Nach Gerichtsentscheid zum Demoverbot: Herbe Niederlage für Berliner Innensenator

Die Etablierten in Politik und Medien wollten das Verbot der Berliner Demonstration. Stichhaltige Gründe gab es dafür zu keinem Zeitpunkt. Jetzt hat ein Gericht das Demoverbot gekippt. Und der Innensenator steht unter Druck.

von Falko Looff

Es war von Anfang an ein unwürdiges Schauspiel. Berlins Innensenator Andreas Geisel, SPD, hat es begonnen – und verloren. Natürlich war er damit nicht allein. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller, ebenfalls SPD, gab ihm Rückendeckung. Und die Koalitionspartner Grüne und Linke – sonst immer dicke dabei, wenn es um Demonstrationsrecht für "Fridays for Future" oder "Black Lives Matter" geht – wünschten sich ebenfalls das Verbot. Flankenschutz erhielt Geisel sogar von der Bundeskanzlerin, die "Respekt" für die "Berliner Entscheidung" äußerte.

Das Berliner Verwaltungsgericht kippte das Demonstrationsverbot jetzt. Polizei und Innensenat prüfen noch die Anrufung des Oberverwaltungsgerichts. Nach jetzigem Stand ist somit zwar nicht ausgeschlossen, dass das ursprüngliche Verbot – oder Verbote künftiger Demos gegen Corona-Maßnahmen – doch noch kommt. Aber es wurde sehr viel unwahrscheinlicher. Und bei ruhiger Betrachtung dürften die Verantwortlichen nach dieser grandiosen Klatsche eigentlich gut beraten sein, von weiteren juristischen Schritten Abstand zu nehmen.

Denn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts war nicht nur in der Sache richtig, sondern vor allem auch unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten eine notwendige Klarstellung. Wäre sie anders ausgefallen, hätte dies grundsätzliche Fragen aufgeworfen. Und an diesem Wochenende womöglich für dramatische Bilder gesorgt. Dass sich der Innensenator der Hauptstadt offenbar nicht darüber im Klaren ist, welche Wellen es schlägt, wenn er nur drei Tage im Voraus eine lange angemeldete Demonstration von bundespolitischer Relevanz verbietet, lässt tief blicken.

Der jetzige Gerichtsbeschluss stellt nunmehr eine herbe Niederlage für Geisel persönlich dar – und darüber hinaus für die Personen und politischen Formationen, die ihn unterstützten. Eines ist jedenfalls klar: Die ursprüngliche Argumentation des Senators wurde geradezu hinweggewischt. Die Gefahrenprognose, auf die sich Geisel bezog, ist nach Auffassung des Gerichts schlicht nicht konkret genug. Insbesondere die Maskenpflicht – vermutlich der größte Zankapfel – sei im öffentlichen Raum "nicht zwingend".

Geisel legte dagegen mehr Wert auf pathetische Worte – "für das Leben entschieden" – und zeigte sich in der Sache ausgesprochen kenntnisfrei. Er hätte sich stattdessen mit Zahlen und vor allem mit Zusammenhängen befassen können. Zum Beispiel mit dem zwischen der Anzahl der positiv Getesteten und der Anzahl der Testungen. Auch hätte er durch die Analyse und Auswertung der Zahlen des RKI wissen können, dass die Demonstration am 1. August keinerlei negative Auswirkungen – nicht einmal geringfügige – auf das Infektionsgeschehen hatte.

Besonders beschämend: der Versuch, die Demonstrationsteilnehmer mehr oder weniger pauschal als Rechtsextremisten zu diffamieren und die Abgrenzung aller "Demokratinnen und Demokraten" von der Demonstration zu fordern. Das war und bleibt manipulativ und vor allem in der Sache falsch, auch wenn man sicherlich den einen oder anderen Rechten finden können wird.

Selbst der Bundesverfassungsschutz hatte vorab der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zur Kenntnis gebracht, dass an der Demo am 1. August nur "einzelne Angehörige" aus dem rechtsextremen Spektrum teilgenommen hätten und "keine nennenswerte Anschlussfähigkeit an demokratische Kundgebungsteilnehmer" bestanden habe. Wie kann es sein, dass ein Innensenator dann nicht über diese Erkenntnisse verfügt?

Wer sich – wie Geisel und die ihm verbundenen Vertreter aus Politik und öffentlich-rechtlichen Medien – so unempfänglich zeigt für das, was spürbar und vor allem zunehmend einen relevanten Teil der Gesellschaft bewegt, muss sich nicht wundern, wenn sich Menschen abwenden von "denen da oben" und laut "Lügenpresse" rufen.

Allein der Spruch des Berliner Verwaltungsgerichts lässt hoffen – für dieses Wochenende. Auf mittlere und lange Sicht jedoch werden sich gesellschaftliche Zerwürfnisse nicht juristisch lösen lassen. Doch ohne gleichberechtigten Dialog wird es am Ende nicht gehen. Der Berliner Innensenator zeigte, dass er dafür der Falsche ist.

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