Ein Kommentar von Dagmar Henn
Drehtürpolitiker, so nennen Kritiker jene Parteivertreter, die zwischen der Politik und gut dotierten Jobs in der Wirtschaft hin- und herpendeln. Wenn es in dieser Gattung einen gibt, der das Spiel auf allerhöchster Ebene spielt, dann dieser: Friedrich Merz. Und dem Unionskandidaten Armin Laschet, dessen Umfragewerte kontinuierlich sinken, fiel nichts Besseres ein, als dieses Flaggschiff der konzerngesteuerten Politik wieder nach vorne zu schieben.
Friedrich Merz gilt in Unionskreisen als Finanz- und Wirtschaftsexperte. Dabei kennt er in beiden Bereichen nur eine Lehre, die der Chicago Boys, und nur ein Ziel, maximale Profite für die Konzerne. Seine Zeit als Aufsichtsratschef der bekanntesten Heuschrecke Blackrock in den Jahren von 2016 bis 2019 dürften daran nichts zum Besseren geändert haben.
Bereits im Jahr 2005 stand er in den Startlöchern für höhere Weihen. Er forderte, eine Steuererklärung müsse auf einen Bierdeckel passen. Dies war die bildliche Formulierung für etwas, das unter der Bezeichnung "flat tax" bekannt ist: Ein einheitlicher Steuersatz für alle, Arm wie Reich, der natürlich den Reichen wesentlich mehr nützt als den Armen. Die Steuerprogression ist im Grunde eine soziale Idee; wer mehr hat, soll auch mehr beitragen. Merz aber hat keinen sozialen Knochen im Leib.
Damals äußerte er sich so: Wenn von jedem Gewinn ohne Ausnahmen 25 Prozent Steuern abgezogen würden, dann lohne sich die Verlagerung von Gewinnen in ausländische Finanzierungsgesellschaften nicht mehr.
Es war die Regierung unter Gerhard Schröder, die den Kapitalgesellschaften den Gefallen tat, die Körperschaftsteuer zu senken. Mit dem Ergebnis, dass die Körperschaftsteuer nur noch knapp über 4 Prozent des Steueraufkommens liefert, die Spielchen mit den Steueroasen aber weiter laufen. Die Haupteinnahmequellen des Staates sind inzwischen die Umsatzsteuer, die Lohnsteuer und die Energiesteuer. Zwei davon müssen selbst die Ärmsten in diesem Land zahlen.
Neben Steuersenkungen für Unternehmen forderte Merz damals auch eine Erhöhung der Arbeitszeit auf 42 Stunden. Im Grunde ist damit bereits skizziert, für wen er spricht und für wen nicht.
Aber er kann noch mehr. In der Debatte um die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts schenkte er der Welt den Begriff "Leitkultur". Wahrscheinlich spukte in seinem Hinterkopf dabei der Begriff "Leitwolf". Wobei, gegen rechtlose Billigarbeitskräfte hat er nichts, nur bürgerliche Rechte sollten sie nicht erhalten.
Wenn Merkel mit ihrem Ideal der "schwäbischen Hausfrau" schon dafür gesorgt hat, dass sich die deutsche Exportindustrie nach dem Jahr 2008 auf Kosten der Nachbarländer erholte, ohne dass die abhängig Beschäftigten davon etwas abbekamen, dann ist Merz in dieser Hinsicht Merkel auf Steroiden.
Volkswirtschaft ist ein Begriff, den er nicht kennt. Sein Ideal ist es, alles zu privatisieren, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Wenn heute schon das Gesundheitssystem aus dem letzten Loch pfeift, weil es durch Fallpauschalen und Privatisierungen einzig auf Gewinnerzeugung getrimmt wurde, dann wird Merz noch andere Bereiche finden, die man in diesen Zustand versetzen könnte.
Die SPD, die ebenfalls vom neoliberalen Virus durchseucht ist, konnte sich trotz des Skandals, dass die Hälfte der Rentner inzwischen von weniger als 800 Euro leben muss, nicht dazu durchringen, eine Verbesserung auch nur zu versprechen. Man hält es für überzeugend, mit einem "Nicht-noch-Weniger" zu werben. Merz hält selbst das noch für "das Blaue vom Himmel herunter versprechen". Er ist offenkundig der Meinung, da sei noch was zu holen für Blackrock und Co. Den nächsten Vorschlag zur Rentenprivatisierung hat er bestimmt schon in der Anzugjackentasche.
Er war Gründungsmitglied der "Intitiative Neue Soziale Marktwirtschaft", einer Lobbyorganisation der Metallindustrie, die den Boden für die Hartz-Gesetze bereitet hat. Er war Vorsitzender der Atlantik-Brücke, jenes Clubs, der die innige Nähe zum Kriegstreiber USA verficht. Er war in Anwaltskanzleien tätig, die Gesetze zur Enthemmung der Finanzmärkte vorbereitet haben. Wohin man bei ihm sieht, es findet sich nichts, das einen Vorteil für die Durchschnittsbürger dieses Landes verspricht, aber viele Vorteile für Herrn Friedrich Merz persönlich.
Übrigens stand ganz am Anfang seiner Karriere eine Tätigkeit für den Verband der chemischen Industrie, und auch später finden sich noch Verbindungen zur BASF. Ansonsten ist die Liste seiner Beschäftigungen und Aufsichtsratsposten ein Gemischtwarenladen, von Versicherung bis zur Hygienepapierfabrik. Wer Näheres wissen will, wird auf Nachdenkseiten.de fündig.
Wenn es nach Merz gegangen wäre, wüssten wir nur halb so viel über ihn. Als es darum ging, ob Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte offenlegen sollten, war er vehement dagegen.
Dass er nun wieder hervorgeholt wird, deutet an, dass die Kosten für all die großzügigen Geschenke, die im vergangenen Jahr an diverse Konzerne gingen, auf die übliche Weise wieder hereingeholt werden sollen: Indem man der Bevölkerung noch tiefer in die Taschen greift. Ob das über eine höhere CO2-Steuer oder einen Aufschlag bei der Mehrwertsteuer geschieht, wird die Zukunft zeigen. Sollte Friedrich Merz irgendeinen Posten in einer künftigen Regierung erhalten, ist dieser Griff in die Taschen der Bürger garantiert.
Er wird dabei weiterhin tröten, Staatsschulden seien eine Belastung für kommende Generationen, aber bei den Unternehmen könne man nichts holen. Dabei ist ganz klar, wer von den unter dem Etikett "Pandemie" stattgefundenen Umverteilungen gewonnen und wer verloren hat. Eine ganze Reihe von Milliardären hat jetzt jedenfalls doppelt so viel Vermögenswerte wie davor. Merz weiß jedoch, für wen sein Herz schlägt, und er wird sich an Rentnern und Geringverdienern schadlos halten.
Sollte er kein Minister werden, wird er ganz schnell wieder an die Fleischtöpfe des Finanzmarktes zurückkehren. Das ist der einzige Trost, der bleibt. Denn inzwischen hat sein Lebensentwurf derart viele Nachahmer gefunden, dass man die Drehtür schon zumauern müsste, wollte man wieder Politiker haben, denen man zumindest ansatzweise abnehmen könnte, dass sie das Volk vertreten.
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