von Robert Bridge
Kamala Harris, die bisher höchstrangige Amtsträgerin in der US-Geschichte, hat in weniger als einem Jahr seit Amtsantritt einige politische Rekorde gebrochen, aber keinen, der es verdient hätte, gefeiert zu werden – außer man ist Republikaner.
Diese Woche ergab eine Umfrage von USA TODAY und der Universität Suffolk, dass nur 28 Prozent der Amerikaner Harris und das, was immer sie auch im Weißen Haus tut, gutheißen. Es ist ihr nicht nur gelungen, ihren tapsigen Chef Joe Biden, nein, auch Dick Cheney, eine der verachtenswertesten Kreaturen, die jemals dem stinkenden Sumpf entstiegen sind, zu untertreffen.
Um diesen Erfolg richtig zu bewerten – Harris hat einen Beliebtheitswettbewerb gegen den Mann verloren, der die US-Geheimdienste manipulierte, um die ziemlich unbeliebte Invasion im Irak 2003 zu starten. Damit nicht genug, Cheney polsterte sein übles Portfolio auch noch durch seine Verbindungen zu Halliburton, der Firma, die die Bush-Regierung damit beauftragte, die zerstörte Öl-Infrastruktur des Irak wieder aufzubauen, und in der Cheney von 1995 bis 2000 Vorstandsvorsitzender war (er sagte, er habe alle Gewinne aus seinen Halliburton-Aktien der "Wohltätigkeit" gespendet). Da müssen wir noch nicht einmal anfangen, über den Dunklen Lord und seine Rolle beim Waterboarding von Häftlingen im Ausland zu reden, oder der Bespitzelung von Amerikanern daheim.
Anders gesagt, als Vizepräsidentin unbeliebter zu sein als Dick Cheney ist eine wirklich herkulische Leistung, und dennoch hat Kamala Harris es mit Leichtigkeit geschafft. Fragt sich nur, wie?
Die kurze Antwort lautet, dass Kamala Harris nichts auch nur in der Nähe des Weißen Hauses verloren hat, ganz zu schweigen vom geheiligten Oval Office. Diese Frau drückt sich nicht nur von den offensichtlichsten Verpflichtungen, wie einem Besuch an der Grenze zwischen den USA und Mexiko auf dem Höhepunkt der Migrationskrise (erst als Donald Trump seinen eigenen Besuch dort ankündigte, war sie bereit, ihre Taschen zu packen). Obendrein fehlen ihr die erforderlichen Fähigkeiten im menschlichen Umgang, um sich für einen Schwatz zu Kindern zu setzen, ohne mehr nach Plastik auszusehen als eine Legofabrik. Und doch ist sie da, nur einen oder zwei Bidensche Herzschläge von einem der mächtigsten politischen Ämter der Welt entfernt.
Harris entspricht aufs Feinste den Vorgaben dieser radikal woken Zeiten, in denen Politiker weniger nach ihren persönlichen Talenten und Leistungen beurteilt werden als nach ihrer Identität; weniger nach der Größe ihres Intellekts als nach der Farbe ihrer Haut. Die Politik der USA, die einst auf dem Fels persönlicher Verdienste gründete, wurde auf eine Übung im Ankreuzen von Kästchen reduziert und neigt zunehmend dazu, rohes politisches Talent durch Heuchelei zu ersetzen.
"Tulsi liegt vor drei Leuten, die letzte Nacht an der Debatte in New Hampshire teilnehmen durften. Es ist so offensichtlich und verachtenswert, wie bewusst und bösartig sie ausgeschlossen wird – es wäre nett, wenn die Leute von Bernie das rügen würden."
Das heißt natürlich nicht, dass ein Politiker, nur weil bei ihm all die richtigen Kästchen angekreuzt sind, automatisch weniger wert und eines öffentlichen Amtes nicht würdig ist. Tulsi Gabbard beispielsweise, eine Samoanisch-Amerikanische Hindu aus Hawaii, ist eine hoch qualifizierte Kandidatin mit starken Führungsqualitäten. Sie ist jemand, den ich enthusiastisch unterstützt hätte, hätten die Torhüter der Medien sie nicht verschwinden lassen. Gabbard erfüllte alle nötigen Anforderungen der Diversität, aber die ehemalige Soldatin der US-Armee hat das Kästchen "für den Krieg" nicht angekreuzt. Das ist ein "Charakterfehler", der ihre Aussichten, im gegenwärtigen politischen Klima ein höheres Amt zu erreichen, so einfach macht wie eine Besteigung des Mount Everest.
Die Demokraten setzten darauf, dass Kamala Harris, die falsche farbige Frau zur (vermutlich) richtigen Zeit, an das angeschlagene Zartgefühl der amerikanischen Bürger appellieren würde, von denen viele durch den schrecklichen Mord an George Floyd durch einen weißen Polizisten (im Mai 2020) traumatisiert waren. Diese Tragödie, der bis unmittelbar zum Showdown zwischen Biden und Trump Monate voller Black Lives Matter-Proteste folgten, verankerte im öffentlichen Bewusstsein die medial unterstützte Erzählung, dass nicht nur die USA, sondern ihre Polizei unter einem bösartigen Geschwür leiden, das "systemischer Rassismus" heißt.
Jetzt mögen einige einwenden, dass Biden mit der Wahl von Harris zu seinem Vizekandidaten die richtige Entscheidung getroffen hat, weil die beiden schließlich in den Präsidentschaftswahlen 2020 Donald Trump und Mike Pence geschlagen haben – Augenblicklich sieht es jedoch so aus, als habe die Demokratische Partei mit dem mit Biden-Harris etikettierten Team nur einen Pyrrhussieg errungen, und zwar einen, der die Partei um Lichtjahre zurückgeworfen hat.
Die Demokraten haben eine ernste Überlegung ignoriert, als sie Harris mit Biden koppelten, und das war die niedrige Popularität der ersteren. Harris war mit einer Zustimmungsrate von ganzen 4 Prozent schon früh gezwungen, sich aus dem weiten Feld demokratischer Präsidentschaftskandidaten zurückzuziehen.
Haben die Demokraten gedacht, dass dieses Unbehagen in der Öffentlichkeit irgendwie verschwinden würde, weil Harris eine Frau mit gemischtrassigem Hintergrund ist und die Innenstädte der USA von Küste zu Küste gebrannt haben? Heute scheint Harris auch unter ihren Kollegen nicht beliebter zu sein als bei den demokratischen Wählern vor einem Jahr; diese beschwerten sich, sie würden in einem "Umfeld voller Beschimpfungen" schuften und "behandelt wie Dreck."
Das Fazit aus dem Ganzen ist, dass die Wähler, von einer radikalisierten Minderheit abgesehen, sich nicht wirklich dafür interessieren, ob ein Kandidat schwarz, braun, weiß oder gepunktet ist. Sie sorgen sich vor allem darum, ob das Individuum qualifiziert ist, ihre Interessen zu vertreten, sobald es in ein Amt gewählt wird.
Hätten die Demokraten einen Maßstab benutzt, der auf Verdienst statt Identität beruht, als sie einen Wahlkampfpartner für den alten Joe Biden wählten, sie wären weit besser auf die ernsten politischen Herausforderungen vorbereitet, die schon bald vor der Tür stehen. Stattdessen zerbricht die Demokratische Partei unter der Last eines Präsidenten und einer Vizepräsidentin, denen die besten Berater nicht helfen können und die zu echten Belastungen werden.
Das Desaster nähert sich den Demokraten und den Liberalen schnell, die, wie ihre Gegenstücke in der akademischen Welt, die Notwendigkeit von Verdienst und Vortrefflichkeit für die Sackgasse der Identitätspolitik aufgegeben haben.
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Übersetzt aus dem Englischen.
Robert Bridge ist ein US-amerikanischer Schriftsteller und Journalist. Er ist der Autor von "Midnight in the American Empire, How Corporations and Their Political Servants are Destroying the American Dream" (Mitternacht im amerikanischen Imperium, wie Konzerne und ihre politischen Diener den amerikanischen Traum zerstören). @Robert_Bridge
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