von Robert Inlakesh
Die Ereignisse, bei denen am Donnerstagabend vor einer Woche in Jerusalem Hunderte von Anhängern der israelischen rechtsextremen Gruppierung Lehava Palästinenser durch die Straßen jagten und deren Hab und Gut attackierten, kamen völlig unerwartet. Palästinenser in den besetzten Gebieten und sogar in Israel selbst gingen daraufhin ebenfalls auf die Straße, um sich den Angriffen der Siedler entgegenzustellen und gegen die israelische Politik zu protestieren, die sie zu deren Extremismus ermutigt hat.
Die westliche Presse hat die Sicht auf die Ereignisse jedoch weitgehend verzerrt dargestellt und sie nicht in den richtigen Kontext gestellt. Die Aktionen der extremistischen Siedler wirkten als Katalysator statt als Ursache für das, was jetzt von einigen palästinensischen Gruppen als "Ramadan Intifada" bezeichnet wird.
Zu Beginn des Monats Ramadan vor zwei Wochen hat Israel den Palästinensern Beschränkungen für das Betreten der al-Aqsa-Moschee – immerhin die drittheiligste muslimische Stätte – auferlegt. Am ersten Tag des Ramadan drangen israelische Sicherheitskräfte auf das al-Aqsa-Gelände und unterbrachen die Stromversorgung der Lautsprecher, wodurch der muslimische Gebetsruf des Muezzins unterbunden wurde, damit jüdische Israelis an der nahe gelegenen Klagemauer während ihres Gedenkgottesdienstes nicht gestört werden – ein Akt, der vom Hamas-Sprecher Hazem Qassem als "rassistische Aggression gegen religiöse Heiligtümer und Verletzung der Religionsfreiheit" charakterisiert wurde.
Israel stellte außerdem Absperrungen vor den Eingang des Damaskustors zum "Arabischen Viertel" der Altstadt Jerusalems auf und hinderte Palästinenser daran, an nächtlichen Gebeten in der al-Aqsa-Moschee teilzunehmen. Diese Maßnahmen haben während der gesamten Dauer des Ramadan zu Zusammenstößen mit israelischen Polizeikräften in der Stadt geführt. Dann, am Donnerstag, als Lehava auf die Straße ging, beschloss eine große Gruppe von Palästinensern, sich dem nationalistischen israelischen Mob zu stellen, und wurde ihrerseits von der Polizei angegriffen. Dies führte laut lokalen Medienquellen innerhalb von zwei Tagen zu 450 Verletzten.
Israels politische Krise
Wie die israelische Zeitung Haaretz betonte, war die Doppelmoral der israelischen Polizei augenfällig: Am Freitag verurteilte der israelische Minister für öffentliche Sicherheit Amir Ohan ausschließlich die palästinensische Gewalt und ignorierte die von den Israelis begangene.
Durch die Wahl des Anführers der rechtsextremen Otzma-Jehudit-Fraktion (Jüdische Macht) der Religiösen Zionistischen Partei, Itamar Ben-Gvir, in die Knesset fühlt sich die Lehava jetzt bestärkt, wähnt sie doch die Regierung hinter sich. Ben-Gvir ist zudem Anwalt des Anführers und Gründers von Lehava, Bentzi Gopstein. Bisher waren rechtsextreme religiöse Extremisten aus der Knesset verbannt, aber da Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Korruptionsvorwürfen ausgesetzt ist und ein politischer Stillstand ihn daran hindert, eine Regierung zu bilden, verlässt er sich jetzt auf solche Gruppierungen.
Aus Furcht vor einer weiteren Eskalation des palästinensischen Protests in Jerusalem und im Westjordanland sowie vor Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen forderte der Premierminister Ruhe in Jerusalem. Dieser Aufruf wurde jedoch vom Vorsitzenden der Religiösen Zionistischen Partei, Bezalel Smotrich, nicht beherzigt. Er betrachtete die Forderung Netanjahus als Verrat an den Juden und erklärte: "Vielleicht ist es an der Zeit, Netanjahu zu ersetzen."
Um nach einer erneuten knappen Wahl eine Koalitionsregierung zu bilden, braucht Netanjahu die Religiöse Zionistische Partei, was bedeutet, dass seine Versuche, die Spannungen mit den Palästinensern zu beruhigen, stark eingeschränkt sind. Wenn er die Unterstützung der rechtsextremen Gruppen verliert, kann der israelische Präsident Reuven Rivlin den Anti-Netanjahu-Block auffordern zu versuchen, eine Regierung zu bilden. Derzeit scheint dies jedoch unwahrscheinlich, da dies erfordern würde, dass arabische Parteien sich mit den Rechten an einen Tisch setzen müssten.
Dies bedeutet, dass Netanjahu durch den vereinten palästinensischen Aufstand ein Ultimatum gestellt wird: Wähle die Eskalation oder lasse die Verbündeten in der Religiösen Zionistischen Partei fallen und riskiere, dass Israel in nur zwei Jahren eine fünfte Wahlrunde einläutet.
Eine Dritte Intifada?
Zum vielleicht ersten Mal seit dem Ende der Zweiten Intifada im Jahr 2005 treten Palästinenser in Ostjerusalem, im Westjordanland und im Gazastreifen, sinnvollerweise parteiübergreifend, gemeinsam gegen Israel auf.
Die palästinensische Frage wurde im politischen Diskurs Israels zu lange außer Acht gelassen, denn abgesehen vom gelegentlichen Raketenbeschuss aus dem von Israel belagerten Gazastreifen beachten die Israelis die Palästinenser nicht besonders. Dies hat sich jedoch schnell geändert, und dies so gut wie über Nacht. Die palästinensischen Demonstranten haben plötzlich das politische System Israels in Schach nehmen können. Und jetzt könnte das Schicksal der israelischen Regierung allein davon abhängen, wie die israelischen Behörden mit den Palästinensern umgehen.
Ich sprach mit dem palästinensischen unabhängigen Journalisten Wafa A Al-Udaini aus dem Gazastreifen und dem Fotojournalisten Hamde Abu Rahmah aus dem Westjordanland, der die derzeitige Stimmung als Wiederbelebung der nationalen Sache beschrieb. Das Gefühl, das ich von beiden bekam, war, dass sich etwas Großes aufbaut.
Es hat sich auch die Frage gestellt, ob der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, die ersten palästinensischen Wahlen seit 15 Jahren verschieben könnte, da Israel nicht auf die Bitte reagiert hat, den Palästinensern in Ostjerusalem die Stimmabgabe zu ermöglichen.
Wenn die Wahlen abgesagt werden (was aufgrund der Befürchtungen, dass Abbas' Fatah gegen die Hamas verliert, als wahrscheinlich erscheint), könnten die Spannungen weiter eskalieren, da Israel beschuldigt werden wird, seine Verpflichtungen zu verletzen und die palästinensische Demokratie zu blockieren.
Da die Proteste nun Abend für Abend andauern und Israel darüber nachdenkt, was es als Nächstes tun wird, ist es wichtig zu verstehen, dass dieser Aufstand nicht nur eine Reaktion auf die extremistischen Siedler ist. Genau wie 1987, als die Erste Intifada begann, löste ein einziges Ereignis die Wut einer ganzen Bevölkerung aus, die unter der Besatzung litt.
Die Siedlungserweiterungen, der Abriss von Häusern, die Drangsal unter militärischer Besatzung, die Belagerung des Gazastreifens und die in Jerusalem implementierte diskriminierende Politik, die allein in den Stadtteilen Silwan und Scheich Dscharrah in diesem Jahr bis zu 2.100 Menschen vertreiben soll, haben zu diesem Momentum geführt.
Die Aktionen der palästinensischen Demonstranten haben dafür gesorgt, dass die Palästinenserfrage für die israelische Regierung erneut im Vordergrund steht. Der Ball befindet sich in Israels Platzhälfte und je nachdem, wie es den Pass zurückgibt, werden die Palästinenser reagieren.
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Robert Inlakesh ist ein politischer Analyst, Journalist und Dokumentarfilmer, der derzeit in London lebt. Er hat in den besetzten palästinensischen Gebieten gelebt und berichtete von dort. Derzeit arbeitet er mit Quds News und Press TV zusammen.
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