von Seyed Alireza Mousavi
Proteste gegen die US-Wahlverfahren und die "Erstürmung" des Kapitols sorgten in letzter Zeit für Aufregung und Aufsehen in den US-Medien. Big-Data-Konzerne und die großen "Social Media"-Unternehmen setzen dabei zunehmend auf pauschale Stigmatisierung und Zensur zur bevorstehenden Amtsübergabe an den designierten Präsidenten Joe Biden. Bislang jubelte der Westen stets, wenn derlei vor Jahren in der Ukraine, im Iran und in diversen arabischen oder südamerikanischen Ländern geschah, unlängst auch in Hongkong und nicht selten mit Unterstützung der großen US-Medien. Nun, als es in den USA selbst passierte, ist es ein Skandal und ein drohender Zerfall der Rechtsordnung. Auch US-Medien-Kartelle begannen insofern in den letzten Tagen verstärkt mit der massenhaften Zensur und einer einseitigen Berichterstattung.
Der ehemalige republikanische Abgeordnete Ron Paul im Repräsentantenhaus teilte unlängst auf Twitter mit, dass Facebook sein Konto vorübergehend gesperrt habe, weil er gegen die "Community Standards" verstoßen hätte. Paul erklärte, dass er über sein Konto zuvor keinerlei Warnungen erhalten habe, obwohl die Nachricht zur Sperrung besagte, dass er über sein Konto mehrere Verstöße gegen Gemeinschaftsstandards begangen hätte. Seit den US-Wahlen im November wurden Tausende von Seiten in Facebook und Twitter gesäubert und/oder gesperrt.
Arnold Schwarzenegger zog vor Kurzem eine fragwürdige Parallele zwischen dem Sturm auf das Kapitol jüngst in Washington, D.C. und dem Judenpogrom in Deutschland 1938, von den Nazis als "Kristallnacht" bejubelt. Der Storm auf das Kapitol sei "von dem Nazi-Pendant, den Proud Boys", durchgeführt worden. Dieser Nazi-Vergleich wurde in der Berichterstattung der Kartellmedien dankbar hochgespielt. Der Vergleich wurde allerdings dennoch sehr kontrovers aufgenommen. "Arni" Schwarzenegger ist noch immer wohl eher ein Symbol für die Popkultur Amerikas als ein ernstzunehmender Politiker. Den Aufstand am Kapitol, der aus einem Protest gegen mutmaßlichen Wahlbetrug entstanden war, mit jener "Kristallnacht" zu vergleichen, macht allerdings deutlich, dass die pauschale Stigmatisierung von Trump-Wählern bei den US-Medien volle Fahrt aufnimmt.
Als "soziale" Netzwerke wie Twitter und Facebook in letzter Zeit die Schrauben gegen Donald Trump anzogen und dessen Posts und Nutzerkonnten erst kurzzeitig, dann permanent sperrten, weil sie mutmaßlich Fehlinformationen verbreiteten und angeblich zu "Gewalt" aufriefen, wechselten Millionen von Anhängern des noch amtierenden US-Präsidenten zu "Parler". Diese Plattform ist bei Nutzern beliebt, die auf Twitter blockiert wurden – im Grunde eine Situation, in der sich nun auch Trump befindet. Der Gründer John Matze wollte mit Parler eine Alternative zu Twitter schaffen. Parler ist grundsätzlich eine Plattform für rechtskonservative Aktivisten und deren Gedankengut. Die App ist unter anderem ein Rückzugsort für Rechtsradikale und wird von Anhängern der "Alt Right"-Bewegung benutzt.
Mittlerweile fürchtet Matze nach den Ausschreitungen in Washington um die Existenz seines Unternehmens. Und tatsächlich: Twitter und Facebook hatten seit Jahren keinen so ernsthaften Konkurrenten mehr wie jetzt in Parler sichtbar wurde. Parallel zur Sperrung von Donald Trump auf Twitter, Facebook und anderen Diensten bekam auch Parler gravierende Sanktionen der Technologiegiganten zu spüren. Zunächst entfernten Google und Apple diese jeweilige App auf ihren App Stores, dann kündigte der Online-Händler Amazon.com, auf dessen kommerzieller "Cloud Computing"-Serviceplattform Parler bisher lief, dem Dienst Parler ebenfalls die Zusammenarbeit auf.
Hier bleibt anzumerken, dass der Markt für Public-Cloud-Lösungen trotz Wachstum in letzter Zeit keine Vielzahl von Anbietern hat, und dabei ein Oligopol herrscht. AWS, IBM, Microsoft und Google haben allein einen kumulierten Marktanteil, der über 70 zumarschiert. Bezogen auf den Infrastrukturmarkt hält Amazon laut Synergy Research Group ein Drittel.
Amazons politisches Aktionskomitee (Political Action Committee: PAC) erklärte unlängst, dass sie Spenden an jene US-Abgeordnete einstellen würden, die dafür gestimmt hätten, die Ergebnisse der Wahl 2020 infrage zu stellen. In einer Erklärung teilte das Unternehmen mit, sein PAC werde alle "Beiträge an jedes Mitglied des Kongresses aussetzen, das dafür gestimmt hat, die Ergebnisse der US-Präsidentschaftswahlen außer Kraft zu setzen". PAC ist in den USA die gängige Bezeichnung für eine jede Lobbygruppe, die sich darauf konzentriert, Abgeordnete oder gewählte Beamte der Regierung durch Firmenpolitik zu unterstützen. Eine Reihe von großen Unternehmen würde nun diesem Beispiel von Amazon nach den Unruhen um das Kapitol folgen.
Auch das Chemieunternehmen Dow Inc. (erst 2019 als Ausgründung der DowDuPont Inc. entstanden) teilte mit, dass es Spenden an US-Abgeordnete kürzen würde, die sich gegen die Anerkennung des Ausgangs der Wahlen aussprächen. Die Finanzinstitute Citibank, State Street Corporation, Commerce Bank und Mastercard erklärten ebenfalls, dass sie Spenden an jene Gruppe von Abgeordneten aussetzen würden, ebenso wie Marriott, die Blue Cross Blue Shield Association und AT&T. Ebenso "pausieren" viele andere wie Google, Goldman Sachs and JPMorgan Chase vorerst alle politischen Spenden.
Selbst wenn man der Ansicht ist, dass es keinen Wahlbetrug gab, sollte man fairerweise in Rechnung stellen, dass eine große Mehrheit der Amerikaner mit der Rolle der USA als Weltpolizei oder beispielsweise mit dem Vorantreiben einer Gender-Diversity-Agenda seit Jahren unzufrieden ist. Im gleichen Tempo wurden immer mehr BLM-Demonstranten vom systemischen Rassismus in USA überzeugt. In beiden Lagern kam es in letzten Monaten zu Ausschreitungen und Pöbeleien bei den jeweiligen Protesten. Dabei gibt es keine Anzeichen für die faire Aufarbeitung der Probleme beider Lager durch das politisch-mediale Establishment. US-Medien orientieren sich im Grunde an einer konkreten eigenen politischen Agenda und machen dementsprechend nach Kräften Stimmung gegen Abweichler und Kritiker. Und gerade an dieser Stelle offenbart sich die Doppelmoral der Medienkartelle.
Dabei bleibt anzumerken, dass auch Trump selbst nicht nur ein "Opfer" des Systems, sondern gleichzeitig Mitgestalter dieses Konzepts der US-Medien war. Die Trump-Regierung hatte den Sturm auf Hongkongs Legislativrat am 1. Juli 2019 und jede Art Propaganda gegen China in Bezug auf eine mutmaßliche Diskriminierung der muslimischen Uiguren in Xinjiang medial hochgekocht, während sie zum Beispiel die grausame Ermordung des saudischen Journalisten Khashoggi im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul herunterspielte, offenkundig wegen ihres gemeinsamen Interesses an Geschäften mit dem Kronprinzen Mohammed Bin Salman.
Mehr zum Thema - Google suspendiert die bei Trump-Anhängern beliebte Social-Media-App Parler
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.