Ein Kommentar von Tom Fowdy
Hat sich Großbritanniens neue Außenministerin schon auf Ihrem Radar gezeigt? Liz Truss ist erst seit drei Monaten in der Rolle der obersten Diplomatin des Landes, aber sie ist zweifellos die peinlichste Spitzenpolitikerin, die Großbritannien je erlebt hat. Das ist eine heftige Behauptung, aber sie ist nicht unbegründet. Am vergangenen Mittwoch hielt sie eine Rede vor der von den USA, Japan und Taiwan finanzierten neokonservativen Denkfabrik Henry Jackson Society mit dem Titel "Building the Network of Liberty" (Das Netzwerk der Freiheit bauen). Ihre Rede war ein chaotischer Rundumschlag von Chauvinismus, Exzeptionalismus, Wahn, Arroganz und Dogmatismus des Kalten Krieges, der dermaßen überheblich war, dass sie Donald Trumps robuste Rhetorik über Amerika im Vergleich dazu ziemlich bescheiden erscheinen ließ.
Truss sagte ihrem Publikum: "Großbritannien ist das großartigste Land der Erde. Wer auch immer man ist, woher man auch kommt, man kann seine Träume verwirklichen", und "unsere Außenpolitik wird Stolz auf unser Land und alle seine Elemente ausstrahlen, einschließlich unserer großartigen Städte, unserer Gemeinden und unserer Landschaften". Sie machte auch ihre ausdrückliche Absicht deutlich, "mehr Nationen in den Orbit der Freiheit zu ziehen." Noch vor kurzem erklärte sie, Großbritannien solle sich keine Sorgen um seine historischen Verbrechen machen, und wurde dann im Stil von Margaret Thatcher, auf einem Panzer fahrend fotografiert. Die Botschaft war klar genug.
Liz Truss ist die Verkörperung der britischen Außenpolitik in der Post-Brexit-Ära, die realitätsfern und zunehmend auf Slogans, Ultranationalismus und unverblümter Fantasie aufbaut. Sie bekleidet das Amt, das sie innehat, nicht, weil sie in irgendeiner Weise kompetent wäre, sondern wegen ihres unechten Marktwerts für die einheimischen Wähler, der sich in der Art von Unsinn zeigt, den sie in ihrer Rede vorgetragen hat. Großbritannien könnte genauso gut die Comedy-Figur von Al Murray, den Wirt eines Pubs, als Außenminister haben; der sagt dieselben Sachen.
Truss ist offensichtlich keine Strategin, sondern eine Verkäuferin, die in der Öffentlichkeit mit der Idee hausieren geht, dass Großbritannien seinen verlorenen Status als Großmacht wiedererlangen wird und auf einem Kreuzzug ist, um den Rest der Welt mit seinen "heiligen Werten" zu dominieren.
Noch schlimmer ist, dass diese egoistischen Slogans irgendwie als adäquater Ersatz für die wirtschaftlichen Folgen des Austritts aus der Europäischen Union angesehen werden und zeigen, wie Identitätspolitik – und nicht praktisches Denken – zunehmend das Ruder übernimmt. Wer könnte das besser verkörpern als Liz Truss?
Das globale Großbritannien ist eine globale Täuschung, und das sogenannte "Netzwerk der Freiheit" ist ein bloßes außenpolitisches Mantra, mit dem man einige Wählerstimmen gewinnen könnte, das aber keine greifbaren Vorteile für Großbritannien bringen wird. Warum? Weil die Welt sich verändert, vor allem getrieben durch den Aufstieg Chinas. Der Schwerpunkt der Weltwirtschaft verlagert sich kontinuierlich vom euro-atlantischen Raum in den asiatisch-pazifischen Raum. Die Länder des Westens, die seit dem Aufstieg der europäischen Kolonialreiche im 17. Jahrhundert weltweit dominierten, reagieren empfindlich auf diesen Wandel.
Es gibt ein weit verbreitetes Gefühl der Unsicherheit, das sich aus einem Statusverlust ergibt. Daher haben westliche Länder versucht, diese Verschiebung in Form von indopazifischen Strategien aufzuhalten, um den Aufstieg Chinas einzudämmen, aber auch um sich als dominierende Mächte innerhalb des neuen Epizentrums der globalen Finanz zu etablieren. Die USA führen diese Bestrebungen an, aber Großbritannien hat diese strategische Überlegung speziell mit der Vermarktung des Brexit verknüpft, die bereits neoimperialistische Themen beinhaltet, nämlich sich außerhalb der EU zu bewegen, aber die Welt zu umarmen. Was jedoch das Scheitern Großbritanniens insgesamt – und insbesondere von Liz Truss – herbeiführen wird, ist der Mangel an Selbstbewusstsein und die Unfähigkeit, zu verstehen, wie anstößig eine solche Rhetorik rüberkommt, insbesondere in Ländern, die zuvor Teil des britischen Imperiums waren.
Truss macht damit faktisch deutlich, dass es in der britischen Außenpolitik um nichts anderes geht, als die Sicherung der ideologischen Vorherrschaft, die Komplexität des Weltgeschehens in einen binären Kampf zwischen Freiheit und Autoritarismus zu fassen und davon zu sprechen, sie in den "Orbit der Freiheit" zu bringen. Sie ist so sehr der Einzigartigkeit verfallen, dass sie, ähnlich wie die USA, nicht in der Lage ist, die Realität zu erkennen, dass einige Länder dies vielleicht einfach nicht wollen. Ist diese Art von Gerede für Afrika attraktiv? Oder Südostasien? Oder den indischen Subkontinent? Oder den Nahe Osten? Wie in einigen der Rhetoriken zu sehen war, nachdem Barbados entschied, die britische Monarchie zu verlassen und eine Republik zu werden, begreift die heutige britische Führung nicht, dass Länder trotz aller britischen Erfolge und ihrer sanften Macht, nicht darum bitten "gerettet" zu werden, und nicht zum britischen Einflussbereich "gehören" wollen.
Wenn man keine chinesische Hegemonie will, dann will man sicherlich auch keine anglophone Hegemonie. Während Truss sagt, dass sie sich nicht für die Vergangenheit interessiere, tun dies viele Länder, da sie Gräueltaten in einem Ausmaß erlitten haben, die Großbritannien nicht ernst nimmt und sich weigert Rechenschaft darüber abzulegen. Es ist leicht den Kolonialismus abzutun, wenn man noch nie darunter gelitten hat und nicht versteht, was er bedeutet. Aber das Trauma ist bei vielen noch in frischer Erinnerung.
Die englischsprachige Welt hat eine Mentalität von "Das war in der Vergangenheit, kommt darüber hinweg – denn wir sind immer noch gerechter als ihr." Das ist nicht nur herablassend, sondern auch lächerlich, und schlichtweg ignorant. Aus diesem Grund wird die Rhetorik von Truss von so vielen Nationen mit Gleichgültigkeit, wenn nicht sogar mit Amüsement zur Kenntnis genommen. Dementsprechend wird dieses "Netzwerk der Freiheit" zum Scheitern verurteilt sein. Nicht zuletzt deshalb, weil es keinen offensichtlichen Plan für seine Umsetzung gibt und es die Rolle und den Einfluss Großbritanniens massiv überbewertet.
Die Realität ist, dass das moderne Großbritannien ein Passagier auf dem Beifahrersitz ist, ein Land, das immer zur Stelle steht, um dem Willen Amerikas ziellos zu folgen. Es gibt auch die unausgesprochene Wahrheit – die Truss niemals anerkennen wird – dass Großbritannien in einer Welt nach dem Brexit auf China als wichtigen Handels- und Investitionspartner angewiesen sein wird und nicht so viele alternative Optionen hat, wie es denkt zu haben.
Die Widersprüche wurden in der Rede von Truss deutlich, in der Peking gerade mal einmal erwähnt wurde. Sie sagte: "China gibt jetzt mehr als doppelt so viel für die Entwicklungsfinanzierung aus wie die USA. 44 Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen haben gegenüber Peking Schulden von mehr als 10 Prozent ihres BIP" – schlug dann aber einen jährlichen Fonds von lediglich 9 Milliarden Pfund vor, um damit China entgegenzuwirken. Zur Erinnerung: Der Investitionswert von Chinas kumulativen Belt-and-Road-Projekten beläuft sich auf 3,7 Billionen US-Dollar. Aber so sieht eben das Produkt einer Außenpolitik der heißen Luft eines Landes aus, das immer mehr vorgibt, etwas zu sein, was es nicht ist.
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Tom Fowdy ist ein britischer Autor und Analytiker für Politik und internationale Beziehungen mit Schwerpunkt Ostasien. Er twittert unter @Tom_Fowdy
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