Kommentar von Frank Furedi
"Fake News" über Männer machen die Runde. Manchmal scheint es, als seien Jungen zur Zielscheibe eines regelrechten Kreuzzuges geworden, in dessen Verlauf sie gezähmt werden sollen. Seit dem Ausbruch der panischen Angst vor einer angeblichen Vergewaltigungskultur, die britische Schulen heimgesucht haben soll, wird das Mantra "Erzieht eure Söhne!" von den britischen Politikern, Wahlkämpfern und Medienschaffenden ständig heruntergebetet.
Allen voran der Polizeiminister Kit Malthouse: Er erklärte, dass die Schulen den Jungen beibringen sollten, Mädchen und Frauen mit Respekt zu behandeln. Zahlreiche Kommentare in Zeitungen und auf Webseites mit Titeln wie: "Schulen sind der beste Ort, um Jungen beizubringen, wie man Frauen respektiert", spiegeln die Dringlichkeit dessen wider, was (von ihnen) als landesweite Krise dargestellt wird.
Leider hängt die Forderung "Erzieht eure Söhne!" eng zusammen mit der verständlichen Empörung über den jüngsten Mord an Sarah Everard und einem darauf folgenden Fokus der Medien auf eine angebliche Vergewaltigungskultur, die britische Schulen heimsuche. In diesem Zusammenhang wird nun jeder moralische Status von Jungen grundsätzlich in Frage gestellt. Es wird häufig die Unterstellung vermittelt, sie alle seien potenziell Täter.
Hin und wieder gibt es zwar vereinzelte Warnungen vor einer Dämonisierung der Jungen. So berichtete eine Mutter von ihrem Entsetzen, als ihr kleiner Sohn ihr, gerade von der Schule nach Hause gekommen, erklärte: "Mama, da sind Mädchen, die sagen, dass 70 Prozent der Männer Vergewaltiger sind."
Die in den Medien bekannte Fernsehmoderatorin Davina McCall sah sich dennoch mit geradezu furioser Kritik konfrontiert, als sie die Behauptung wagte, es sei gefährlich, es sei "schlecht für unsere Söhne, Brüder und Partner", alle Männer gefährlich zu nennen. Es scheint also, dass einflussreiche Teile der britischen Gesellschaft bereits die Fähigkeit verloren haben, zwischen einer kleinen Minderheit schlecht erzogener, aggressiver und gewalttätiger Jungen und dem Verhalten der großen Mehrheit der jungen Männer zu unterscheiden.
Respekt oder Gleichmacherei
Natürlich müssen alle Kinder in den Grundsätzen zivilisierten Verhaltens erzogen werden und in der Notwendigkeit, andere zu respektieren. Aber leider stellt die Art der Erziehung, die derzeit allzu viele insbesondere den Jungen gern auferlegen würden, einen sehr eindimensionalen Versuch dar, diese zu "zähmen" und sie zu möglichst geschlechtsneutralem Verhalten zu "sozialisieren".
Oft mündet die Befürwortung des Vorhabens, Jungen etwas über Respekt und Einverständnis beizubringen, in dem Versuch, bestimmte ihrer jungenhaften Einstellungen und Verhaltensweisen am liebsten gänzlich auszurotten. So rechtfertigt etwa eine Kolumnistin im Mirror ihr Argument für die Notwendigkeit, Jungen in den Schulen zu Respekt zu erziehen, mit der angeblich großen Chance für die Förderung geschlechtsneutraler Haltungen. Sie beklagt, dass ihr fünfjähriger Sohn trotz all ihrer Bemühungen "immer noch sagt, es gebe Farben, die nur Mädchen tragen, oder es gebe Berufe, die nur Jungen und nicht Mädchen ausüben könnten." Sie fügt hinzu: "Ich weiß nicht, woher er das hat, und ich fange ihn jedes Mal dabei ab, aber es wäre noch besser, auch die Unterstützung des Bildungssystems zu haben, um das zu untermauern."
Die Vorstellung, dass die Überlegungen eines Fünfjährigen über die Farbenvorlieben von Mädchen einen Signal für die Missachtung von Frauen im späteren Leben darstellen könne, erfordert schon einen sehr weiten gedanklichen Sprung. In der Tat sollte dieser Fünfjährige gelobt werden für seine aufmerksame Beobachtung, dass junge Mädchen in der realen Welt andere Farbvorlieben haben als Jungen. Doch bedingt durch den Ausgangspunkt der aktuellen Mode, alle Jungen als Träger toxischer Männlichkeit wahrzunehmen, weichen verständlicherweise Logik und Objektivität der allgemeinen Hysterie.
Manchmal scheint es, die Kampagne zur "Erziehung" von Jungen sei durch den Impuls motiviert, nicht allein die Männlichkeit ins Visier zu nehmen, sondern gleichsam überhaupt alles, was früher als normales heterosexuelles Verhalten wahrgenommen wurde. In ihrem Aufsatz mit dem Titel "Why misogyny needs to be tackled in education from primary school" (Warum Frauenhass durch das Bildungswesen von der Grundschule an bekämpft werden muss) argumentieren auch zwei Akademiker für die Notwendigkeit, "geschlechtsspezifisches Verhalten" zu bekämpfen, weil sie das als für alle inhärent schädlich wahrnehmen.
Der Schwerpunkt ihrer Sorgen liegt auf der Identität eines Geschlechts im Allgemeinen – aber auch auf der Identität von Jungen im Besonderen. Sie meinen, feststellen zu müssen: "Jungen in Großbritannien bilden ihr Männlichkeitsgefühl in direkter Beziehung zu einem dominanten heterosexuellen 'Macho'-Ideal, was es bedeutet, ein Mann zu sein." Aus ihrer Perspektive sei es die Aufgabe der Schulen, Jungen daran zu hindern, "dominante" heterosexuelle Ideale anzustreben.
Es steht außer Zweifel, dass machohafte, übertriebene Männlichkeit viele groteske und unattraktive Züge annimmt. Doch solche Formen destruktiven Verhaltens sind ebensowenig ein inhärentes Leiden der Männlichkeit, wie das Zwinkern der Augenlider oder ständiges unwillkürliches Kichern ein inhärentes Leiden weiblichen Verhaltens sind. Wenn es Verhaltensprobleme in der Schule gibt, dann hat das wenig damit zu tun, dass Jungen eben Jungen sind.
Das eigentliche Problem der Gesellschaft ist doch, dass die Erwachsenenwelt die Fähigkeit verloren hat, junge Menschen durch vorbildliches Vorleben zu sozialisieren, wie nämlich höfliches, sensibles und respektvolles Verhalten auszusehen hat. Kinder beziehen ihre Wertevorstellungen mittlerweile viel öfter bei TikTok und Instagram als von ihren Lehrern, ihren Eltern oder der Gesellschaft der Erwachsenen insgesamt.
Was Jungen brauchen, ist kein Exorzismus angeblich heterosexueller Ideale, sondern eine Erziehung zu den Normen und Werten einer anständigen Gesellschaft. Anstelle der Suche nach schnellen technischen "Lösungen" – etwa in Form von "Einwilligungsworkshops" – muss man sie zu einem Verständnis dafür erziehen, wie Richtig und Falsch, wie Gut und Böse aussehen.
Die Lösung liegt im Bereich der Moral – und nicht in der Modeerscheinung der Geschlechtsneutralität.
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Übersetzt aus dem Englischen
Frank Furedi ist Autor und Sozialkommentator. Er ist emeritierter Professor für Soziologie an der Universität von Kent in Canterbury. Autor von How Fear Works: Die Kultur der Angst im 21. Jahrhundert. Auf Twitter findet man ihn unter @Furedibyte.