Ein Kommentar von Seyed Alireza Mousavi
Die US-Basis beim Grenzübergang At-Tanf soll vergangenen Mittwoch von mehreren Drohnen und Raketen angegriffen worden sein. In der Region At-Tanf, an der Grenze zwischen Syrien, Jordanien und dem Irak, befindet sich eine von den US-Besatzern kontrollierte Militärzone. Bei dem Angriff soll es zu keinen Verletzten oder Getöteten gekommen sein. Mehrere Gebäude und Plätze wurden durch eine unbekannte Anzahl an Raketen und Kamikaze-Drohnen schwer beschädigt.
Israel nutzte in letzter Zeit den Luftraum in der Region um At-Tanf für seine Aggressionen gegen Syrien. Der Anlass für den jüngsten spektakulären Luftangriff auf eine US-Stellung waren die zuletzt anhaltenden israelischen Luftschläge auf mutmaßlich pro-iranische Milizen im Osten Syriens – israelische Luftschläge gingen dabei von der At-Tanf-Zone aus.
Bei dem letzten israelischen Raketenangriff südlich von Palmyra in der syrischen Provinz Homs, der von der At-Tanf-Zone erfolgte, kam ein Soldat der syrischen Armee ums Leben. Nach diesem Luftschlag auf den Vorort der Stadt Palmyra schworen die von Iran unterstützten Gruppen in Syrien Vergeltung. Das berichtete seinerzeit die Nachrichtenagentur AP.
US-Sicherheitsbeamte glauben inzwischen, dass Iran hinter dem Drohnenangriff auf die US-Basis in At-Tanf in Südsyrien steckt, wo US-Truppen stationiert sind. Die namentlich nicht genannten US-Funktionäre in der Regierung gehen davon aus, dass Iran Ressourcen bereitgestellt und den Angriff gefördert habe, berichtet AP. Auf einer Pressekonferenz am Montag bezeichnete Pentagon-Sprecher John Kirby den Angriff als "komplex, koordiniert und zielgerichtet".
Das US-Militär soll kurz vor dem von Iran unterstützten Drohnenangriff auf den Stützpunkt in At-Tanf unterrichtet worden sein. Etwa 200 US-Soldaten seien vor dem Luftangriff von der US-Basis evakuiert worden, sagte ein Militärbeamter gegenüber Fox News. Es bleibt allerdings unklar, welche und wie Geheimdienstinformationen ausgetauscht worden seien, die das Leben mehrerer US-Soldaten retteten.
Es ist nicht das erste Mal, dass die USA von einem bevorstehenden Angriff informiert wurden und US-Soldaten sich darauf vorbereiteten. Im Januar 2020 kurz vor dem Angriff der Iranischen Revolutionsgarde auf die Basis Al Asad wurden US-Soldaten darüber unterrichtet, dass Irans mächtigste Waffen jene Basis im Irak zum Ziel hätten. US-Soldaten suchten daraufhin kurz vor dem Angriff der Iraner Zuflucht in Bunkern.
Der syrisch-irakische Grenzübergang At-Tanf und eine rund 55 Quadratkilometer große Zone um den Ort befinden sich seit etwa fünf Jahren fest unter der Kontrolle US-amerikanischer Besatzungstruppen. In der Vergangenheit waren auch britische Truppen in der Militärzone At-Tanf stationiert, die sich aber vor Jahren über das angrenzende Jordanien zurückzogen. Die Präsenz der US-Besatzer in At-Tanf geriet in letzter Zeit fast in Vergessenheit, da die Stationierung der US-Besatzertruppe in Nordostsyrien bei der Berichterstattung im Fokus stand.
Obwohl die USA bereits signalisiert haben, ihre Truppen aus Syrien abzuziehen, ist es unwahrscheinlich, dass sie sich aus At-Tanf zurückziehen werden. Es wird ein kleines Kontingent von US-Soldaten aufgrund der strategischen Bedeutung der Basis in At-Tanf verbleiben. Die At-Tanf-Zone liegt an der Verbindungsstraße zwischen Damaskus und Bagdad und ist damit von besonderer strategischer Bedeutung für die US-Amerikaner, um in der Region weiterhin Präsenz zu zeigen.
Der jüngste Angriff auf At-Tanf läutet den Beginn einer neuen Phase der Konfrontation ein, in der Iran und seine Verbündeten versuchen werden, Syrien von US-Truppen zu befreien. Pro-iranischen Milizen ist mittlerweile bewusst, dass der US-Rückzug aus Afghanistan auch letztendlich nur unter dem Druck militärischer Operationen und nicht unter politischem oder diplomatischem Druck erfolgte. Die syrische Regierung und verbündete Staaten wie Russland nehmen es zudem nicht mehr länger hin, dass die USA einen wichtigen Grenzübergang zwischen Syrien und dem Irak blockieren.
Die USA begründen ihre Militärpräsenz in At-Tanf damit, dort gegen den sogenannten Islamischen Staat vorzugehen. Da der IS aber seit Jahren in dieser Region keine starke Präsenz mehr besitzt, ist das Hauptziel die Abwendung einer Landverbindung zwischen Syrien und dem Irak, die beide wiederum Bestandteil des schiitischen Halbmondes zwischen Iran und dem Libanon sind. Die syrische und irakische Armee teilen sich eine weitere Landverbindung bei Abu Kamal im Osten Syriens, wo iranische Milizen stark präsent sind.
Die At-Tanf-Zone ist in letzter Zeit für die USA und deren Verbündeten in der Region Israel vermehrt von Bedeutung, da die syrische Armee mit Vermittlung Russlands kürzlich die Stadt Darʿā von den Terroristen zurückeroberte. Darʿā, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz an der Grenze zu Jordanien, war in den letzten Monaten Schauplatz heftigster Gefechte zwischen den sogenannten Rebellen und der syrischen Armee. Das sich abzeichnende neue Kräfteverhältnis in der südwestlichen syrischen Provinz Darʿā ist entscheidend, da Darʿā an die von Israel besetzten Golanhöhen grenzt. Insofern ebnete die Befreiung von Darʿā faktisch den Weg für den Ausbau des sogenannten schiitischen Halbmondes – eine Landverbindung von Teheran über Bagdad und Damaskus bis nach Beirut.
Die At-Tanf-Zone soll Israel nun als eine Angriffsstellung auf Kosten der syrischen Souveränität dienen, um den mutmaßlichen Ausbau des iranischen Einflusses in Syrien abzuwenden. Bei den letzten israelischen Angriffen auf Syrien aus At-Tanf identifizierten syrische Abwehrsysteme israelische F-16-Kampfflugzeuge im syrischen Luftraum. Doch das syrische Militär nahm die israelischen Kampfjets nicht ins Visier, da die Israelis bei diesem Luftangriff zwei zivile Passagiermaschinen als Schutzschild benutzten. Die Lage wird sich mit der Verschärfung der israelischen Luftangriffe auf Syrien ändern, da die Syrer dabei sicher neue Technik anwenden werden, um Aggressionen mit geringem Schaden abzuwehren.
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