Ein Gastbeitrag von Susan Bonath
Positiv auf das Coronavirus getestete Kinder zeigen selten Symptome. Laut einer chinesischen Massenstudie sind Symptomlose mangels vermehrungsfähiger Viren keine Überträger. Auch das Robert Koch-Institut (RKI) stellte kürzlich fest: Vor allem jüngere Kinder hätten selten eine relevante Viruslast.
Trotzdem stehen Kinder derzeit im Fokus der Corona-Politiker: Ungezielte Schnell- und Selbsttests, nun auch in Kitas und Schulen, treiben die Inzidenzen in die Höhe. In Folge drohen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien immer neue Quarantänen, sobald ein positiver Fall in der Kita oder Schule auftritt. "In einer kleinen Wohnung ist das unzumutbar", sagt Thomas B.* (Name auf Wunsch geändert). Schon dreimal war der alleinerziehende Vater davon betroffen. Mehr noch: Zwei Bescheide stellten sich inzwischen als rechtswidrig heraus – offenbar kein Einzelfall.
Anordnung auf Grundlage bloßer Vermutungen
Der Reihe nach: Der freiberuflich arbeitende Thomas B. lebt mit seinen Töchtern im Alter von drei, acht und zwölf Jahren in Cottbus. Krank waren alle vier das ganze letzte Jahr nicht. Doch in der Kita seiner Jüngsten waren mehrfach Kinder oder Erzieherinnen positiv getestet worden. Die Dreijährige galt als sogenannte Kontaktperson der Kategorie 1. Per Anordnung verfügte die Gesundheitsbehörde der Stadt in Brandenburg jeweils eine rund zweiwöchige Isolation – aufgrund des jungen Alters des Kindes für die gesamte Familie.
Just einen Nachweis, wann, wie lange und wo genau der Kontakt des Kindes mit einer infizierten Person stattgefunden haben soll, blieb das städtische Gesundheitsamt schuldig. In der Anordnung, die der Autorin samt des gesamten Schriftverkehrs zwischen B. und der Behörde vorliegt, heißt es lediglich:
"Sie wurden dem Fachbereich Gesundheit in Cottbus als Kontaktperson zu einem bestätigten Erkrankungsfall gemäß Robert Koch-Institut (RKI-Empfehlung) gemeldet."
Allein die Meldung genüge demnach, "per Falldefinition des Robert Koch-Instituts ansteckungsverdächtig" zu sein, behauptet die Stadtverwaltung. Es folgen die üblichen Quarantänevorschriften: Die Betroffenen dürften die Wohnung nicht verlassen, keinen Besuch empfangen, sollen sich "gesundheitlich beobachten" und bei Auftreten irgendwelcher Symptome "unverzüglich telefonisch melden". Bei Verstößen drohe "jederzeit die gerichtliche Anordnung zur Durchsetzung, zum Beispiel in einem geeigneten Krankenhaus, abgeschlossenen Krankenhaus oder in einer anderen geeigneten Einrichtung unter Freiheitsentziehung".
In einem Beiblatt informierte die Stadtverwaltung Familie B. zudem darüber, dass für als Kontaktpersonen Identifizierte und deren Angehörige selbst kein Test angeboten werden könne, um die Quarantäne eventuell früher zu beenden. Es sei nicht einmal möglich, "den Sachverhalt telefonisch zu besprechen". Der Grund: Es sei "eine so große Anzahl von Kindern betroffen".
Offenbar keine Entschädigung bei rechtswidriger Quarantäne
Thomas B. wollte das nicht auf sich sitzen lassen. Dass das Amt nicht einmal ermittelt und mitgeteilt habe, wann, wo und wie lange der Kontakt stattgefunden habe, verstoße gegen das Infektionsschutzgesetz (IfSG), erklärte er in seinen Widersprüchen.
Darüber hinaus, so B., werde der angebliche "Ansteckungsverdacht" ohne entsprechenden PCR-Nachweis lediglich behauptet. Einen solchen Test habe die Gesundheitsbehörde allerdings verweigert. Selbst gemäß RKI-Empfehlung gelte eine Person erst dann als ansteckungsverdächtig, wenn sie länger als 15 Minuten Nahkontakt ohne Mund-Nasen-Schutz zu einer tatsächlich infizierten Person gehabt oder sich länger als 30 Minuten in einem Raum mit ihr aufgehalten habe. Dies habe das Amt offenbar gar nicht nachverfolgt.
Erst Monate später reagierte die Stadtverwaltung Cottbus nun auf zwei Widersprüche, und zwar mit einem "Abhilfebescheid". Das heißt: Sie hob die Quarantäne-Anordnungen, eine für November und eine für Dezember 2020, nachträglich wieder auf. Zuvor hatte die Behörde noch versucht, B. dazu zu drängen, den Widerspruch zurückzuziehen – weil die Anordnung inzwischen ihre "materielle Rechtskraft verloren" habe. Darauf hatte sich der Familienvater nicht eingelassen.
Eine Begründung für den Abhilfebescheid lieferte die Stadtverwaltung Cottbus aber nicht mit. Gleichwohl ist selbiger Beleg genug dafür, dass B. mit seiner Widerspruchsbegründung richtig lag und die Anordnung rechtswidrig war. Angesichts dessen offenbart sich der nächste Skandal: Zwar bot die Verwaltung dem Vater an, ihm auf Nachweis die Kosten für das Widerspruchsverfahren, wie das Geld für eine Briefmarke, auf Antrag und mit Nachweis zu erstatten. Von einer Entschädigung für die rechtswidrige Zwangsisolation war keine Rede. "Es interessiert einfach niemanden, wie Eltern mit den gravierenden Folgen fertig werden", sagte B. im Gespräch mit der Autorin.
Stadt schweigt – und treibt mit Pflichttests Inzidenzen weiter in die Höhe
Die Autorin wollte von der Stadtverwaltung unter anderem wissen, ob es reguläres Vorgehen sei, bei Kindern in Einrichtungen einen Kontakt zu einer dort positiv getesteten Person zu vermuten, ohne den Beweis zu führen. Außerdem fragte die Autorin etwa, wie von unrechtmäßigen Isolierungsmaßnahmen Betroffene an Entschädigungen kommen können, wie viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene derzeit als positiv Getestete und Kontaktpersonen in Quarantäne sind und ob die Verwaltung mit einem Anstieg der Inzidenzwerte aufgrund der angedachten Massentestungen von Schülern und Kita-Kindern rechnet.
Am Dienstag teilte Stadtsprecher Jan Gloßmann mit, er könne leider diese Fragen nicht beantworten – und zwar aus "datenschutzrechtlichen Gründen", die "zu einzelnen Vorgängen nicht möglich" seien. Die Betroffenen mögen sich doch selbst an das Gesundheitsamt wenden, schlug er vor. Doch anders als von Gloßmann damit behauptet, betrafen die Fragen eben nicht direkt den speziellen Vorgang, der durch die Unterlagen der Autorin bekannt war, sondern waren vielmehr allgemein gehalten.
Dabei droht nun immer mehr Cottbusser Familien mit Schul- und Kita-Kindern ein Quarantänebescheid. Denn seit Beginn dieser Woche dürfen Kinder und Jugendliche die Einrichtung nur mit einem negativen Corona-Test betreten. Solange die Kitas und Schulen noch nicht über ausreichend Selbsttests verfügen, müssen die Eltern sie dafür in ein Testzentrum bringen – oder sie mit gekauften Laien-Kits zu Hause testen. Dies verfügte vergangene Woche die Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU). Der Grund: In der Stadt mit knapp 100.000 Einwohnern gab es zuletzt wieder mehr als 100 positiv Getestete, die als aktive Fälle gelten. Am 22. März waren es 168 Fälle. Die sogenannte Inzidenz stieg also an.
"Die Testzentren dürften damit heillos überlastet sein", kritisierte Thomas B. Dies komme einer indirekten Schließung von Schulen und Kindergärten gleich. Er selbst habe deshalb vorerst seine Kinder zu Hause gelassen – auch aus Angst vor immer neuer Quarantäne. Das Land Brandenburg hob kürzlich die Anwesenheitspflicht in der Schule auf. B. muss seine Kinder nun wieder selbst unterrichten – neben Job und Haushalt. Wie lange er das noch durchhält, weiß er nicht. "Ich bin schon jetzt am Ende meiner Kraft", sagt er.
Viel mehr Kinder in Quarantäne als positiv getestet
Interessant wäre es gewesen, zu erfahren, wie viele Kinder in der südbrandenburgischen Stadt inzwischen in Quarantäne sitzen und wie sich diese Zahl in den vergangenen Wochen und Monaten verändert hat. Auch dazu waren von der Verwaltung am Montag keine Daten zu bekommen. Wie sich wenige positive Tests in Kitas und Schulen auf die Freiheit Hunderter oder gar Tausender Kinder und Jugendlicher auswirken, zeigt allerdings ein Beispiel aus Halle in Sachsen-Anhalt.
Die Stadt an der Saale mit knapp 240.000 Einwohnern bietet auf ihrem Onlineportal eine fast schon bemerkenswerte Transparenz angesichts der bundesweiten Corona-Politik. Einer Pressemitteilung zufolge verzeichnete die Verwaltung am Sonntag, dem 21. März, 41 Kinder und Jugendliche in 32 Schulen und Kitas, die in den letzten Tagen positiv getestet wurden. Diese hätten "zumeist nur eine geringe Symptomatik", so die Stadt. Brisant aber ist, dass die Behörde gut 25 Mal so viele Kinder in die Zwangsisolation in der elterlichen Wohnung schickte, nämlich 1.033 an der Zahl.
Außerdem waren laut Mitteilung zwölf Lehrer und Erzieher positiv getestet worden. Hier war die Zahl der ebenfalls isolierten "Kontaktpersonen" mit dem Faktor zwölf nicht einmal halb so hoch. Dennoch verbringen derzeit neben den zwölf Positivfällen 133 weitere Beschäftigte in der häuslichen Absonderung, wie es auf Amtsdeutsch heißt. Die Zahlen dürften in den nächsten Wochen weiter in die Höhe schnellen, denn auch in Halle sollen Kinder vor dem Unterricht getestet werden. Allerdings setzt diese Stadt auf Freiwilligkeit – noch.
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