Flüchtlinge aus Guatemala an der US-Grenze: Spätfolgen des CIA-Putsches

Die heutigen Versuche der USA, sich vor den Folgen des Terrors, den ihre jahrelange brutale Intervention in Guatemala im Dienste der United Fruit Company (heute Chiquita) entfesselte, mithilfe einer Mauer an ihrer Südgrenze abzuschotten, sind grausam und unmoralisch.

Kommentar von Daniel Kovalik

US-Amerikaner verstehen eines nicht: Kriege und militärische Interventionen gegen andere Länder haben tiefgreifende Auswirkungen, die über viele Jahrzehnte andauern können.

Diese Nachwirkungen enden auch nicht einfach nach der Unterzeichnung eines Friedensvertrags oder nach einem Truppenabzug. Und dafür gibt es vielleicht kein besseres Beispiel als die US-Intervention in Guatemala, die vor fast 70 Jahren begann.

Wie viele wissen, stürzten die USA im Jahr 1954 die demokratische Regierung des guatemaltekischen Präsidenten Jacobo Árbenz. Die USA taten dies auf Geheiß der United Fruit Company (heute Chiquita Brands International), die das von Árbenz geplante fortschrittliche Landreformprogramm abgelehnt hatte. Anstelle dieser zivilen Regierung hatten die USA in Guatemala eine Reihe von Militärdiktaturen errichtet, die das Land bis Mitte der 1990er-Jahre regierten. Diese Militärregime, die mit einem selbst verschuldeten Aufstand konfrontiert waren, regierten Guatemala durch Terror und Massenmord, der sich hauptsächlich gegen die Zivilbevölkerung richtete.

Mindestens 200.000 guatemaltekische Zivilisten, zumeist Ixil-Maya-Indios, verloren ihr Leben bei diesen heute allgemein als staatlich verübter Völkermord anerkannten Ereignissen. Wie das CJA (Center for Justice and Accountability, dt.: Zentrum für Recht und Rechenschaft. Eine NGO, die Überlebende von Folter und anderen Verbrechen gegen Menschenrechte vor spanischen und US-Gerichten unterstützt. Anm. d. Red.) erklärt, "waren die Ixil Maya extremer Folter, der Verstümmelung, sexueller Gewalt und Gewalt gegen ihre Kinder ausgesetzt". Doch diese Militärregime führten ihren Krieg gegen das guatemaltekische Volk mit bedeutender Unterstützung der USA, insbesondere während der Reagan-Jahre in den 1980er-Jahren.

Was wir über die Rolle der USA in Guatemalas völkermörderischem Krieg wissen, haben wir vor allem den Bemühungen von Schwester Dianna Ortiz zu verdanken – einer US-amerikanischen Nonne, die in der letzten Woche im Alter von 62 Jahren an Krebs verstarb. Schwester Ortiz war selbst ein Opfer des Konflikts in Guatemala.

Schwester Ortiz wurde im Jahr 1989 während ihres Dienstes als Missionarin in Guatemala, wo sie Maya-Kinder unterrichtet hatte, von guatemaltekischen Streitkräften entführt und über einen Zeitraum von 24 Stunden gefoltert. Die New York Times berichtete in ihrem Nachruf auf sie:

"Die Schwester Ortiz widerfahrene 24-stündige Tortur, die von US-amerikanischen und guatemaltekischen Beamten zunächst als Zeitungsente bezeichnet wurde, umfasste mehrere Gruppenvergewaltigungen. Ihr Rücken war von mehr als 100 Zigarettenverbrennungen übersät. Einmal wurde sie an ihren Handgelenken über einer offenen Grube aufgehängt – Körper von Männern, Frauen und Kindern füllten diese Grube, einige von ihnen enthauptet, andere noch lebendig. An einem anderen Zeitpunkt wurde sie gezwungen, eine Frau zu erstechen, die ebenfalls gefangen gehalten wurde. Ihre Entführer erstellten Foto- und Videoaufnahmen dieser Tat, um sie gegen Ortiz zu verwenden."

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Wie die NYT weiter erklärt, erzählte Schwester Ortiz später, dass ein US-Amerikaner während ihrer Gefangenschaft und Folter anwesend war – und dass dieser anscheinend das Kommando hatte.

Nach Jahren intensiver Therapie, die ihr hatte helfen sollen, mit dem ihr in Guatemala zugefügten Leid fertig zu werden, begab sich Schwester Ortiz auf den Kreuzzug für eine Freigabe geheimer Dokumente, die die Verwicklung der USA in das Treiben der guatemaltekischen Militärregime aufzeigen. Aus diesen Dokumenten wissen wir heute, dass die USA eine große Rolle im Bürgerkrieg in Guatemala spielten. Laut der Times zeigen die "freigegebenen Dokumente, dass die Teile der guatemaltekischen Streitkräfte, die während des Bürgerkriegs Völkermord begingen, von den Vereinigten Staaten ausgerüstet und ausgebildet wurden". Ebenfalls laut dieser Dokumente arbeiteten die CIA und der US-Militärgeheimdienst "Hand in Hand mit den guatemaltekischen militärischen Geheimdiensteinheiten", die Verbrechen wie die an Schwester Ortiz verübten.

Schwester Ortiz konnte das Trauma, das sie aus ihrer Vergewaltigung und Folter in Guatemala davontrug, nie überwinden – ebenso wenig wie Guatemala das Trauma überwinden konnte, das ihm von den US-gestützten Militärjunten zugefügt wurde.

Tatsächlich wird die Art von Misshandlung, die Schwester Ortiz erlitt, auch weiterhin an der Zivilbevölkerung Guatemalas verübt. Das sollte nicht überraschen, zumal Militär- und Polizeikräfte, die über Jahrzehnte in der Anwendung brutalen Taktiken ausgebildet wurden, sich nicht über Nacht reformieren dürften – falls sie überhaupt jemals reformiert werden können. Derweil terrorisiert die guatemaltekische Regierung die Bevölkerung des Landes genauso wie in den Jahren des Bürgerkriegs weiter, um sie gefügig zu machen – und die Zielscheiben ihres Terrors sind aktuell kleine Kinder.

Wie die Journalistin Carolina Vazquez Araya kürzlich detailliert darlegte

"In Guatemala wird eine Strategie des Terrors auf den Körpern von Mädchen, Jungen und Heranwachsenden ausgetragen. Das Land durchläuft eine der dunkelsten Perioden seiner jüngsten Geschichte. (...) Das gegenwärtige Szenario scheint bis ins Detail geplant worden zu sein, um selbst die kleinsten Bemühungen jeglicher Bürgeropposition auszulöschen. (...) Die Entführungen, das 'Verschwindenlassen', die Vergewaltigungen und die Morde an Kindern haben das Niveau von Terrorismus erreicht ..."

Das ist Terrorismus, der vom guatemaltekischen Staat gesponsert wird.

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Kurzum: Der Terror, der von den USA vor Jahrzehnten in Guatemala entfesselt und dann viele Jahre lang ebenso von den USA kultiviert und unterstützt worden war, hat bis heute mitnichten nachgelassen. Dieser Schrecken sucht das arme mittelamerikanische Land weiterhin auf schreckliche Weise heim. Doch anstatt zu versuchen, ihre Verbrechen wiedergutzumachen und wenigstens einen Teil des Schadens, den sie angerichtet haben, ungeschehen zu machen, suchen die Machthaber in den USA wie besessen nach Wegen, um Migranten aus Guatemala – und Migranten aus Nachbarländern wie Honduras und El Salvador, die ebenfalls im Rahmen von US-Programmen zur "Aufstandsbekämpfung" terrorisiert wurden – davon abzuhalten, in den Vereinigten Staaten sichere Zuflucht zu finden.

Dies ist der Gipfel der Grausamkeit und Amoralität. Die USA dürfen sich nicht vor den Folgen des Terrors abschotten, den sie in Ländern wie Guatemala entfesselten. Sie müssen sich zur Urheberschaft dieses  Terrors bekennen und denjenigen, die unter ihm leiden, Hilfe und Trost spenden.

Und diese Erkenntnis, dass die militärischen Interventionen und Regimewechsel-Operationen der USA solch lang anhaltende negative Auswirkungen auf ganze Länder haben, muss mit einer Kursänderung der USA einhergehen – diese müssen künftig von solchen Aktionen absehen. Das ist die Lehre, die aus dem Leben von Menschen wie Schwester Ortiz gezogen werden muss, die ihr Leben damit verbrachte, die Grausamkeit der US-Außenpolitik aufzudecken und auch denjenigen zu helfen, die wie sie selbst Opfer dieser Politik wurden – die Lehre, die uns alle dazu aufruft, ebenfalls ein solches Leben zu führen.

Übersetzt aus dem Englischen

Daniel Kovalik lehrt Internationale Menschenrechte an der University of Pittsburgh School of Law und ist Autor des kürzlich erschienenen Buches No More War: How the West Violates International Law by Using "Humanitarian" Intervention to Advance Economic and Strategic Interests.

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