Alle gegen Eine – Lauterbach brüskiert Wagenknecht und fordert 2G

Wieder einmal ging es heiß her bei Anne Will. Obwohl die Rollen schon vorher feststanden: Eine sachlich argumentierende Sahra Wagenknecht gegen alle übrigen Gäste, angeführt vom totalitären Moralisten Karl Lauterbach. Eines wurde immer deutlicher: "Booster" und "2G" für alle scheinen nur noch eine Frage der Zeit zu sein.

von Kaspar Sachse

Rekord-Inflation und Versorgungsengpässe? Spaltung der Gesellschaft? Flüchtlingskrise? Es hätte eine Menge Themen für Anne Will am Sonntag gegeben, die den Leuten unter den Nägeln brennen. Doch stattdessen kam die x-te Corona-Folge unter dem Motto "Steigende Neuinfektionen, Sorge wegen Impfskepsis – Hilft oder schadet mehr Druck auf Ungeimpfte?"

Das Setting wirkte wenig verwunderlich sehr bestellt: Eine wie gewohnt angriffslustige Anne Will, die das gängige Narrativ – mRNA-Impfungen sind super – vertrat, machte gleich zu Beginn ihren Standpunkt klar. Mit Blick auf die Causa Kimmich formulierte sie, wenn auch etwas holprig:

"Ob man überhaupt ungestraft ungeimpft sein darf, in einem Land, das ja immerhin keine Impfpflicht hat?"

Doch damit der demokratische Schein beim ARD-Haltungsjournalismus gewahrt bleibt, braucht es auch ein bisschen Opposition – und so durfte Sahra Wagenknecht diesmal sogar das erste Statement abgeben. Sie bestritt, dass man jetzt bereits Langzeitfolgen der neuartigen mRNA-Impfung ausschließen könne – nicht zuletzt angesichts der vielsagenden Vertragsgestaltung, dass Pfizer jegliche Verantwortung in den Lieferbedingungen für die Empfängerstaaten abgelehnt hat. Die Impfung sei laut Wagenknecht ein Selbstschutz, über den jeder selbst frei entscheiden sollte.

Interessant war es, bereits zu diesem Zeitpunkt anzusehen, wie zwei anderen Gästen sichtlich der Kamm schwoll: Die im ersten Corona-Jahr bei der Wahl zur "Wissenschaftsjournalistin des Jahres 2020" (2. Platz) ausgezeichnete Christina Berndt – ausgestattet mit der Fähigkeit, unangenehme "Wahrheiten" mit einem eiskalten Lächeln zu verkünden – rang sichtlich nach Luft. Und der SPD-Politiker Karl Lauterbach sackte in seinem Sessel, Wagenknecht fassungslos anstarrend, immer tiefer in sich zusammen.

Was dann folgte, erinnerte 45 Minuten lang an eine Art mittelalterliches Inquisitionsgericht über Wagenknecht, und gerade Lauterbachs Aussagen werden zukünftigen Historikern – falls die dann noch "frei" arbeiten dürfen – einige wertvolle Belege bereitstellen. Auf Anne Wills Frage, ob er denn "Nebenwirkungen" der neuartigen mRNA-Impfstoffe in zehn Jahren ausschließen könne, sagte er (etwas verklausuliert):

"Ja natürlich, wenn es nicht so wäre, dann müsste ich ja jetzt etwas einräumen, was die Wissenschaftler dieser Welt, die Spezialisten in der Impfforschung alle sagen."

Es folgte eine Aufzählung seiner üblichen US-Science-Helden von der Howard- bis zur Yale-Universität mitsamt der Feststellung:

"Die großen Universitäten sagen alle: Wir können ausschließen, dass es eine langfristige Nebenwirkung gibt, die wir jetzt noch nicht kennen."

Wagenknechts Einwand, dass die Hersteller das offenbar anders sehen und daher die Risiken auf die importierenden Staaten abwälzen, nannte er eine "Räuberpistole".

Die seltsame Begründung offenbarte dann doch einen Freud'schen Versprecher: Denn Lauterbach fuhr fort: "Wenn wir als Staat eine Impfung empfehlen – also knapp vor der Impfpflicht – dann haftet der Staat immer für die Nebenwirkungen." Aber grundsätzlich "sind die Impfstoffe sicher", betonte der 58-Jährige noch mehrfach forderte "Solidarität" ein, sich also impfen zu lassen. Sechs Monate sei jeder Impfling dann besonders gut geschützt. 

Für daran anschließende Auffrischungsimpfungen machte sich dann die Journalistin Christina Berndt von der Süddeutschen Zeitung stark und brachte dafür interessante Vergleiche zu Gehör: 

"Wir sehen, man hat auch Wellen gebrochen durch die Auffrischungsimpfungen. In Israel gingen durch die Auffrischungsimpfungen – die es dort ja schon seit Sommer gibt – die Inzidenzen in allen Altersgruppen deutlich zurück."

Dann durfte sich Marco Buschmann zu Wort melden, der fleißig beim Koalieren mit SPD und Grünen beschäftigt freilich auch erst einmal für Impfung und um Solidarität warb. Seiner Ansicht nach solle man sich an Leute wenden, denen man vertraut, als etwa an die Hausärzte. Doch da es "so viele Studien gibt, kann man heute wirklich nach menschlichen Ermessen sagen, dass die Sorgen eigentlich (!) unbegründet sind." Auf Wills Nachfrage an Buschmann, der bislang noch nie als Impfstoffexperte in Erscheinung trat, ob denn Wagenknecht, die Dutzende von hochqualitativen Sendungen zum Thema Corona und Impfstoffe auf ihrem Youtube-Channel verbreitet hat, schlichtweg "nicht ausreichend informiert ist", antwortete Buschmann:

"Frau Wagenknecht ist eine intelligente Akademikerin, die sich auch beruflich mit diesen Dingen beschäftigt. Ich glaube (sic!) trotzdem, dass sie irrt, ich bin nicht ihrer Meinung."

Wagenknecht erwiderte indirekt, dass sie auch persönlich Ärzte kenne, die jungen Menschen von der Impfung eher abraten. Außerdem stellte sie dazu noch die Frage in den Raum, warum wir aktuell 5000 Intensivbetten weniger als vor einem Jahr haben. Sofort war Lauterbach wieder zur Stelle: 

"Sie haben gerade gesagt, dass es Hausärzte gebe, die vielen 30-Jährigen die Impfung nicht empfehlen. Das ist schlichtweg falsch."

Lauterbach, der offenbar alle Ärzte gefragt hat, führte Beispiele aus seinem Umfeld dagegen an, und dass er selbst Leute kenne, die an Long COVID leiden.

Wagenknecht erzähle also "Unsinn". Und Anne Will legte direkt nach, unterbrach schroff Wagenknecht, die gerade eine Studie erwähnen wollte, mit vorwurfsvollen Blick und fragte:

"Kennen Sie jemanden, der Long COVID hat? Also ich schon – auch Mitdreißiger."

Wagenknecht konstatierte mahnend, dass "die Debatte moralisch so aufgeladen [sei]… Aber es wird gleichzeitig nichts dagegen getan, dass wir unser Gesundheitssystem kaputt gespart haben. Und da waren Sie unter Rot-Grün [mit einem Seitenblick auf Lauterbach] damals dran beteiligt."

Doch Lauterbach holt zum moralinsauren Gegenschlag aus und fordert kurzerhand die Einführung von "2G":

"Man kann jetzt philosophieren, was vor zehn oder zwanzig Jahren im Krankenhauswesen falsch gemacht worden ist. [...] Doch die Zahl der intensivmedizinischen Betten, damit müssen wir arbeiten. In Berlin, in Köln sind wir schon am Limit. [...] Vielleicht 95 Prozent sind voll, wir müssen was machen. 2G ist das eine, die Booster-Impfungen sind das andere."

Das wäre konsequent – denn "viele Patronen haben wir nicht mehr". Dann wird es vermutlich wieder historisch. Auf Wills erneute Nachfrage nach einem "Lockdown für Ungeimpfte" sowie ihre vorsichtige Nachfrage "Frau Wagenknecht darf dann nicht rein?" antworte Lauterbach, ohne mit der Wimper zu zucken: 

"Genau, das wird das heißen: 2 G und dass wir die Booster-Impfung beschleunigen. [...] Wir müssen aus meiner Sicht die Impfzentren wieder öffnen. Wir müssen da wahnsinnig an Tempo zulegen, damit die Booster-Impfung schnell kommt."

Und nochmal mit einem Blick zu Wagenknecht:

"2G würde ich machen, wo immer möglich – und dann wäre es tatsächlich so [...] – traurig aber wahr –, dann käme Frau Wagenknecht nicht rein. Aber sie wäre dann eben auch nicht gefährdet."

Eine Nachfrage, Herr Lauterbach: Demzufolge müsse sie also zwangsgeschützt, isoliert von den anderen Menschen werden und darf bestimmte Einrichtungen nicht mehr betreten?

Wollen wir in diesem Land wirklich wieder damit anfangen, bestimmte Gruppen von Menschen, weil sie angeblich andere gefährden, vor sich selbst und andere vor ihnen zu "schützen"? Wie geschichtsvergessen kann man, darf man eigentlich sein?

Mittlerweile offenbar sehr: Eine fast zweijährige politische Melange aus Salamitaktik und alternativloser Basta-Politik sowie ein mediales Framing, das so absolut ist, dass es sich in seiner Totalität kein Zurück mehr erlauben kann, ohne das Gesicht zu verlieren – all das lässt nichts Gutes für die Zukunft befürchten. 

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

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Information:

Sicherheit und Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe sind umstrittene Themen. Zahlreiche Experten in Wissenschaft, Politik und Medien schätzen diese als sicher und effektiv ein, da sie das Risiko einer schweren COVID-19-Erkrankung weitgehend verhindern und die Vorteile einer Corona-Impfung die Risiken und Nebenwirkungen überwiegen. Langzeitnebenwirkungen der Impfungen sind generell nicht bekannt. Auch Risiken wie der ADE-Effekt (antibody-dependent enhancement, auf Deutsch: infektionsverstärkende Antikörper) wurden bisher bei weltweit Milliarden verabreichter Impfstoff-Dosen nicht beobachtet. Auch, dass Gensequenzen von beispielsweise mRNA-Vakzinen in die menschliche DNA eingebaut werden, gilt in Fachkreisen als ausgeschlossen. Stellungnahmen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der bundesdeutschen Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) lassen sich hier und hier nachlesen.