von Susan Bonath
Die Regierung plant zum Beginn des Frühlings eine Lockerung der Corona-Maßnahmen. Doch der viel beschworene "Freedom Day" wird daraus wohl für Millionen Menschen nicht: Kindergarten- und Schulkinder, Senioren in Pflegeheimen und Menschen, die keine COVID-19-Impfung wollen, müssen wohl weiterhin unzählige Schikanen über sich ergehen lassen. Die sogenannte 3G-Regel für viele öffentliche Bereiche scheint der Ampel-Koalition heilig zu sein. In Kindergärten und Schulen wollen die führenden Politiker nicht darauf verzichten. Auch in Bus und Bahn sowie am Arbeitsplatz könnte sie bestehen bleiben. Eine weitergehende Impfpflicht ist auch noch nicht vom Tisch.
Test- und Maskenpflicht soll für Kinder weiter gelten
Inzwischen hat das Coronavirus wohl beinahe jede Schule und jeden Kindergarten schon durchlaufen. Für die meisten Kinder ist Corona eine Erkältung, viele bekommen nicht einmal Symptome. Dass für gesunde Kinder keine nennenswerte Gefahr besteht, sollte sich nach zwei Jahren mit dem Coronavirus herumgesprochen haben. Dennoch sind die Jüngsten seit Pandemie-Beginn am heftigsten von den Maßnahmen betroffen. Das wird sich im Frühjahr kaum ändern.
Wie Andreas Deffner, Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), auf Anfrage mitteilte, berät die Koalition noch immer zu den genauen Regeln, die nach dem 20. März weitergelten sollen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe allerdings "wiederholt betont, dass es mehr braucht als Masken und Tests, um weiter gut durch die Pandemie zu kommen", erklärt Deffner vage. Das sähen auch die Ministerpräsidenten der Länder so.
Fest steht inzwischen: Kinder in Kindertagesstätten und Schulen bleiben weiterhin zu mehreren Tests pro Woche verpflichtet. Bis Freitag galt fast überall die tägliche Testpflicht für ungeimpfte Kinder, ab Montag müssen sie die Prozedur dreimal pro Woche über sich ergehen lassen. Auch ein Ende der Maskenpflicht ab dem Grundschulalter ist nicht in Sicht. Deffner stellte klar:
"Aus Sicht der Länder zählen hierzu (Anm. d. Autorin: zu den Schutzmaßnahmen) insbesondere Maskenpflichten in geschlossenen Räumen von Publikumseinrichtungen sowie Bussen und Bahnen, das Abstandsgebot, allgemeine Hygienevorgaben, die Möglichkeit, in bestimmten Bereichen Testerfordernisse vorzusehen sowie die Pflicht zur Nachweisführung des Impf-, Genesenen- und Teststatus. Diese Möglichkeiten sind auch für Schulen und Kindertageseinrichtungen notwendig."
Kein Ende von 3G in Bus, Bahn und Job?
Besonders belastet sind auch ungeimpfte lohnabhängig Beschäftigte. Seit Monaten müssen sie am Arbeitsplatz täglich ein negatives Schnelltestergebnis vorweisen. Auch wer auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen ist, benötigt ein solches von einem Testzentrum, einem Arzt oder einer Apotheke. Zum Problem wird das insbesondere für Menschen ohne Auto in Dörfern, wo es keine Teststationen gibt. Deffners Aussage zufolge scheint es jedoch nicht so, als ob die Regierung diesem Umstand durch Erleichterungen Rechnung tragen will.
Das fürchtet auch der Fahrgastverband Pro Bahn. Dessen Sprecher Karl-Peter Naumann forderte bereits Ende Februar eine Gleichstellung von öffentlichen Verkehrsmitteln mit dem Einzelhandel. Sollten dort Maskenpflicht (wenig wahrscheinlich) und 3G-Regeln (eher wahrscheinlich) vollständig wegfallen, müsse man dies auch auf Züge, Busse und die Bahn übertragen, so Naumann. Von einem besonders hohen Ansteckungsrisiko sei dort, ähnlich wie im Einzelhandel, bisher nichts bekannt, führte er weiter aus.
Das große Schweigen zur Evidenz
Fragen zur wissenschaftlichen Evidenz der genannten Maßnahmen beantwortete der BMG-Sprecher indes nicht. Stattdessen verwies er auf die Webseite des RKI, das dafür zuständig sei. Dem Bundesinstitut zufolge sind jedoch besonders die sich aus den "G-Regeln" ergebenden Ungleichheiten äußerst fragwürdig. Seit vielen Monaten ist bekannt, dass sich auch Geimpfte und Geboosterte mit dem Virus infizieren und es übertragen können. Zur dominanten Omikron-Variante heißt es seit Wochen beim RKI:
"In welchem Maß die Impfung die Übertragung des Virus reduziert, kann derzeit nicht genau quantifiziert werden."
Studien hätten außerdem ergeben, dass die verwendeten Schnelltests bei der derzeitigen Variante sehr ungenau sind und oft nicht oder erst sehr spät nach dem Auftreten von Symptomen anschlagen. Das wirft die Frage nach dem Sinn von Testpflichten auf – ganz besonders für selbst kaum gefährdete Kinder in Einrichtungen.
Omikron macht weniger krank
Dass die derzeitige Omikron-Variante des Coronavirus weniger gefährlich ist als ihre Vorgänger, ist inzwischen offensichtlich. Trotz sehr hoher Inzidenzen in Deutschland bleibt die Zahl der Intensivpatienten mit positivem Coronatest äußerst überschaubar. Das DIVI-Intensivregister verzeichnete am Sonnabend 2.100 Fälle – Tendenz leicht sinkend. Wobei diese Fälle nicht die Patienten beziffern, sondern auch Verlegungen beinhalten. Bekannt ist darüber hinaus weiterhin nicht, wer wegen COVID-19 in einem Krankenhaus behandelt werden musste und wer aus anderen Gründen. Mit steigender Inzidenz dürfte wohl auch letzteres häufiger anzutreffen sein.
Die Zahlen des RKI sind zwar bis heute äußerst unvollständig, weil die Gesundheitsämter mit ihren Meldungen oft nicht mehr hinterherkommen und vieles unter den Tisch rutscht. Doch zumindest gab der Wochenbericht des Instituts eines wieder: Bei über 60-jährigen Infizierten lag die Sterberate in den letzten vier Wochen bei höchstens einem Prozent, bei den jüngeren Erwachsenen bei 0,1 Prozent.
In den vergangenen beiden Monaten – vom 4. Januar bis 4. März – verzeichnete das RKI rund 8,25 Millionen neue Fälle und gut 11.000 mit oder an Corona Verstorbene. Davon abgesehen, dass nicht bekannt ist, wer davon wirklich an COVID-19 starb und wie hoch die Dunkelziffer positiver Fälle ist: Nach dieser Rechnung lag die Sterberate in diesem Zeitraum insgesamt höchstens bei 0,13 Prozent.
Auch Impfpflicht-Befürworter schweigen zu den Gründen
Bei den politisch Verantwortlichen scheint das allerdings keine Fragen nach dem Sinn der Endlosmaßnahmen aufzuwerfen. Schon vor Wochen hatte die Autorin vergeblich nachgebohrt. Die Initiatoren eines Gesetzentwurfs zur allgemeinen Impfpflicht aus allen drei Ampel-Parteien SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen schwiegen allesamt auf Einzelanfragen zur wissenschaftlichen Evidenz der Impfpflicht. Lediglich eine Sprecherin des Grünen-Politikers Till Steffen gab bekannt, dass dieser "derzeit keine freien Kapazitäten" habe. Zuvor hatte das BMG auf die Abgeordneten verwiesen, die den Entwurf eingebracht haben.
Ein Gesetz für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren könnte bereits am 18. März auf den Weg gebracht werden. Darüber hinaus liegt ein weiterer Antrag für eine Corona-Impfpflicht für Personen ab 50 Jahren vor, ebenfalls eingebracht von Politikern aller drei Ampel-Fraktionen.
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