlichen Hintergrund haben, um Erkenntnisse aus der Wissenschaft einordnen und in ihr politisches Handeln einfließen lassen zu können."
Löst Karl Lauterbach demnächst also auch noch die Umweltministerin Steffi Lemke ab? Belegt die Biografie des Karl Lauterbach einen "wissenschaftlichen Hintergrund" zum Thema seines neuen Buches? Eindeutig nein, aber er kann das. Er darf das.
Warum dieser Mensch Karl Lauterbach seit Monaten nahezu Narrenfreiheit genießt, politisch wie auch größtenteils medial, und warum er anscheinend zudem keinerlei Konsequenzen in Bezug auf seine zweifellos diskussionswürdigen Äußerungen zu unterschiedlichsten Fachbereichen zu fürchten hat, wird dieses Land wohl zukünftig noch aufarbeiten zu haben.
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