Von Kaspar Sachse
Im Jahr 2018 hatte sich die damals recht unbekannte Grünen-Politikerin Ricarda Lang auf Twitter über Anfeindungen auf ihre Figur mit den Worten gewehrt (Rechtschreibung in allen Zitaten wie im Original):
"Pummelchen, abstoßend, fette Sau – ich will, dass alle, die mir sowas schreiben, wissen, dass ihre Beleidigungen für mich Ansporn sind, jeden Tag weiter zu kämpfen für eine Welt in der Frauen selbstbestimmt leben können!"
Auf einem anderen Foto aus ihrer Vergangenheit, das gerade in den sozialen Medien kursiert, sieht man die Schwäbin mit einem riesigen Schild mit der Forderung "My body, my choice" und dem Logo der Grünen. Der Slogan stammt von emanzipierten Frauen, die sich gegen Abtreibungsgegner und für die Selbstbestimmung über den eigenen Körper starkmachen.
Vier Jahre später wurde die 2021 in den Bundestag Eingezogene nun zur jüngsten Grünen-Vorsitzenden aller Zeiten gewählt. Im Interview mit dem Deutschlandfunk sagte sie am Sonntag:
"Ja, wir muten den Menschen etwas zu. Und zwar weil die Realität uns etwas zumutet. Und können uns entscheiden, ob wir diese Realität ignorieren, oder ob wir uns stellen und so zu Akteuren unserer Zukunft werden."
Darauf empört sich ein Nutzer:
"Warum rauben sie dann den Menschen ihre Zukunft, für die viele ein Leben lang gearbeitet haben? Wenn Leistung bestraft wird und Leistungsverweigerung den Wohlstand und Sozialstaat erhalten soll, wird dieses System ein schnelles Ende finden! Ihre Ideologie zerstört das Land!"
Die gerade von Lang oft geforderte soziale Gerechtigkeit führte ein anderer Kommentar mit dem Verweis auf Abstimmungen ihrer Partei im Bundestag ad absurdum. Er schrieb:
"Stimmt, Ihr verteuert gezielt das Leben der Armen, während Ihr das 'Energiegeld' am Wahlabend begraben und Pflegeprämie sowie ALG2-Erhöhung im Bundestag verhindert habt."
Die Badische Zeitung schrieb vor Kurzem über Lang: "Ihr persönlich sei die Verbindung von sozialen und ökologischen Themen besonders wichtig. [...] Sie sei bei einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen und wisse sehr genau, wie es sich anfühle, wenn man Ende des Monats finanziell kaum über die Runden komme." Das angedeutete Engagement in der sozialen Frage zeigt sich jedoch nicht in ihrem Lebenslauf. Dort finden sich nur zwei Angaben: "2012 – 2019: Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg und Berlin (ohne Abschluss), 2012: Abitur in Nürtingen."
Auch ihr Einsatz für die körperliche Selbstbestimmung passt nicht ganz zu ihrem letzte Woche mit großem Engagement vorgetragenen Plädoyer für eine Impfpflicht aller Menschen in Deutschland ab 18 Jahren – unabhängig von deren gesundheitlichen Zustand: Mit einer Impflicht würde man "gerade von denen die Freiheit schützen, die in den letzten zwei Jahren die schwersten Lasten getragen haben", also von "Eltern, Frauen, Jugendliche und die Kleinsten unserer Gesellschaft" – so Lang im Bundestag. Davon bringt sie auch ihre trotz dreifacher Impfung erfolgte COVID-19-Erkrankung nicht ab.
Neben der SPD gelten die Grünen – die bis vor wenigen Jahren noch gegen zahlreiche andere Impfungen protestierten und Gentechnik komplett ablehnten – als vehemente Verfechter einer Impfpflicht gegen COVID-19 und fanden dahingehend eine passende neue Vorsitzende. Daneben sieht Lang die entscheidenden Aufgaben der Grünen darin, "ein Land wie Deutschland klimaneutral umzubauen und das noch sozial gerecht zu machen", verriet sie im Deutschlandfunk weiter. Wie genau sie das anstellen will, ließ sie aber offen. Zum Glück steht sie damit in ihrer Partei nicht allein da.
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