Von Helen Buyniski
Ohne Kompetenz ist selbst bedingungslose Loyalität nahezu bedeutungslos. Die Personalakten der Regierung seines ehemaligen Chefs zu durchforsten, um daraus den Kader für wichtige Positionen zusammenzustellen, mag Joe Biden jetzt als ein edles Unterfangen erscheinen – bedenkt man vor allem, dass Obama eine zentrale Rolle dabei spielte, dass sein ehemaliger Vizepräsident nun zum Oberbefehlshaber gewählt wurde. Doch wenn es darum geht, dass diese Nutznießer von Vetternwirtschaft, diese hochstilisierten Hinterbänkler tatsächlich regieren sollen, sind die USA effektiv im Eimer.
Warum, zum Beispiel, wird Obamas ehemalige Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice, die in seiner Regierung mehrere außenpolitische Funktionen innehatte, zur Leiterin des innenpolitischen Rates des Weißen Hauses ernannt – obwohl sie keinerlei Erfahrung in der Innenpolitik hat? Berichten zufolge wurde sie sowohl für das Amt des Vizepräsidenten als auch für das des Außenministers übergangen – das hat die USA angesichts ihres Werdegangs zwar vielleicht davor bewahrt, ein paar weitere, nicht zu gewinnende Kriege zu beginnen. Aber abgesehen von der Loyalität gegenüber dem Obama-Team ist es schwer zu erkennen, wodurch sie sich für eine Rolle in der Innenpolitik qualifiziert.
In einem Land, das noch immer mit der COVID-19-Pandemie ringt, fragt man sich, wie die Biden-Kampagne die Ernennung des kalifornischen Generalstaatsanwalts Xavier Becerra – eines Mannes ohne jegliche Expertise in medizinischen Fragen – zum Leiter des Gesundheitsministeriums rechtfertigen kann.
Wohl wurde die Messlatte für "medizinische Experten" mit dem enthusiastischen Speichellecken seitens des Medien-Establishments, das dem Microsoft-Milliardär Bill Gates zuteil wurde, ohnehin schon katastrophal gesenkt – aber wenigstens bezahlt Gates seine Verehrer großzügig. Becerras einzige Legitimation hingegen scheint sein performativer gerichtlicher "Widerstand" gegen die Trump-Regierung zu sein, deren eigener Gesundheitsminister aus einem der korruptesten US-Pharmakonzerne stammt.
Bidens Regierung versinkt geradezu in solchen menschgewordenen Fragezeichen. Die Wahl von Denis McDonough als Leiter des Ministeriums für Angelegenheiten von Militärveteranen – eines Mannes, der vier Jahre lang unter Obama Stabschef des Weißen Hauses war, aber weder jemals im Militär diente noch mit Veteranen arbeitete – ergibt ebenfalls keinen Sinn, wenn man es vom traditionellen Standpunkt aus betrachtet, bei Einstellungsentscheidungen vordergründig auf Erfahrung und relevante Fähigkeiten zu setzen. Doch die Art und Weise, wie der Wahlkampagnenstab des designierten Präsidenten die Kabinettsernennungen verteilt hat, ähnelt weniger einem traditionellen Einstellungsprozess als vielmehr einer ganz besonders sadistischen Version des Eselsschwanz-Ansteckspiels pin the tail on the donkey.
(Im Original wird in einem unübersetzbaren Wortspiel fail statt tail verwendet: "Pin the fail on the donkey". To fail: dt. versagen; der Esel (donkey) ist zudem das Totemtier der Demokratischen Partei der Vereinigten Staaten. Anm. d. Red.)
Der designierte US-Präsident selbst kannte – politisch gesehen – nie eine andere Art des Seins als diese perverse Form der Loyalität. Diese besteht darin, sich bei der Macht einzuschleimen – in der Hoffnung, mit Krümeln vom Tisch der herrschenden Klasse belohnt zu werden. Er verbrachte sein politisches Leben als bekennende "Prostituierte" und scherzte sogar darüber, sich an den Meistbietenden zu verhökern. Aber er ist sicherlich nicht der Erste und wird auch nicht der Letzte sein, der Loyalität über Können stellt. Seit die Entscheidung des Obersten Gerichts der USA im Fall Citizens United gegen die Föderale Wahlkommission den Großkonzernen die finanziellen Flutschleusen zum Finanzieren politischer Kampagnen öffnete und es so unerschwinglich machte, sich ohne die Unterstützung von Unternehmen zur Wahl zu stellen, hat die Leistungsgesellschaft keine Chance mehr.
Dass in den USA ganze Behörden und Ministerien zu Abstellorten für loyale, aber unfähige Karrieristen wurden, ist in Washington jedoch nicht gerade ein Geheimnis. Das Amt des Ministers für Bauwesen und Stadtentwicklung wurde kürzlich von der New Republic als "eine Belohnung für braves Benehmen – so etwas wie ein Botschafterposten, der eher an politische Loyalisten vergeben wird als an Fachexperten auf dem Höhepunkt einer langen Karriere" – beschrieben, nachdem sich die Kongressabgeordnete Marcia Fudge aus Ohio darüber beschwert hatte, dass die Biden-Regierung sie dort wie auf einer unbewohnten Insel ausgesetzt hätte, anstatt sie zur US-Landwirtschaftsministerin zu ernennen. Obwohl Fudge eigentlich für den Posten des Landwirtschaftsministers qualifiziert wäre, entschied sich Biden dafür, Tom "Mr. Monsanto" Vilsack, der diese Rolle acht Jahre lang unter Obama innehatte, erneut zum Landwirtschaftsminister zu ernennen – in einer weiteren unverblümten Zurschaustellung eklatanten Favoritenwesens.
Auch das US-Ministerium für Bauwesen ist seinerseits seit langem ein Dauerwitz – dank Ernennungen wie der des derzeitigen Ministers, des schwarzen Neurochirurgen Ben Carson. Nach ganzen zwei Jahren im Amt verwechselte er die in den USA übliche Abkürzung REO für ein zwangsversteigertes Haus im Besitz einer Bank mit einem Keks der Marke Oreo. Carson wurde seinerzeit schlicht für seine Loyalität belohnt, nachdem er bei den US-Präsidentschaftswahlen von 2016 aus dem Rennen ausgestiegen war, um so Trumps Kandidatur zu unterstützen. Das Versagen nach oben ist also die Regel, nicht die Ausnahme – und es ist ein parteiübergreifendes Phänomen.
Wenn Inkompetenz überparteilich ist – und zur Pflicht wird
Sogar Trump, dessen Anhänger ihn als Außenseiter betrachteten, der mit entschlossen Griffen den sprichwörtlichen Sumpf in Washington trockenlegen sollte, war letztendlich gezwungen, eine Kamarilla Israel-höriger Kriegstreiber in einflussreiche Kabinettspositionen zu berufen – um den Großspendern, die er um Hilfe gegen die in Geld schwimmende Wahlkampagne von Hillary Clinton bitten musste, einen Gefallen zu tun. Dieses Betteln um Gelder vom Kasinomagnaten Sheldon Adelson und vom Geierkapitalisten Paul Singer bedeutete, dass Trump keine andere Wahl hatte, als sein Versprechen, die endlosen Kriege der USA zu beenden, einzumotten und ungezügelte Falken wie John Bolton – und später den Raytheon-Lobbyisten Mark Esper – in leitende Positionen zu berufen.
Und obwohl Trump versucht haben mag, der Maschinerie Washingtons Sand ins Getriebe zu schütten, indem er eine Reihe von Ämtern mit Deregulierungsfanatikern besetzte, die die ihnen so verhassten Ministerien in Grund und Boden ruinieren sollten, wurden auf der Kehrseite dieser Taktik auch inkompetente, aber treue Kandidaten mit Spitzenpositionen belohnt. Die DeVos-Familie – langjährige Spender an die Republikaner – wurde für ihre Großzügigkeit mit der Ernennung der entschieden gegen öffentliches Schulwesen gerichteten, militanten Ignorantin Betsy DeVos zur Bildungsministerin belohnt – über den Tisch gezogen wurden bei diesem Geschäft als einzige Partei die Kinder der USA. Als Sahnehäubchen auf dieser Torte der Korruption bekam DeVos' Bruder Erik Prince alle "Söldnerausschreibungen", die er bedienen konnte – sogar die Bespitzelung der Lehrergewerkschaften, die das Amt seiner Schwester zu vernichten suchte.
Die Korruption und die Selbstbedienungswirtschaft sind in der US-Politik so tief verwurzelt, dass es fraglich ist, ob überhaupt noch etwas übrig bleibt, wenn der "Sumpf" wirklich einmal "trockengelegt" wird. Und der aktuell rasche Niedergang des US-Imperiums hat beide Parteien dazu gebracht, sich um verbleibende Vermögenswerte zu bemühen, die noch übrig bleiben – bevor der ganze Bau einstürzt. Und wenn es so weit ist, wenn die gewöhnlichen US-Amerikaner, die gnadenlos von links und rechts abgezockt werden, keine andere Wahl mehr haben als ihren Peinigern Paroli zu bieten – dann ist Treue zu den Chefräubern vom Dienst nicht mehr ein Pluspunkt im Lebenslauf, sondern nunmehr eine Zielscheibe auf dem Rücken.
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Übersetzt aus dem Englischen. Helen Buyniski ist eine US-amerikanische Journalistin und politische Kommentatorin bei RT.