Ein Kommentar von Paul A. Nuttall
Die EU-Fanatiker müssen sich vor Freude die Hände gerieben haben, als sie das Unglück in Kabul auf ihren Fernsehbildschirmen beobachteten. Immer auf der Suche nach Möglichkeiten, ihre eigenen Befugnisse auszuweiten, hatten sie erkannt, dass die Geschehnisse in Afghanistan für Brüssel eine einmalige Gelegenheit geschaffen haben, um noch mehr Kontrolle über seine Mitgliedsstaaten zu erlangen.
Mit dem lädierten Ruf der USA auf der Weltbühne und einem Präsidenten, der als schwacher und unzuverlässiger Verbündeter gilt, nutzt die EU die Gunst der Stunde, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen. In der vergangenen Woche fand ein Treffen der Außen- und Verteidigungsminister der Union statt, an dem auch Vertreter der Vereinten Nationen und der NATO teilnahmen. Dort sagte Josep Borrell, der "Hohe Vertreter der EU", was nichts anderes als Außenminister bedeutet, nach den Ereignissen in Afghanistan sei der Bedarf für eine eigene europäische Verteidigungsfähigkeit so offensichtlich wie nie zuvor. Borrell argumentierte:
"Es gibt Ereignisse, die in der Geschichte zum Katalysator werden. Manchmal passiert etwas, das die Geschichte vorantreibt und einen Durchbruch schafft und ich denke, die Ereignisse in Afghanistan in diesem Sommer sind so ein Fall."
Was Borrell wirklich meinte, ist, dass die Ereignisse in Afghanistan ein für alle Mal bewiesen haben, dass man sich auf die USA nicht verlassen kann, und die Katastrophe von Kabul der Katalysator für die Schaffung einer EU-Armee ist. Die privaten Gespräche, die Borrell bereits mit den EU-Außen- und Verteidigungsministern führt, sind leicht vorstellbar:
"Wenn man den USA nicht mehr vertrauen kann, wer schützt uns dann, wenn wir es nicht selbst tun?"
Die Antwort lautet: Brüssel. Borrell steht innerhalb der EU sicherlich nicht allein mit seinen Argumenten für einen Ausbau der militärischen Fähigkeiten der Union. Claudio Graziano, der Vorsitzende des EU-Militärausschusses, sagte, dass "die Situation in Afghanistan, Libyen, dem Nahen Osten und in der Sahelzone zeigt, dass es jetzt an der Zeit ist zu handeln, beginnend mit der Schaffung einer schnellen europäischen Eingreiftruppe, um den Willen der Europäischen Union zu unterstreichen, als globaler strategischer Partner zu agieren. Wann, wenn nicht jetzt? Später wäre zu spät".
Seit Jahren höre ich von der Idee einer EU-Armee, die in den Brüsseler Korridoren der Macht herumgeistert. Ich erinnere mich daran, wie man Nigel Farage damals erklärt hatte, dass der Gedanke an eine solche Macht eine "gefährliche Fantasie" sei, die im Jahr 2014 dem damaligen britischen Vize-Premierminister Nick Clegg entsprungen ist.
Im Jahr 2016 verkündete der damalige EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker im Europäischen Parlament, dass "wir den Amerikanern viel zu verdanken haben, aber sie werden sich nicht ewig um die Sicherheit Europas kümmern. Das müssen wir selbst tun, deshalb brauchen wir einen neuen Ansatz zum Aufbau einer europäischen Sicherheitsunion mit dem Endziel, eine europäische Armee aufzubauen".
Junckers Argumente haben im Jahr 2016 vielleicht keinen Anklang gefunden. Dank Bidens Fehler in Afghanistan ist es jetzt aber viel leichter, Junckers Ideen zu verkaufen.
Einige EU-Politiker wie der ehemalige belgische Premierminister Guy Verhofstadt, setzen sich seit vielen Jahren für die Idee eines EU-geführten Militarismus ein. Ich erinnere mich, dass ich im Jahr 2018 im Europäischen Parlament in Straßburg saß, als Verhofstadt, der Vorsitzende der Liberalen in dieser Kammer, den Abgeordneten sagte, die EU brauche eine "Kampftruppe". Er beschwerte sich, dass "Frankreich und das Vereinigte Königreich Raketen abfeuern können, nicht aber die Europäische Union".
Aber die Idee einer EU-Armee hat nie richtig Fahrt aufgenommen, da die Argumente dafür nie wirklich überzeugend waren. Gegner des Konzepts würden zu Recht die Notwendigkeit einer EU-Armee in Frage stellen, solange die USA Europa schützen. Außerdem missbilligen EU-Skeptiker wie ich die Idee einer EU-Armee, da dies ein weiterer Schritt hin zu den Vereinigten Staaten von Europa wäre, was das gewünschte Ziel der Brüsseler Fanatiker ist.
Leider hat Bidens Afghanistan-Debakel eines der stärksten Argumente gegen die Schaffung einer EU-Armee torpediert und man kann darauf vertrauen, dass Brüssel in den kommenden Monaten das Beste daraus machen wird. Tatsächlich ist eine der unbeabsichtigten Folgen der Katastrophe von Kabul, dass sie Verhofstadts paneuropäischen militaristischen Albtraum noch realistischer gemacht hat.
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Paul A. Nuttall ist Historiker, Autor und ehemaliger Politiker. Er war von 2009 bis 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments und war ein prominenter Aktivist für den Brexit. Übersetzt aus dem Englischen.
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