von Seyed Alireza Mousavi
Vor etwa zwei Wochen waren sechs Palästinenser auf spektakuläre Weise aus einem israelischen Hochsicherheitsgefängnis ausgebrochen. Sie konnten offenbar mit einem Löffel einen Tunnel aus dem Gilboa-Gefängnis im Norden Israels an der Grenze zum Westjordanland graben und so fliehen. Die Israelische Armee und der Inlandsgeheimdienst Schin Bet setzten dann alles daran, um die Entkommenen schnellstmöglich wieder zu fassen. Nach zwei Wochen Fahndung hatte Israel endlich alle sechs Flüchtlinge wieder in Gewahrsam. In den Tagen zuvor war es zu heftigen Ausschreitungen der israelischen Sicherheitskräfte gegen Palästinenser im israelisch besetzten Gebiet der Westbank gekommen. Dass den Männern die Flucht aus dem angeblich sichersten Gefängnis Israels nur mit einem Löffel als Werkzeug beim Tunnelgraben gelang, war für Israel extrem peinlich. Und es schadete maßgeblich dem Ansehen Israels als der in Sicherheitsfragen angeblich mächtigste Staat im Nahen Osten, wie es so gern als Framing-Muster in westlichen Mainstream-Medien erzählt wird.
Um den Ruf des israelischen Sicherheitsapparats aufzupolieren und zu bewahren, schaltete sich inzwischen auch die New York Times (NYT) ein, um den Israelis beizuspringen. So veröffentlichte die NYT kürzlich als ein mehr oder weniger geschicktes Ablenkungsmanöver einen etwas aktualisierten Artikel über den "grandiosen" Einsatz eines Kampfroboters des Mossad – ausgestattet mit künstlicher Intelligenz und zahlreichen Kameras – bei der Ermordung des iranischen Atomwissenschaftler Mohsen Fachrisadeh im November 2020. Der Bericht kommt allerdings ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt, in dem eigentlich Meldungen über den Gefängnisausbruch in Israel in den Sozialen Medien dominieren. Dem NYT-Bericht dagegen wurde mittlerweile besondere Aufmerksamkeit bei den üblichen Kartellmedien im Westen geschenkt.
Nach dem NYT-Bericht wurde der iranische Atomwissenschaftler in einem Hinterhalt von einem Mossad-Scharfschützen getötet, der mittels Satelliten-Technologie von einem unbekannten Ort, aus weiter Entfernung den Roboter steuerte. Die Geschosse seien aus einem Maschinengewehr in einem blauen, mit Kameras ausgestatteten Pickup abgefeuert worden. Dem Bericht zufolge identifizierten die Kameras des Kampfroboters Fachrisadeh und bestimmten seine genaue Position – nämlich auf dem Fahrersitz neben seiner Frau – in dem Fahrzeug, mit dem er unterwegs war, und übermittelten diese Daten an den Operator. Der Erfolg der Operation sei laut Darstellung von NYT unter anderen auf umfangreiche Planung und Überwachung durch den Mossad zurückzuführen.
Dabei ist jedoch anzumerken, dass der NYT-Bericht keine neue Enthüllung ist. The Jewish Chronicle hatte bereits im Februar berichtet, Fachrisadeh sei mit einem ferngesteuerten Maschinengewehr ermordet worden, das vom Mossad in den Iran geschmuggelt worden war. Und bereits im Dezember 2020 hatte die Iranische Revolutionsgarde ihre Erkenntnisse bekannt gemacht, dass der iranische Physiker mit einem satellitengesteuerten Maschinengewehr ermordet worden war.
Der Gefängnisausbruch in Israel wurde in vergangenen Tagen von vielen Palästinensern allerdings als peinlich nicht nur für Israel angesehen, sondern auch für die Palästinensische Autonomiebehörde (PA). Die Flucht erfolgte zu einer Zeit, als sich die Beziehungen zwischen Israel und der PA zu verbessern schienen. Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde traf kurz vor dem spektakulären Gefängnisausbruch mit dem israelischen Verteidigungsminister Benny Gantz in Ramallah zusammen. Die von Abbas geführte Palästinensische Autonomiebehörde steckt längst in einer enormen politischen und wirtschaftlichen Krise. Abbas hat mittlerweile dramatisch den früheren Rückhalt in der palästinensischen Bevölkerung eingebüßt, insbesondere seit dem Gaza-Konflikt im Mai.
Sowohl in Gaza als auch im Westjordanland feierten Palästinenser in den letzten Tagen den Ausbruch der sechs Gefangenen aus dem Gilboa-Gefängnis. Palästinenser traten vor die Kameras und feierten die Flucht aus dem sichersten israelischen Gefängnis in sozialen Medien. Einige dieser Videos gingen mittlerweile viral.
Augenscheinlich vor diesem Hintergrund sah sich die NYT veranlasst, eine neue Meldung über die Ermordung Fachrisadeh zu bringen, um die Öffentlichkeit vom aktuellen Versagen des israelischen Inlandsgeheimdienstes abzulenken und das Narrativ über das "starke Israel" im Westen aufrechtzuerhalten.
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