Bundesagentur wittert eine "umfassende Besserung am Arbeitsmarkt"

Zu Monatsbeginn veröffentlichte die Bundesagentur für Arbeit wieder neue Zahlen. Was hochbezahlte Manager dort munter vortragen, hat einen tragischen Hintergrund. Es geht um mehr als nur um den größten Einzelhaushaltsposten im Bundesetat. Grund genug für eine kritische Betrachtung.

Ein Schlaglicht von Stephan Fein

"Im Mai zeigen sich erste Anzeichen für eine umfassende Besserung am Arbeitsmarkt ..." Mit diesen Worten beginnt der monatliche Zahlen-Euphemismus der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Der Vorstandsvorsitzende, Detlef Scheele, hält mal wieder Hof und berichtet gar über "erwirtschaftete Gelder seiner Behörde", die jeden Monat eigentlich nur Gelder aus dem Bundesetat und der Arbeitslosenversicherung entnimmt und umverteilt. "Erwirtschaftet" im Sinne einer Gewinn-Verlust-Rechnung wird dort rein gar nix. Eher hat die Zentrale der Arbeitslosigkeitsverwaltung in Nürnberg etwas von einem Tempel aus Stahlbeton, in dem ein Vorstandsvorsitzender für 400.000 Euro im Jahr die Lage der Nation gesundzubeten hat. Um es kurz zu machen: Es geht um eine minimale Verbesserung der Arbeitslosenquote gegenüber dem Vormonat – um sage und schreibe -0,1 Prozentpunkte niedriger auf 5,9 Prozent. Das ist für ihn die genannte "umfassende Besserung."

Das wird dann sorgsam unterteilt – nach Arbeitslosen, Unterbeschäftigten und Erwerbslosen. Und natürlich gibt's da noch die 95.000 Beschäftigten in "Kurzzeit", die irgendwie dazwischenliegen und wenigstens nicht den Großbetrieben, sondern auch "dem Staat" auf der Tasche liegen. Aber eigentlich natürlich dem Steuerzahler, also uns selbst. Nicht dabei sind all die Umzuschulenden, die Selbstversorger, die Frührentner, die Aussteiger, die Resignierten etc. Derzeit zählt die Agentur 2.687.000 "Kunden", also Menschen, die noch nach Arbeit fahnden und nicht weggezaubert werden. 

Nach einer halben Stunde sind gleichfalls geschulte und hier bestens bekannte, akkreditierte Pressevertreter vom Schwall der Worte des großen Vorsitzenden sediert. Niemand fragt nach. Die neuen Rubriken wie Kurzarbeiter werden ja gemäß Ankündigung des Wirtschaftsministers wohl doch noch bis in den Herbst hinein verlängert bezahlt. Also auch das kein Anlass für kritische Fragen. Außerdem war der vergangene Mai ja bereits "massiv von der Corona-Krise betroffen." Deren Folgen belaufen sich auf ein Plus von gut 450.000 Arbeitslosen. Man achte auf die feine Wortwahl. Die Behörde, die bereits ein Plus "erwirtschaftet" hat, konnte noch ein "Plus" vermelden.   

Es hagelt weitere, akademische Indizes und Konzepte, wie etwa das "ILO-Erwerbskonzept" vom Statistischen Bundesamt. Hier wird noch einmal die Erwerbslosenquote ermittelt, aber anders. Hier liegen wir im April auf 4,6 Prozent. Also noch weniger! Auch die Unterbeschäftigung, die auch kurzfristige Arbeitsunfähigkeit berücksichtigt, lag im Mai bei 3.492.000 Personen. Huch, das sind ja doch mehr, als die zuvor genannten Arbeitslosen? "Das waren 90.000 weniger als vor einem Jahr." Na also: Es geht doch! Aber immerhin knapp 3,5 Millionen.

Nach einer Dreiviertelstunde ist der Zauber der neuen Zahlendarbietung verflogen, die Mails an die digitalen Medien sind längst verschickt und werden gerade von Tausenden von dankbaren Redakteuren wiedergekäut. Oft lesen sich die in gefühlskalte Zahlen heruntergebrochenen menschlichen Schicksale dann wie Börsenberichte: "Zwischen Juni 2020 und Dezember 2020 ist die Arbeitskräftenachfrage wiederum gestiegen, der BA-X erhöhte sich von 91 auf 99 Punkte (Februar 2021: 97 Punkte)"

Dabei stieg – wie die Sozialverbände wissen – die Zahl der Langzeitarbeitslosen kontinuierlich an. Das sind alle, die länger als ein Jahr ohne Job und oft raus aus dem "Kundenkreis" des Arbeitslosen-Geldes 1 sind. In Berlin liegt die Quote bei 10,1 Prozent, darunter mit einem sehr hohen Langzeitarbeitslosenanteil von über der Hälfte. Hier gibt es offiziell auch 3.700 mehr Arbeitslose, also eher keine "umfassende Besserung".

Was die Geldzahlungen der ein "Plus erwirtschaftenden Agentur" angeht, so bekommen wirklich immer weniger Leute Geld von der Agentur: 870.000 Personen erhielten im Mai 2021 Arbeitslosengeld, also 153.000 weniger als vor einem Jahr. Der Rest rutschte also bereits in die Sozialhilfe. Und dann doch noch eine Zahl, die so gar nicht zum Rest der verbratenen Zahlen passt: 7,2 Prozent der in Deutschland lebenden Personen im erwerbsfähigen Alter waren damit hilfebedürftig. Und es werden mehr. Mit 164,92 Milliarden war der Posten "Arbeit und Soziales" im Haushaltsjahr 2021 vermerkt. Das ist der mit Abstand größte Posten im Bundeshaushalt. Dass das nicht alles bei den "Kunden" ankommt, sondern im Wirtschaftsmechanismus und oft auch in der Weiterbildungslobby hängenbleibt, ist offensichtlich niemandem aufgefallen.

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