von Eva Bartlett
Scheinheilig behaupteten westliche Staatschefs, sich um die Syrer zu sorgen und sicherstellen zu wollen, dass sie demokratisch leben. Dieser Fürsorge und dieser Sehnsucht nach Demokratie für Syrien muss es wohl geschuldet sein, dass sie Terroristen aus aller Welt finanzieren und bewaffnen, damit diese die Syrer abschlachten und ihre Häuser, Regierungsgebäude und historische und kulturelle Stätten zerstören. Jedenfalls tun sie weiterhin alles in ihrer Macht Stehende, um den Syrern die Ausübung ihres Rechts zur Wahl ihres Präsidenten schwer bis unmöglich zu machen.
Mit der Schließung syrischer Botschaften in zahlreichen Ländern rund um den Globus machte die westliche Allianz ihren Unwillen, dass das syrische Volk sein demokratisches Wahlrecht ausübe, überdeutlich – ob man vergangene oder zukünftige Präsidentschaftswahlen betrachtet. Man weiß genau, dass die Syrer sich massenweise zu den jeweiligen Botschaften bewegen würden, um für ihren Präsidenten zu stimmen.
Um das Jahr 2012 herum wurden die Mehrzahl der syrischen Botschaften in den westlichen Ländern sowie den Golf-Staaten mit der Begründung geschlossen, die syrische Regierung greife friedliche, demokratisch gesinnte Demonstranten brutal an, weshalb man die syrische Regierung nicht mehr anerkenne. Diese Lügen überzeugten viele davon, dass dieses Narrativ des Westens die Wahrheit sei – und das ist nach den Lügen über Massenvernichtungswaffen im Irak und den unzähligen anderen Lügen, mit denen man Kriege vermarktet hatte (über die ich in meinem Artikel zum Jahrestag des Krieges gegen Syrien berichtete), schier unglaublich.
Aber nun schreiben wir das Jahr 2021, und inzwischen wissen wir: Dies war ein vorsätzlicher, grausamer Krieg gegen die Menschen in Syrien, angefacht von Medien, die sich wahrlich keinen Deut um Menschenleben in Syrien kümmern.
Auch Kanada gehörte zu jenen Staaten: Es brach selbstgerecht die Beziehungen zur syrischen Regierung ab (während es verdeckt den Terrorismus in Syrien und später Neonazis in der Ukraine unterstützte) und schloss syrische Botschaften.
Eine Freundin aus Toronto, die syrische Kanadierin Lulwa Kassawat, beklagte sich bei mir, dass sie auch in diesem Jahr schon wieder nicht wählen kann – weil Kanada syrische Botschaften nach wie vor geschlossen hält.
Im April schrieb sie auf Facebook:
"Jetzt, wo Wahlen in Syrien anstehen, aber Syrer in Kanada wegen der fehlenden diplomatischen Vertretung nicht wählen können, angesichts weiterer Sanktionen gegen Syrien, deretwegen Zivilisten sterben, angesichts rechtswidriger Anschuldigungen wegen inszenierter chemischer Angriffe – was können wir da Besseres zum Bekräftigen unserer Treue tun, als zu Syrien, zum syrischen Volk und Präsidenten zu stehen? Ihr könnt uns von einer Wahl abhalten – aber nicht davon, unseren Präsidenten zu unterstützen."
Kevork Almassian, ein in Deutschland lebender Syrer, wird seit Jahren unerbittlich von deutschen Medien für seine Haltung schikaniert: Weil er voll und ganz hinter Syriens Armee und dem Präsidenten steht, setzen sie sich sogar für seine Abschiebung zurück nach Syrien ein.
"Wenn sie es schaffen, mich vor denjenigen abzuschieben, die eine Sicherheitsbedrohung für Deutschland darstellen – einschließlich islamistischer Radikaler, die in Deutschland Verbrechen begingen –, dann schafft das einen gefährlichen Präzedenzfall. Damit würde man den Syrern im Wesentlichen sagen: Haltet die Schnauze, sprecht nicht positiv über eure Regierung. Mein Fall ist in Deutschland sehr gut bekannt. Die meisten Syrer in Deutschland, die hinter der Regierung stehen, kennen mich wegen der gegen mich geführten Medienkampagne. Aufgrund dessen, was mir widerfuhr, haben viele Syrer Angst, zu Demonstrationen oder wählen zu gehen."
In den vergangenen zwei Jahren wurde Almassian mehrfach von Sympathisanten der Freien Syrischen Armee (FSA) und anderer terroristischer Gruppierungen verfolgt, verleumdet, belästigt und sogar körperlich angegriffen. Diese Angriffe erfolgten nach einer Hetzkampagne durch deutsche und türkisch-katarisch finanzierte Medien. Almassian kommentierte dies trocken:
"Die Medien, genauso wie die Regierung und die meisten politischen Parteien, sind gegen patriotische Syrer. Sie stellen die Menschen, die für Assad sind, als Faschisten dar."
In Deutschland wirken außer möglichen Verleumdungen oder Angriffen noch weitere Faktoren, die syrische Flüchtlinge von der Wahl abhalten könnten. Zumeist haben sie keinen offiziellen Flüchtlingsstatus inne (sondern genießen meist lediglich subsidiären Schutz). Und damit riskieren sie nach deutschem Recht, wenn der Krieg aufhört (oder die Laune der deutschen Regierung unverhofft umschlägt), zurück nach Syrien abgeschoben zu werden – selbst wenn sie eine Arbeitserlaubnis haben oder gerade an einer deutschen Hochschule studieren.
Obwohl im Jahr 2014 die syrische Botschaft geöffnet war, entzog die deutsche Regierung Syrern in Deutschland deren Wahlrecht: Die Polizei vor der Botschaft hinderte die Menschen daran, sie zum Zwecke der Stimmenabgabe zu betreten. Und so fanden sich Syrer zwar an der Botschaft ein, um zu wählen – aber die Polizei ließ sie nicht hinein.
Auch in diesem Jahr verbot die Bundesregierung der syrischen Gemeinde in Deutschland die Teilnahme an der Präsidentschaftswahl.
Johnny Achi, ein Syrer in den USA, kommentierte dies mir gegenüber so:
"Genauso wie schon im Jahr 2014 macht es die Schließung der syrischen Botschaften vielen Millionen Syrern auf der ganzen Welt sehr schwer, ihre Stimme in einer Sache abzugeben, die in den meisten Ländern weltweit nicht nur als ein Recht, sondern als eine Pflicht gilt. Wie auch im Jahr 2014 müssen auch in diesem Jahr viele Syrer, die ihr Wahlrecht ausüben wollen, Reisekosten auf sich nehmen und nach Syrien kommen – sofern sie es sich leisten können."
Syrische Präsidentschaftswahlen 2014
Im Jahr 2014 begaben sich Syrer aus der ganzen Welt in der Tat nach Damaskus – einfach nur, um wählen zu können, weil in ihren damaligen Aufenthaltsstaaten die syrischen Botschaften von ebendiesen Staaten geschlossen worden waren.
Im Libanon, wo ich mich zu der Zeit aufhielt, war die Wahlbeteiligung erstaunlich: Die dortige Botschaft beraumte außerplanmäßig einen zweiten Tag zur Stimmabgabe an, um allen Syrern, die zur Wahl kamen, auch wirklich die Möglichkeit dazu zu geben.
Damals schrieb ich:
"Aus einem der Busse, die in endlosen Strömen herangefahren waren, stiegen die darin eingepferchten Syrer aus und gingen zu Fuß weiter. Die Massen zogen es vor, die verbleibenden wenigen Kilometer zu Fuß zu gehen, anstatt im Stau zu stehen – den sie selbst, die sie zu Zehntausenden zur Wahl herbeiströmten, verursacht hatten."
Ich lief mit ihnen mit und sprach den Großteil des Nachmittags mit Syrern darüber, warum sie zur Stimmabgabe gekommen waren. Auch trotz des zusätzlichen zweiten Wahltags gab es noch viele Syrer im Libanon, die dort nicht hatten wählen können und sich daher über die Grenze nach Syrien begaben – um ihre Stimme in Syrien selbst abzugeben.
Auch in Damaskus wurden die Wahllokale Tage länger als geplant offen gehalten, um der hohen Wahlbeteiligung Rechnung zu tragen.
Übrigens wissen es viele vielleicht gar nicht – doch zur Zeit der Präsidentschaftswahlen von 2014 setzten sich die Menschen in Syrien an den Wahllokalen der Gefahr terroristischer Anschläge aus. Und trotzdem gingen sie wählen.
So machte der iranische Auslandssender Press TV am 24. Mai jenes Jahres auf einen solchen Anschlag aufmerksam:
"Syriens offizielle Nachrichtenagentur SANA berichtete am Samstag, dass mindestens 39 Menschen bei einem Mörserangriff auf die Wahlkampfkundgebung in der südsyrischen Stadt Dara'a am späten Donnerstag ums Leben gekommen sind. […] Dem Bericht zufolge wurden bei dem Angriff darüber hinaus etwa 205 Menschen verwundet – 14 der Verletzten befinden sich in kritischem Zustand."
Bereits vor dem Wahltag hatten Terroristen Städte in Gebieten, die nicht unter ihrer Kontrolle lagen, schwerem Artilleriebeschuss ausgesetzt, um die Syrer von der Stimmabgabe in der darauffolgenden Woche einzuschüchtern.
So berichtete Press TV am 31. Mai:
"In Syrien sind 20 Menschen bei Mörserbeschuss der nordwestlichen Stadt Aleppo seitens Milizen, die aus dem Ausland unterstützt werden, getötet worden. In Syrien haben Takfiri-Gruppierungen [das sind Gruppen, die alle von ihnen abweichende Menschen als Ungläubige stigmatisieren; Anm. d. Red.] vor dem Hintergrund der Vorbereitung des Landes auf die Präsidentschaftswahlen am 3. Juni ihre Angriffe gegen mehrere Städte und Ortschaften verstärkt."
Und wie ich einen Monat später schrieb, hatten Terroristen am Tag der Amtseinführung (am 16. Juli) im Rahmen intensivem Beschusses, der im Großen und Ganzen als Racheangriff betrachtet werden kann, 23 Mörsergranaten auf Damaskus abgefeuert. Die staatlichen syrischen Medien berichteten, dass mit den Granaten, die im Stadtteil Schaalan, auf dem Umayyaden-Platz und in einem Park in der Nähe des Sheraton-Hotels eingeschlagen waren, vier Menschen getötet und 30 verletzt worden waren.
Syrische Präsidentschaftswahlen 2021
Nach 14 Aufenthalten in Syrien im Laufe der Jahre, davon einige monatelang, kann ich mit Überzeugung sagen: Die Syrer stehen mit überwältigender Mehrheit zu ihrem Präsidenten und ihrer Armee. Westliche Medien und die der Golfstaaten gaukeln ihrem Publikum etwas anderes vor.
Und die Umfragen zeigen dies auch. Bei den Wahlen im Jahr 2014 gewann der bereits amtierende Präsident Baschar al-Assad "mit 88,7 Prozent und 10.319.723 Stimmen. Laut Syriens oberstem Verfassungsgericht nahmen 73,42 Prozent der rund 15,8 Millionen Wahlberechtigten an den Wahlen teil".
Der Journalistin Scharmine Narwani fiel damals der Zynismus der westlichen Nationen und Medien bezüglich dieses Ergebnisses auf. Sie schrieb dazu:
"Syriens Feinde werden auf Gedeih und Verderb ihre Vorwürfe über Wahlfälschungen wiederholen, mögen sie mit diesem Schiff auch untergehen – aber sie können die Bilder von Millionen von Syrern bei der Abgabe ihrer Stimmen kaum anfechten. […] Weswegen westliche 'Demokratien' und viele ihrer arabischer Verbündeter auch versucht haben, den demokratischen Prozess zu behindern – durch das Hindern der Syrer an der Stimmabgabe in ihren Botschaften.
Es ist daher peinlich für sie, dass Tausende von syrischen Flüchtlingen die libanesische Grenze überquert haben, um zu wählen (der Libanon drohte zunächst, sie könnten nicht zurückkehren); peinlich auch, dass Syrer aus den Vereinigten Staaten, Kuwait, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Frankreich, den Niederlanden und anderswo Flüge nach Damaskus gechartert haben, damit sie ihre Stimmen abgeben können."
Ebenso wie sie sehe ich auch diesmal diesen westlichen Zynismus voraus, wenn Assad wie erwartet die diesjährigen Wahlen gewinnt.
Aber das ist nur ein ganz klarer Fall des Saure-Trauben-Effekts: Dem Westen ist sein Regime-Change-Projekt entglitten.
Ich finde es tröstlich, dass die Terroristen in diesem Jahr, anders als im Jahr 2014, die meisten syrischen Städte nicht mehr beschießen können – wurden sie doch in den vergangenen Jahren von dort verdrängt –, und dass in den einst von ihnen besetzten Gebieten wieder Frieden eingekehrt ist.
Der Überlebenskampf der Syrer unter den grausamen und sadistischen Sanktionen des Westens, die ihnen geradezu die Luft abschnüren, ist schier unerträglich – dennoch besteht zumindest die Hoffnung, dass in Zukunft mehr Länder die Beziehungen zu Syrien normalisieren werden. Vielleicht werfen dann ja auch die Vereinigten Staaten von Amerika samt Konsorten das Handtuch und trollen sich zum Wundenlecken – und lassen die Syrer endlich in Frieden leben.
Nach seiner jüngsten Syrien-Reise erzählte mir Johnny Achi:
"Als ich in Syrien war, habe ich einige hohe Beamte gesprochen. Und sie versicherten mir, dass bis zum nächsten Jahr, etwa um diese Zeit, Dutzende von Botschaften in Syrien wiedereröffnet werden – und volle diplomatische Beziehungen zwischen Syrien und vielen Staaten, die es jetzt boykottieren (einschließlich vieler in Europa), wiederhergestellt werden."
Die Syrer, die an der gegenwärtigen Präsidentschaftswahl teilnehmen, tun dies wie schon im Jahr 2014 in Auflehnung gegen Versuche der USA und ihrer Verbündeten, ihre Regierung zu stürzen. Und dies wird ein historischer Meilenstein sein, der den Sieg der Syrer in dem brutalen und völlig unnötigen Krieg markiert, der seit zehn Jahren gegen sie geführt wird.
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Übersetzt aus dem Englischen. Eva Bartlett ist eine unabhängige kanadische Journalistin und Aktivistin. Sie war jahrelang vor Ort über Konfliktzonen im Nahen Osten berichtet, insbesondere in Syrien und Palästina (wo sie fast vier Jahre lang lebte).
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