Warum die USA den Kampf gegen die Drogensucht verlieren

Immer mehr junge Menschen sterben an Drogen, vornehmlich an Opiaten. Die USA verlieren leider den Kampf gegen die Sucht. Die Situation veranschaulicht, wie kaputt diese Gesellschaft geworden ist, verdient aber auch einen genaueren Blick auf die Umstände, die Menschen in die Sucht getrieben haben.

Ein Kommentar von Bradley Blankenship

Laut den von den US-Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention (CDC) veröffentlichten Statistiken verzeichneten die USA bis April 2021 innerhalb eines Jahres die höchste Zahl von Todesfällen durch Drogenüberdosis. Die Zahl der Opfer überstieg erstmals die Marke von 100.000 – und wuchs dabei im Vorjahresvergleich um 29 Prozent.

Die Daten der CDC machen deutlich, dass die Prävalenz des Konsums von Opiaten, insbesondere von Fentanyl – einem starken synthetischen Opioid, das oft ohne Wissen des Benutzers als Heroin benutzt wird –, der Hauptgrund ist. Viele Experten sagen, dass die anhaltende COVID-19-Pandemie und ihre negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit, einschließlich des Gefühls der sozialen Isolation, zu erhöhten Suchtproblemen geführt haben.

Dies ist jedoch kein neues Problem und wird seit Jahren zunehmend schlimmer. Ich sollte es wissen, da ich aus Kentucky stamme, einem Bundesstaat, der – wie viele andere vergleichsweise ländliche Gebiete der USA – von zunehmenden "Todesfällen aus Verzweiflung" geplagt wird, was die durchschnittliche Lebenserwartung in den USA nach unten drückt.

Ich habe unzählige Freunde und Bekannte sterben sehen, meistens aufgrund von Drogen oder durch etwas, was mit Drogen zu tun hatte – und ich habe früher bereits für RT darüber geschrieben. Ein gemeinsames Thema, das sich ausnahmslos durch alle diese Fälle zieht, ist der Mangel an Chancen im Leben. Ich glaube, dass Menschen Drogen – insbesondere Heroin – zum Flüchten konsumieren, wenn ihr Alltag zu unerträglich wird.

Nehmen Sie aber nicht meine persönlichen Erfahrungen als Maßstab, sondern sehen Sie sich einfach die Daten an. Zum Beispiel ist es eine Tatsache, dass die Quote des Drogenkonsums bei Arbeitslosen und Unterbeschäftigten höher ist, was auch erklärt, warum die Drogensucht im Mittleren Westen seit den 1990er Jahren so angestiegen ist. Es ist auch eine Tatsache, dass insbesondere die Heroinsucht bei jenen, die weniger als 20.000 US-Dollar pro Jahr verdienen, dreimal häufiger ist als bei jenen, die mehr als 50.000 US-Dollar jährlich verdienen. Oder dass die meisten Drogenkonsumenten, wie eine Studie aus dem Jahr 2013 zeigt, ihre Gewohnheiten vor dem 30. Lebensjahr aufgeben, wenn sie einen festen Arbeitsplatz finden können.

Aus den Daten geht klar hervor, dass die US-Drogenpolitik, die sich fast ausschließlich in polizeilicher Repression beschränkt – ohne begleitende sozialen Maßnahmen –, einfach nicht funktioniert. Politische Entscheidungsträger müssen einen neuen Ansatz – mit dem Menschen im Mittelpunkt – in Betracht ziehen, der dann darauf abzielt, die zugrundeliegenden Probleme zu lösen, die erst die Bedingungen für eine Sucht erzeugt hatten.

Der erste Schritt zur Lösung dieser Probleme besteht darin, zuallererst zu erkennen, dass wir es mit einem systemischen Problem zu tun haben. Drogenpolitiker in den Vereinigten Staaten scheinen von der Idee besessen zu sein, Drogenkonsum sei ein individuelles oder ein moralisches Problem, beides stellt völlig nutzlose Annahmen und Stigmatisierungen dar.

Drogenkonsum ist offenkundig schädlich, zuallererst für die Person, die Drogen konsumiert. Aber wenn Millionen von Menschen süchtig nach Substanzen sind und daraus in einem Zeitraum von 12 Monaten mehr als 100.000 Todesfälle resultieren, ist dies ein Problem der öffentlichen Gesundheit und muss auch als solches behandelt werden. Sucht ist im Grunde genommen eine diagnostizierbare Krankheit.

Es ist auch lächerlich, alle Drogenkonsumenten als moralisch schlecht zu verurteilen. Diese Stigmatisierung geht völlig am Problem vorbei und spielt eine ähnliche Rolle wie beispielsweise die Stigmatisierung von Obdachlosigkeit. Man müsse also im Leben etwas falsch gemacht haben, sonst wäre man nicht obdachlos – was für ein Blödsinn.

Tatsache ist, dass Drogen für viele Menschen eine Form der Flucht aus ihrer Realität sind, und die Frage, der wir uns stellen und die wir dann angehen müssen, lautet, warum Menschen überhaupt fliehen wollen. Wenn man bedenkt, dass die Bezahlung von Lohnabhängigen seit Jahrzehnten nicht mehr an deren Produktivität gekoppelt ist, dass Wohnraum unerschwinglich geworden ist oder unsere Stimme als Wähler keine Rolle mehr spielt, so ist es nicht schwer zu verstehen, warum manche Leute dann so handeln.

Die gegenwärtige Situation in den USA widerspiegelt dieselbe mit Drogensucht gepaarte Hoffnungslosigkeit, die Chinesen ein Jahrhundert lang plagte, als dieser Nation vom britischen Empire das Opium aufgezwungen wurde. Oder nehmen Sie die Staaten des ehemaligen Ostblocks in den 1990er Jahren, als der Westen sie mit einer ökonomischen "Schocktherapie" folterte. Der Unterschied ist nur, dass heute diese "Therapie" von der US-Regierung ihren eigenen Bürgern aufgedrängt wird.

Die Situation verdient auch einen genaueren Blick auf die Art der drogengetriebenen Eskapaden, die so viele Menschen töten. Wir haben es nicht in erster Linie mit hedonistischen Jugendlichen zu tun, die auf Partys sterben, Alkohol trinken und sich dumm verhalten, sondern hauptsächlich mit Konsumenten von Opiaten.

Jeder, der etwas über Opiate und die Abhängigkeit davon weiß, der weiß auch, dass dies keine Partydroge ist und dass die soziale Isolation tatsächlich ein Hauptgrund dafür und für das Sterben von Menschen ist, weil eine Überdosierung von Opiaten relativ leicht eingedämmt werden könnte, wenn jemand rechtzeitig und angemessen medizinisch versorgt wird.

Worüber wir hier also eigentlich sprechen, das sind Menschen, die sich vom Leben, der Gesellschaft und der Öffentlichkeit im Allgemeinen derart ausgegrenzt fühlen, dass sie in Einsamkeit ein starkes Beruhigungsmittel einnehmen – wissend, dass sie daran auch sterben könnten. Dies ist ein äußerst tiefgreifender Punkt, über den man nachdenken sollte, denn er zeigt wirklich, wie schlimm die Dinge in den Vereinigten Staaten sein müssen, wenn so viele Menschen so handeln.

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Übersetzung aus dem Englischen

Bradley Blankenship ist ein in Prag lebender US-amerikanischer Journalist, Kolumnist und politischer Kommentator. Er hat eine Kolumne bei CGTN und ist freiberuflicher Reporter für internationale Nachrichtenagenturen, darunter die Nachrichtenagentur Xinhua. Er twittert auf @BradBlank