Ein Meinungsbeitrag von Stephan Fein
Nach einem Jahr der oft sehr widersprüchlichen Pandemiebekämpfung zitiert Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit der Regelmäßigkeit einer ungeliebten Jahreszeit die Worte: "Es wird mindestens noch zehn harte Wochen dauern." Diesmal versucht der Minister, sein Volk auf das neue Übel einzustellen: den knappen Impfstoff. Die Mannschaft murrt. Doch immer noch sehnen sich 28 Prozent im Rumpf der "MS Deutschland" laut ZDF-Politbarometer nach härteren Maßnahmen. Und das nach 15-Kilometer-Ausgangssperren, Gesichtsfilterstückzwei-Zwang (zu Englisch: FFP2), Schulschließungen ohne direkten Ansteckungsbeweis, Heimunterricht bei dauerhaft ausfallenden Schulungs-Webseiten und anderen fraglichen Instrumenten.
Noch vor einem Jahr sprach der Gesundheitsminister von "leichten Verläufen einer grippeähnlichen Erkrankung", hielt Masken wie auch das Besprühen von öffentlichen Verkehrsmitteln mit Desinfektionsmitteln für "überflüssig" und verlangte nach einem verbummelten Sommer Millioneninvestitionen von Gastro- und Handel für Hygienemaßnahmen, um diese dann zu schließen und ungebraucht verstauben zu lassen.
Sagte er noch im Dezember etwas von "gemeinsamer europäischer Verantwortung" in Sachen Impfung und Vakzinbestellung, so meinte er damit eigentlich, dass er es versäumt hat, als deutscher Gesundheitsminister deutsche Interessen zu wahren. "Wann, glauben Sie, würden Länder wie Estland oder Kroatien einen Impfstoff bekommen, wenn wir nicht gemeinsam in der EU gehandelt hätten?", fragt Spahn noch im Januar im ZDF-Morgenmagazin.
Die Realität spricht Politikeraussagen manchmal Hohn. Während in Deutschland 2,2 Prozent der Bevölkerung und somit 26,6 Personen je tausend Einwohner (nach Angaben des RKI, Stand 29.01.2021) die erste Impfdosis erhielten, ziehen nun Staaten wie Serbien (41,4 Geimpfte pro tausend Personen) an Deutschland vorbei. Und Rumänien liegt gleichauf.
Israel wird bei dem Tempo in etwa zwei Monaten doppelt geimpft sein (auf eintausend Einwohner: 502,2 Geimpfte), während bei uns die Arzneimittelschränke leer sind. Die Zahlen ernüchtern. Deutschland: Zero points!
So blasen die Damen und Herren, wenn sie nicht weiterwissen im Kanzleramt, zu einem neuen Gipfel. "Impfgipfel" soll jenes Treffen am Montag dann heißen, bei dem nach einem normalen Lockdown und einem besonders "lighten" nun ein dafür doppelt so langer mit Flughafenschließen und Schleierfahndung fortgesetzt werden soll. Und wetten, dass bei all der Europa vereinigenden Politik die hochbezahlten EU-Spezialisten, etwa die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides und deren Generaldirektorin Sandra Gallina, keine Rolle spielen? Waren es nicht genau diese beiden, die für den Einkauf der Impfstoffe und deren Verträge im Sommer 2020 verantwortlich sind?
Und müsste wegen der zusammengebrochenen Lieferketten, der leeren Impfhallen und der steigenden Zahl von sogenannten "Corona-Toten" ein verantwortlicher Bundesminister nicht gehen? Offenbar nicht. Angeblich kann er doch Kanzler!
Jubelmeldungen von einer geheimnisvollen Impfmittel-Vermehrung der Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) verhallen indes als Theaterdonner. Schnell stellte sich heraus: Der von ihr zitierte Betrieb "Berlin Chemie" kann das gar nicht. Brav rudert ihr SPD-Parteikollege, der Regierende Bürgermeister Michael Müller, zurück, nach bewährtem Muster: Was schert mich das Geschwätz von gestern. Gehen Sie ins Homeoffice! Woody Allen würde raten: "Gehen Sie in sich und bleiben Sie dort!" 51 Prozent finden eh alles richtig, was Kanzlerin Angela Merkel sagt. So bekommt die Mannschaft bis Ostern noch mal eine druff, wie der Berliner sagt. Ob dann ohne oder mit Impfung, ist bei der Placebo-Politik der Bundesregierung ohnehin egal. Sie hat zwar Ostern gesagt. Aber nicht, welches Jahr.
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