Rohrkrepierer: Bidens und Blinkens unprovozierte Angriffe gegen Russland und China gehen daneben

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Indem die Biden-Administration Moral und Charakter des russischen Präsidenten und Chinas Menschenrechtsbilanz angriff, öffnete sie die Tür für eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen schwierigen Geschichte der USA.

Kommentar von Scott Ritter

Präsident Joe Biden hat seine Regierung mit dem Mantra "America is back" definiert und damit eine Rückkehr zu dem angedeutet, was er und seine Anhänger für die glücklichen Tage der zwei Amtszeiten von Präsident Barack Obama halten, sowie eine scharfe Abkehr von der Politik und den Praktiken jenes Mannes, der Hillary Clinton das Präsidentenamt vor der Nase weggeschnappt hat, Donald Trump.

In dem Bemühen, "wieder etwas Besseres aufzubauen", wie Biden zu sagen pflegt, hat seine Regierung eine ehrgeizige Agenda aufgestellt, die aggressiv darauf abzielt, Amerika als unverzichtbare Nation der Welt zu fördern und zu installieren. Doch innerhalb von weniger als 24 Stunden gelang es dem Präsidenten und seinem wichtigsten außenpolitischen Berater, Außenminister Antony Blinken, durch eine Kombination aus narzisstischem Gehabe und schlichter diplomatischer Inkompetenz genau die Politik zu untergraben, die sie fördern wollten.

Indem er den russischen Präsidenten Wladimir Putin als "seelenlosen Killer" bezeichnete, versetzte Biden die amerikanisch-russischen Beziehungen in ihren schlechtesten Zustand seit dem Kalten Krieg. Und Blinken schaffte es während des ersten Treffens der Biden-Administration zwischen den USA und China, den Zorn und die Wut Pekings zu entfesseln, indem er auf jeden Anschein von diplomatischen Normen verzichtete und China in einer Reihe von Fragen, die unmittelbar dessen Souveränität berührten, öffentlich aggressiv angriff.

Der Zusammenbruch all dessen, was als koordinierte Positionierung der diplomatischen Konfrontation sowohl mit Russland als auch mit China galt, hat die USA auf den Trümmern ihres eigenen politischen Schiffbruchs umherirren lassen. Ein kontrollierter Ansatz im Umgang mit Russland und China hätte als Anker von Bidens neuer nationaler Sicherheitspolitik dienen sollen und können. Stattdessen wurde das amerikanische Staatsschiff ungesteuert in die Klippen abgetrieben, während nun ein selbst verursachter diplomatischer Sturm heraufzieht.

Das Weiße Haus hat kürzlich ein Dokument mit dem Titel "Interim National Security Guidance" veröffentlicht, in dem es seine politischen Prioritäten darlegt, um die Arbeit der verschiedenen US-Abteilungen und -Behörden, die mit der Umsetzung der nationalen Sicherheits- und Außenpolitik betraut sind, zu gestalten und zu lenken. Dieses Dokument ist ein Novum in der 35-jährigen Geschichte der Umsetzung des Goldwater-Nichols Act von 1986, der das Weiße Haus verpflichtet, alle vier Jahre ein Dokument zur "Nationalen Sicherheitsstrategie" zu erstellen, um die US-Verteidigungsausgaben zu begrenzen.

Normalerweise wird die Nationale Sicherheitsstrategie in einem behördenübergreifenden Prozess erstellt, der mehrere Monate in Anspruch nimmt. Mit der Entscheidung, vorläufige Richtlinien zu veröffentlichen, während das Hauptdokument noch geschrieben wird, setzt die Biden-Administration ein Zeichen dafür, wie wichtig es ihr ist, ihre Politik von der ihres Vorgängers zu abzugrenzen. Die Herausgabe dieser vorläufigen Richtlinien unterstreicht das Gefühl der Dringlichkeit, das innerhalb der Biden-Administration hinsichtlich des äußeren Anscheins, nicht der Realität eines Wandels besteht.

Während das Mantra "America is Back" propagiert wird, unterstreichen die vorläufigen Richtlinien die Tatsache, dass das Herzstück der Biden-Politik zwar auf dem Gedanken "wieder etwas Besseres aufzubauen" basiert, jedoch das Amerika, das Biden geerbt hat, in einer Welt operiert, die sich sehr von derjenigen unterscheidet, die damals noch existierte, als Biden der Vizepräsident unter Präsident Obama war. Biden schrieb:

"Wir können nicht so tun, als ob die Welt einfach so wiederhergestellt werden kann, wie sie vor 75, 30 oder sogar vier Jahren war. Wir können nicht einfach zu dem zurückkehren, wie die Dinge vorher waren. In der Außenpolitik und der nationalen Sicherheit müssen wir, genau wie in der Innenpolitik, einen neuen Kurs einschlagen."

Dieser "neue Kurs", wie Biden ihn anmahnte, müsse sich "mit der Realität auseinandersetzen, dass sich die Machtverteilung in der Welt verändert und neue Bedrohungen schafft." Für Biden gingen die größten Bedrohungen für die USA von zwei Nationen aus. Er erklärte:

"China ist schnell selbstbewusster geworden. Es ist der einzige Konkurrent, der potenziell in der Lage ist, seine wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht zu kombinieren, um eine nachhaltige Herausforderung für ein stabiles und offenes internationales System zu sein."

Die Identität der zweiten Bedrohung sollte niemanden überraschen, der die Außenpolitik der USA in den letzten 20 Jahren verfolgt hat:

"Russland ist nach wie vor entschlossen, seinen globalen Einfluss zu vergrößern und eine störende Rolle auf der Weltbühne zu spielen. Sowohl Peking als auch Moskau haben stark in Bemühungen investiert, die darauf abzielen, die Stärke der USA zu bremsen, und die uns daran hindern, unsere Interessen und Verbündeten auf der ganzen Welt zu verteidigen."

In den vorläufigen Leitlinien wurden drei wichtige politische Ziele für die Biden-Administration in der Konfrontation mit Russland und China festgelegt. Zuerst sollten die USA "die zugrundeliegenden Quellen amerikanischer Stärke verteidigen und pflegen, einschließlich unserer Menschen, unserer Wirtschaft, unserer nationalen Verteidigung und unserer Demokratie im eigenen Land."

Zweitens sei "eine günstige Machtverteilung zu fördern, um Gegner abzuschrecken und daran zu hindern, die Vereinigten Staaten und unsere Verbündeten direkt zu bedrohen, den Zugang zu den globalen Gemeinschaftsgütern zu verhindern oder Schlüsselregionen zu dominieren."

Zu guter Letzt würden die USA versuchen, "ein stabiles und offenes internationales System zu führen und aufrechtzuerhalten, das durch starke demokratische Allianzen, Partnerschaften, multilaterale Institutionen und Regeln gestützt wird." Innerhalb von weniger als 48 Stunden hat es die Biden-Administration geschafft, alle drei Ziele zu untergraben.

Bidens Interview mit George Stephanopoulos von ABC News ist eine Angelegenheit von historischer Bedeutung. Bei der Beantwortung einer Reihe von Fragen bezeichnete der amerikanische Präsident Wladimir Putin als "seelenlosen Killer" und verstieß damit gegen diplomatische Normen, die besagen, dass Staatsoberhäupter ein gewisses Maß an Diskretion walten lassen, wenn sie übereinander sprechen – und sei es nur aus dem Grund, dass sich die beiden irgendwann einmal persönlich treffen und Angelegenheiten besprechen müssen. Wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan scharfsinnig bemerkte:

"Herrn Bidens Äußerungen über Herrn Putin passen nicht zu einem Präsidenten, und ein Präsident, der kommt und solche Bemerkungen über den Präsidenten eines Landes wie Russland macht, ist wirklich inakzeptabel und nicht jemand, den man sich gefallen lassen kann."

Die Reaktion Russlands kam prompt und entschieden. In einem beispiellosen Schritt rief das russische Außenministerium seinen Botschafter in den USA zu "Konsultationen" zurück, ein klares Zeichen, dass Russland seine Beziehung – oder das Fehlen hinreichend gesitteter – zu den USA überdenkt.

Putin reagierte in einem Auftritt im russischen Fernsehen dagegen diplomatischer auf Bidens Beleidigungen und merkte an, dass er seinerseits dem amerikanischen Präsidenten "gute Gesundheit" wünsche. Der russische Präsident benutzte aber auch ein Kindersprichwort, das grob übersetzt bedeutet: "Was immer du über andere sagst, ist das, was du selbst bist", um seine Ansicht zu unterstreichen, dass Bidens Äußerungen nur ein Spiegelbild der eigenen US-amerikanischen Probleme seien.

Putin hob den Einsatz von Atomwaffen durch die USA gegen Japan sowie ihre Geschichte der Versklavung von Schwarzen und des Völkermords an amerikanischen Ureinwohnern als Beispiele für Amerikas eigene qualvolle Geschichte der Ungerechtigkeit hervor.

Als Reaktion auf Putins Kommentare konterte die Sprecherin des Weißen Hauses Jen Psaki mit der Feststellung, dass der amerikanische Präsident "glaubt, dass eine der größten Eigenschaften der Vereinigten Staaten unsere ehrliche Selbstreflexion und unser ständiges Streben nach Fortschritt ist, und es gibt immer etwas zu tun." Sie erklärte, dass Biden sich für nichts entschuldigen müsse und fügte hinzu:

"Der Präsident hat eine direkte Antwort auf eine direkte Frage gegeben."

Sie fügte hinzu, dass Biden und Putin sich seit langem kennen und "viele Phasen der [US-amerikanisch-russischen] Beziehung durchlaufen haben." Sollten Biden und Psaki geglaubt haben, dass die amerikanisch-russischen Beziehungen nach Bidens undiplomatischer Beleidigung wieder bei null beginnen würden, hat Putin diese Einbildung im Keim erstickt:

"Die US-Behörden suchen im Allgemeinen bestimmte Beziehungen zu uns, aber nur in Bereichen, an denen die USA interessiert sind und zu ihren eigenen Bedingungen", sagte Putin. "Sie denken, dass wir genau wie sie sind, aber das sind wir nicht. Unsere genetischen, kulturellen und moralischen Codes sind andere. Wir wissen jedoch, wie wir unsere Interessen schützen können. Wir werden mit ihnen [den USA] zusammenarbeiten, aber nur in Bereichen, an denen wir interessiert sind, und zu Bedingungen, die wir für günstig halten. Sie werden das berücksichtigen müssen, trotz der Versuche, unsere Entwicklung zu stoppen, trotz Sanktionen und Beleidigungen. Wir werden uns beim Ausbau der Beziehungen zu allen Ländern, einschließlich der USA, von unseren nationalen Interessen leiten lassen."

Wenn es das Ziel der USA war, die Fähigkeit und den Wunsch Russlands zu minimieren, weniger störend auf die Ziele der US-Politik einzuwirken, dann zementierte Biden lediglich sein Scheitern.

In Bezug auf China wurde in der vorläufigen Leitlinie darauf hingewiesen, dass es das Ziel der USA sei, "sich im strategischen Wettbewerb durchzusetzen", indem Amerika in die Lage versetzt werde, "ein selbstbewussteres und autoritäreres China langfristig zu überflügeln." Ein Schlüsselelement dieser Strategie hänge damit zusammen, dass die USA "in unsere Menschen, unsere Wirtschaft und unsere Demokratie" investieren. Durch die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit der USA wollte die Biden-Administration "sicherstellen, dass Amerika und nicht China die internationale Agenda bestimmt."

Die Idee, dass die amerikanische Demokratie als Grundlage der Außen- und nationalen Sicherheitspolitik dient, war nicht nur ein Nebensatz, sondern ein zentraler Bestandteil der vorläufigen Leitlinien. Um "wieder etwas Besseres aufzubauen", betonte das Leitliniendokument, "müssen wir uns verpflichten, unsere eigene Demokratie zu revitalisieren." Weiter heißt es:

"Amerikas Ideale der Demokratie, Gleichheit und Vielfalt sind eine grundlegende und dauerhafte Quelle des Vorteils – aber sie sind nicht selbstverständlich. Sich diesen Vorteil zu eigen zu machen, bedeutet, den Gründungsversprechen unserer Nation gerecht zu werden, unsere demokratischen Prozesse und Ideale zu stärken und zu erneuern und durch unser Handeln zu zeigen, dass die Demokratie unerlässlich ist, um die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern."

Bidens "seelenloser Killer"-Fauxpas hatte bereits die Tür zu einer sehr öffentlichen und glaubwürdigen Widerlegung des Narrativs der "unfehlbaren US-Demokratie" durch Russlands Präsident Putin geöffnet. Weniger als einen Tag später ebnete Antony Blinken den Weg für eine ähnliche Entlarvung durch China. Blinken nahm während seiner Eröffnungsrede bei hochrangigen Gesprächen zwischen den USA und China in Anchorage, Alaska, eine konfrontative Haltung ein, indem er Chinas Spitzendiplomat Yang Jiechi und Staatsrat Wang Yi wegen der Menschenrechtslage in ihrem Land öffentlich tadelte.

Als er an die Reihe kam zu antworten, erklärte Yang, dass die USA nicht mehr in der Lage seien, "aus einer Position der Stärke heraus mit China zu sprechen" und forderte, dass die USA aufhören sollten, ihre eigene Version der Demokratie als überlegen zu propagieren – und das zu einer Zeit, in der die USA in rassistische und politische Unruhen im eigenen Land verwickelt seien. Yang fuhr fort, Blinken zu belehren und bemerkte, dass "es viele Probleme innerhalb der Vereinigten Staaten in Bezug auf die Menschenrechte gibt, was von den USA selbst zugegeben wird." Diese Probleme, so Yang, seien "tief verwurzelt... sie sind nicht erst in den letzten vier Jahren entstanden, wie etwa Black Lives Matter."

Wenn die Förderung der Überlegenheit der US-Demokratie als das hervorstechende Verkaufsargument für Bidens "Amerika is back"-Politik angesehen wurde, sorgten die diplomatischen Fehltritte sowohl von Biden als auch von Blinken nun dafür, dass sie ihre erste Gelegenheit, für diese Politik zu werben, stattdessen auf dem falschen Fuß erwischten, da sie gegen gewichtige Retourkutschen hochrangiger russischer und chinesischer Beamter ankämpfen mussten.

Die wichtigste Lehre aus dieser 48-stündigen Lektion in schlechter Diplomatie seitens der USA geht – sowohl für Biden als auch für Blinken – über den sprichwörtlichen Tritt ins "Fettnäpfchen" hinaus. Tatsache ist, dass die Biden-Administration – wenn sie das Narrativ von der überlegenen US-Demokratie irgendwann verkaufen will – besser ihr eigenes Haus in Ordnung bringen sollte, bevor sie das anderer Nationen kritisiert. Kurz gesagt, wenn man in einem Glashaus sitzt, sollte man nicht mit Steinen werfen. Und die USA sind ein Glashaus.

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Übersetzt aus dem EnglischenScott Ritter ist ein ehemaliger Geheimdienstoffizier des Marinekorps der Vereinigten Staaten und Autor des Buches "SCORPION KING: America's Suicidal Embrace of Nuclear Weapons from FDR to Trump". Er diente den USA in der Sowjetunion als Inspekteur für die Umsetzung der Auflagen des INF-Vertrages, während des Zweiten Golfkriegs im Stab von General Schwarzkopf und war danach von 1991 bis 1998 als UN-Waffen-Chefinspekteur im Irak tätig. Derzeit schreibt Ritter über Themen, die die internationale Sicherheit, militärische Angelegenheiten, Russland und den Nahen Osten sowie Rüstungskontrolle betreffen. Folgen Sie ihm auf Twitter @RealScottRitter

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