von Maria Müller
Trotz der Negativ-Kampagne in den Medien machten sich schon Mitte 2020 zahlreiche Forscherteams an die Arbeit, nach weiteren Möglichkeiten der Pandemie-Bekämpfung zu suchen. Seitdem tauchen immer häufiger Ergebnisse auf, die einen signifikanten Zusammenhang zwischen einer Grippe-Impfung und einem deutlich leichteren Verlauf im Falle einer COVID-19-Erkrankung belegen. Heute gibt es mindestens 30 Untersuchungen aus verschiedenen Ländern, die in die gleiche Richtung deuten.
Eine neue weltweite Datenüberprüfung scheint diese These zu bestätigen. Die Arbeit erhielt ein gewisses mediales Echo, doch bis heute hat sie keine spezielle Reaktion seitens der Regierung oder gar der WHO hervorgerufen. Unter dem Titel "Untersuchung des potenziellen Nutzens des Grippeimpfstoffs gegen SARS-CoV-2: Eine retrospektive Kohortenanalyse von 74.754 Patienten" veröffentlichte die wissenschaftliche Fachzeitschrift PLOS One die Arbeit. Zuvor erschien sie im Juni als Konferenzbeitrag auf dem 31. Europäischen Kongress für Klinische Mikrobiologie und Infektionskrankheiten.
Die Autoren, allesamt Ärzte der Miller School of Medicine der Universität von Miami in Florida/USA, kamen zu dem Schluss, dass der Grippeimpfstoff einen wichtigen Schutz vor einem schweren Verlauf der Krankheit bieten könne.
Die Studie wurde anhand von Patientenakten aus Ländern wie den USA, Großbritannien, Deutschland, Italien, Israel und Singapur durchgeführt. Das Team durchsuchte anonymisierte elektronische Krankeninformationen in der Forschungsdatenbank TriNetX Live USA Network von mehr als 70 Millionen Patienten und wählte zwei Gruppen von je 37.377 Personen aus. Beide Gruppen hatten eine COVID-19-Diagnose, doch nur die Patienten der einen Gruppe erhielten zuvor eine Influenza-Impfung.
Die Analyse ergab, dass diejenigen ohne vorherige Grippeimpfung mit einer signifikant höheren Wahrscheinlichkeit (bis zu 20 Prozent wahrscheinlicher) auf die Intensivstation kamen. Sie besuchten auch deutlich häufiger die Notaufnahme (bis zu 58 Prozent), entwickelten ein generelles Organversagen – Sepsis (bis zu 45 Prozent häufiger), einen Schlaganfall (bis zu 58 Prozent häufiger) oder eine tiefe Venenthrombose – TVT (bis zu 40 Prozent wahrscheinlicher). Das Sterberisiko war jedoch in beiden Gruppen gleich, was sich angesichts der starken Unterschiede bei den zuvor genannten lebensbedrohlichen Faktoren nicht schlüssig erklären lässt.
Insgesamt weisen die Ergebnisse – so meinen die Autoren der Studie – stark darauf hin, dass der Influenza-Impfstoff vor schweren Auswirkungen von COVID-19 schützen kann. Die Grippeimpfung könne das angeborene Immunsystem insgesamt stärken und die T-Zellen und B-Zellen seiner Verteidigungs- und Angriffslinien aktivieren.
Untersuchungen aus Italien und den USA sprechen von einem direkten Zusammenhang: Je höher die Impfrate gegen Influenza war, desto niedriger sei die Sterblichkeit durch COVID-19, vor allem in der Altersstufe ab 65 Jahren.
Ähnliches bestätigt nun auch ein Forschungsteam der Universitätsmedizin Münster. Die Ergebnisse zweier Studien zeigen, dass eine frühere Infektion mit einem bestimmten Corona-Erkältungsvirus das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf abschwächt. Das Gedächtnis des Immunsystems kann demnach die gefährlichere SARS-CoV-2-Variante besser oder schneller erkennen und bekämpfen. Laut den Autoren soll dieser Effekt jedoch nur bei einem der vier früher bekannten humanen Coronaviren funktionieren, dem OC43. Nur wer sich mit diesem Virus angesteckt hatte, könne durch eine frühere Erkältung auf einen milderen Verlauf nach SARS-CoV-2-Infektion hoffen. Das Prinzip dahinter wird Kreuzimmunität genannt.
Andere Studien unterscheiden nicht zwischen den vier humanen Coronaviren und schreiben ihnen allen gleichermaßen die Fähigkeit zu, die T-Zellen (Gedächtnis) und B-Zellen zu stimulieren. Auch soll eine Grippeimpfung die Gefahr eines Herzinfarktes vermindern.
Andreas Thiel, Immunologe und Forscher an der Charité Berlin, erklärt den Mechanismus genauer:
"Die T-Helferzellen werden als erstes aktiviert. Sie wecken die B-Zellen, die die Antikörper machen, mit deren Hilfe die Killerzellen aktiviert werden, die die Virus-befallenen Zellen direkt eliminieren."
Die sogenannte Kreuzreaktion bedeutet, dass diese Zellen auf Strukturen reagieren, die bei einem früheren Erkältungs-Coronavirus und dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 gleich sind. Sie sind für ein breiteres genetisches Spektrum programmiert, nicht nur auf ein oder zwei Sequenzen des Spike-Proteins.
Die T-Gedächtniszellen gegen COVID-19 werden stimuliert.
Eine Forschergruppe an der Universität Tübingen kam zu den gleichen Ergebnissen. Danach haben 81 Prozent der Bevölkerung bereits mit verschiedenen Corona-Erkältungs- und Grippeviren Kontakt gehabt. Deshalb haben sich entsprechende Gedächtniszellen gebildet, die durch die jährliche Grippeimpfung "stimuliert" werden können. Sie würden auch auf das Virus reagieren, das COVID-19 auslöst.
In Tübingen forscht man darüber hinaus an einem Impfstoff, der solche erinnerungsfähigen T-Zellen gegen SARS-CoV-2 aktivieren soll. Denn in einer Untersuchung stellte sich heraus, dass sechs Monate nach einer COVID-19-Infektion immer noch starke T-Zellenreaktionen vorhanden waren, während die Antikörperzahlen bereits deutlich abfielen. Man verspricht sich von dem Verfahren eine gute Langzeitwirkung. Die Verträglichkeit mit nur leichten Nebenwirkungen habe sich in ersten Test-Phasen bereits gezeigt. Das neue Medikament soll zuerst bei Personen mit Immunschwäche eingesetzt werden.
In einem Daten-Prüfverfahren in den USA mit 27.201 Patienten, das in der Fachzeitschrift ScienceDirect veröffentlicht wurde, kamen die Grippe-Geimpften und positiv Getesteten seltener – oder kürzer – ins Krankenhaus. Sie mussten auch weniger häufig mechanisch beatmet werden. Außerdem hatten die gegen Influenza geimpften Patienten im Vergleich zu nicht Geimpften weniger PCR-positive Werte (24 Prozent).
Corona-Impfung und Influenza-Impfung vergleichen
Wenn die Grippeimpfung gemäß den Testergebnissen ähnliche Immunreaktionen gegen COVID-19 hervorrufen kann (s.o.) wie die bisher verabreichten Corona-Impfstoffe, wäre zu bewerten, wie groß die graduellen Unterschiede wirklich sind. Denn die Behauptung, die Corona-Impfungen würden die Ansteckungsgefahr rundum ausräumen, erweist sich als immer weniger haltbar. Weder Impfstoffe noch durchlaufene Corona-Infektionen können das Ein- und Ausatmen von Viren verhindern. Das ginge nur mit mindestens täglichem antiviralem Gurgeln und mit antiseptischen Mund-Nasen-Sprays. Seit Beginn der Kampagne gibt es über 10.000 Impfdurchbrüche. Auch zweimal Geimpfte können infektionsfähige Viren aufnehmen und weiterverbreiten.
Die Influenza-Impfung hat – im Gegensatz zu den bisher verabreichten Anti-COVID-Vakzinen – keine nennenswerten Nebenwirkungen. Um ihre Effektivität zu steigern, sollte das Erkältungsvirus Corona OC43 in der Zusammensetzung des Impfstoffes speziell berücksichtigt werden. Das sagen auch die Forschungsergebnisse der Universität Münster. Auch eine mögliche Zweifach-Dosierung müsste untersucht werden.
Es gibt noch keine Vergleichsdaten bezüglich der Effektivität des Influenza-Impfstoffs gegenüber den mRNA-Vakzinen und den Vektor-Impfstoffen. Insofern ist die weitverbreitete Behauptung, die Grippeimpfung sei weniger effektiv, zumindest nicht mit Evidenzdaten untermauert. Die aktuellen Studien machen hingegen Hoffnung.
Wenn die Influenza-Impfung dazu beiträgt, infektionsfähige Viren abzuschwächen und so weniger zu verbreiten, sollte sich das in den für Oktober geplanten Maßnahmen schnellstens niederschlagen. Falls diese Impfung vertrauenswürdiger ist und somit von denjenigen akzeptiert werden kann, die sich bislang vor gefährlichen Nebenwirkungen der Anti-COVID-Impfungen schützen wollten, müssen die Karten völlig neu gemischt werden. Die Regierung dürfte dazu verpflichtet sein, das Recht auf eine freie Wahl von Medikamenten und Therapien – also auch auf eine freie Wahl von verschiedenen Impfstoffen – anzuerkennen. Hier geht es um ein Patienten- und somit ein Menschenrecht, das gerade in der COVID-19-Pandemie schon viel zu lange mit Füßen getreten wird.
Eine verstärkte Förderung der Grippeimpfung
Die Grippeimpfung ist auf jeden Fall sinnvoll, nützlich und notwendig, um COVID-19 abzumildern und um vor einer zweifachen Infektion zu schützen, nämlich Grippe und COVID-19 zusammen. Die hohe Sterblichkeitsrate der "COVID-19-Welle" zwischen Oktober 2020 und Juni 2021 dürfte von zusätzlichen Grippeinfektionen oder Zweifach-Infektionen mitverursacht worden sein. Der PCR-Test unterscheidet schließlich gar nicht zwischen Influenzaviren und COVID-19 auslösenden Coronaviren.
Die Bereitschaft zur Impfung mit dem Influenza-Vakzin hat in Deutschland in den vergangenen Jahren nachgelassen. Nur rund ein Drittel der Über-65-Jährigen lässt sich impfen, man bleibt damit in Deutschland hinter den Zahlen der Nachbarländer um gut 10 bis 20 Prozent zurück. Vielleicht wären breitflächige Grippeimpfungen in dieser Altersstufe sinnvoller als eine dritte Dosis Comirnaty von Pfizer/BioNTech und Co. Die zahlreichen Todesfälle nach den COVID-19-Impfungen in dieser Altersstufe sollten alarmierend genug sein, um das alles sorgfältig zu bedenken.
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