Max Otte wird Bundesvorsitzender der Werteunion – Eine Kampfansage an die Merkel-CDU und Laschet

Am Samstag wählte die Werteunion den Ökonomen Max Otte zu ihrem neuen Bundesvorsitzenden. Die Reaktionen auf seine Wahl sind heftig. Bundeskanzlerkandidat Laschet und die Merkel-CDU gehen auf größtmögliche Distanz – zu einem, der schon dreißig Jahre Christdemokrat ist und über jede Menge ökonomischen Sachverstand verfügt.

Von Kaspar Sachse

Seit Samstag ist der 56-jährige Ökonom Max Otte Vorsitzender der umstrittenen Werteunion. Der rechtskonservative Thinktank, der etwa 4.000 Mitglieder hat, ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Plankstadt in Baden-Württemberg. Auf der Homepage begrüßt einem der Slogan: "Nur mit links gewinnt man gar nix" und mit "Freiheit statt Sozialismus" wolle man den "konservativen Markenkern" der CDU und CSU vertreten bzw. stärken.

Kritik an der "Ära Merkel"

Der ist freilich in der "Ära Merkel" und der einhergehenden "Kapitalsozialisierung" (Max Otte) bzw. einem "Finanzsozialismus von oben" (Ernst Wolff) und mit vehementem Anbiedern an den globalistischen Zeitgeist bei der Union nur noch spärlich zu finden. Nicht zuletzt stellte die Gründung und Etablierung der AfD auf die "alternativlose" Politik Merkels zu den Themen EU und Euro, Flüchtlingskrise, Klimawandel und nicht zuletzt der Corona-Krise eine unmittelbare Reaktion darauf dar. Die damit gerufenen "Geister" wird man nun nicht mehr los.

Dazu haben auch SPD, FDP, Grüne und ebenso die Linke beigetragen. Alle wurden diesbezüglich mehr oder weniger auf Linie gebracht oder deren Ziele wie die Vorgaben der Grünen zur Reduktion der CO2-Emissionen fast eins zu eins von der Union adaptiert. Für viele alte CDUler, aber auch FDP-Mitglieder, ist das kaum noch tragbar. Gerade deren Verbände in den ostdeutschen Bundesländern hadern massiv mit dem Merkel-Kurs, der vom Duo Laschet/Spahn am liebsten ab September in der Koalition mit den Baerbock-Grünen fortgesetzt werden soll. 

Krisenanalyse

Auch Max Otte und die Werteunion wollen das nicht. Seitdem er sich mehrfach gegen Merkels Politik ausgesprochen hat, sind seine Einladungen in Talkshows in den Öffentlich-Rechtlichen gen null tendiert. Dafür stellt er seine lesenswerten Bücher in den alternativen Medien vor. In seinem vorletzten Buch "Die Krise hält sich nicht an Regeln" analysiert er das Narrativ der ungehemmten Globalisierung und schließlich den damit verbundenen "Corona-Crash".

Nicht zuletzt sieht er den Abstieg der Mittelschicht einerseits und das Anwachsen einer unfähigen, oft selbst ernannten politisch-ökonomische "Elite" andererseits entsprechend geframed von großen Teilen der etablierten Medien und "wissenschaftlichen Experten" als Ursache der gesellschaftlichen Polarisierung hierzulande an. Die bewegt sich in eine ähnliche Richtung wie in den USA und verheißt nichts Gutes. Er analysiert auch mit Rückgriff auf die Geschichte und zum Teil anknüpfungsfähig an die letzten noch verbliebenen, dialektisch denkenden Linken á la Sahra Wagenknecht:

"Die Mittelschicht, das 'Bürgertum', ist das Fundament unserer Demokratie. Wenn dieses Fundament bröckelt, bröckelt auch die Demokratie. Globalisierung und Abstieg der Mittelschicht hängen ursächlich zusammen."

Derlei Aussagen sind für viele derzeit verantwortliche Politiker der blanke Horror. Gerade deshalb, weil sie die Realität wiedergeben und den Aufstieg der AfD beschleunigen. So hat die GroKo unter Merkel nicht lange gezögert und große Konzerne wie Lufthansa oder Adidas mit Milliardensummen an Steuergeldern in der Corona-Krise subventioniert. Während große Teile des Mittelstandes – vom Gastronomen über den Einzelhändler bis zum selbstständigen Musiker – eben Pech hatten und zum Teil noch heute auf Unterstützung warten. Bei einem Gang durch die Innenstädte fällt das vielleicht auch den glücklichen Angestellten im Homeoffice auf. 

Wie "rechts" ist Otte?

Otte polarisiert – obwohl er in Interviews stets versöhnlich wirkt. So wühlt der Spiegel in dessen Vergangenheit und hält fest:

"Otte sagte der Wirtschaftswoche, [anno 2017 unter Frauke Petry], bis auf Björn Höcke sei die AfD "nicht rechtsradikal". Die AfD sei vielmehr "zu 90 Prozent eine bürgerlich-konservative Partei."

Die Aussage kann man durchaus kritisch sehen, genau wie ein nur schwer entschuldbarer Tweet zum Fall "Walter Lübcke" 2019. Den löschte Otte zeitnah und entschuldigte sich dafür. Über all das kann man trefflich streiten. Der einseitige Fokus zeigt allerdings, dass die Spiegel-Redaktion weder einen Blick in Ottes letzte Bücher noch in seine zahlreichen Interviews der letzten Jahre geworfen hat. Zusammen mit den Büchern von Markus Krall, Dirk Müller und Florian Homm – möge man von deren politischen Einstellungen und Zielsetzungen halten was man will – lernt man dort mehr über Wirtschaft und Finanzen als im BWL-Studium oder vom Chef des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher. Im Gegensatz zu den genannten Herren ist er ein häufig gesehener Gast in deutschen Talkshows.

Reaktionen auf Ottes Wahl 

Erstaunlich heftig fallen die Reaktionen in der politischen Landschaft, die nach Ottes Wahl zum Vorsitzenden der Werteunion offenbar eine Schwarz-Grüne-Koalition ab Herbst und ihre Machtoptionen dadurch gefährdet sehen, aus. Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer der Grünen, verlangte reflexartig und noch am Samstag vom CDU-Chef Armin Laschet eine "Brandmauer gegen Rechtsaußen":

Und prompt kam von oberster Stelle die gewünschte Kritik, nachdem die FAZ am Sonntag festhielt:

"Die CDU schweigt lieber darüber, wen sich eine Strömung innerhalb der Partei da zum neuen Vorsitzenden gewählt hat: einen Mann mit Nähe zu AfD-Positionen."

So äußerte sich dann Bundeskanzlerkandidat Armin Laschet zu Otte und und der Werteunion im Deutschlandfunk, denn die habe

"mit der CDU nichts zu tun. Das haben wir gestern im Bundesvorstand noch einmal betont. Und die Positionen von Herrn Otte teile ich nicht und wir werden auch mit ihm keine Gespräche führen".

Überraschender wirkte dagegen die Aussage des Ex-Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen, der in Südthüringen in ein Bundestagsmandat anstrebt. Bei Twitter verriet er:

Vermutlich auch aus dem Grund, nicht zu viele Baustellen aufzumachen, trat Otte im Januar aus dem Vorstand der AfD-nahen Erasmus-Stiftung zurück. Seine Begründung war damals:

"Mit dem Projekt FDP 2.0 und möglicher Rentenprivatisierung würde sich die AfD in die Bedeutungslosigkeit katapultieren. Ich werde mich auf mein ehrenamtliches Engagement für eine bürgerliche und soziale Politik bei Werteunion und dem Neuen Hambacher Fest konzentrieren."

Hintergrund war der parteiinterne Streit in der AfD, zu dem die Zeit resümierte:

"Die Stiftung habe sich bedauerlicherweise in diesen Konflikt hineinziehen lassen, so Otte. Er selbst sei aber der Auffassung, dass die AfD im Parteienspektrum ohne Einbindung des sogenannten nationalkonservativen Flügels auf Dauer keine Chance haben werde, begründete Otte seinen Ausstieg."

Dass Otte damit nicht zwingend den völkischen "Flügel" meinte, sollte nach seiner oben erwähnten Aussage über Björn Höcke jedoch klar geworden sein.

Quo vadis CDU?

Es bleibt also festzuhalten: Etwas frischer Wind eines "alten Hasen", und vor allem ökonomischer Sachverstand, kann der CDU nicht schaden. Denn es stellt sich die Frage, wer sich in der "Ära Merkel" mehr verändert hat? Die CDU oder die Ansichten des langjährigen Parteimitgliedes Max Otte?

Mehr zum Thema - Bundesregierung plant "Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage"

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.