von Zlatko Percinic
"Verdammtes Corona!" Das hört man in Gesprächen immer wieder, wenn Menschen ihren Frust über die Folgen der Corona-Krise in Worte fassen. Ob es die verlorene Arbeit ist, Probleme mit dem Vermieter, strenge Auflagen bei Geschäftsöffnungen, Maskenpflicht oder die Grenzschließungen waren und sind, überall wird dem Virus die Schuld dafür gegeben. Aber ist das wirklich so? Ist tatsächlich der SARS-Cov-2-Erreger dafür verantwortlich, dass Unternehmen Arbeitsplätze abbauen? Oder dass die Rate von häuslicher Gewalt während der Zeit massiv anstieg, als die Menschen in ihre vier Wände verbannt wurden?
Trotzdem wird in vielen Fällen genau das behauptet. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CSU) sagte am 22. März:
Wir werden als Gesellschaft und Familien andere Formen finden, einander beizustehen. Schon jetzt gibt es viele kreative Formen, die dem Virus und seinen sozialen Folgen trotzen.
Die sozialen Folgen dieser Krise wurden nicht durch das Virus ausgelöst, sondern sind das Resultat von menschlichen Entscheidungen. Genauer gesagt von Entscheidungen, die Regierungen getroffen haben. Das ist ein feiner, aber überaus wichtiger Unterschied. Wird die Verantwortung für die Folgen dieser Entscheidungen ausschließlich dem "verdammten" Virus zugeordnet, spricht man automatisch jene der Verantwortung frei, die mit ihren Entscheidungen erst dazu beigetragen haben. Diejenigen, die vor dieser Entwicklung warnten, wie beispielsweise der Oberregierungsrat Stephan Kohn im Innenministerium, wurden mundtot gemacht.
Kohn warnte in einer 192-seitigen Analyse vor einem "gigantischen Kollateralschaden", der durch diese Entscheidungen in der Corona-Krise entstanden ist. Mindestens 2,5 Millionen Menschen allein in Deutschland konnten aufgrund der Regierungsmaßnahmen nicht versorgt werden, warf er in dem Papier vor. Und weitere zehntausende Patienten könnten gestorben sein, weil sie sich einerseits aufgrund der massiven Werbekampagne #WirBleibenZuhause nicht mehr aus dem Haus trauten, andererseits aber auch weil Krankenhäuser viele "planbaren" Operation und Ärzte Termine absagten.
Auch die Tagesschau nahm sich dieser Thematik in einem Beitrag an, verordnete das Problem aber bei den Patienten, weil sie nicht zum Arzt gegangen sind. Ganz anders klingt das jedoch in dem Papier des Beamten aus dem Innenministerium, der eine klare Verbindung zwischen der Reaktion der Patienten auf die Aktion der Regierungsmaßnahmen sieht:
Über die letzten Jahre und Jahrzehnte wurden integrierte Konzepte entwickelt, die erfolgreich die Morbidität und Mortalität beeinflusst haben und darauf beruhen, dass möglichst frühzeitig […], möglichst rasch […] und möglichst kompetent eine Versorgung erfolgt. Diese inter-sektoralen/-disziplinären Ketten sind in vielfacher Weise geschädigt (ambulante Versorgung, Ressourcenentzug) und leiden auch maximal darunter, dass bedingt durch einseitige und übertriebene Informationspolitik die Betroffenen unberechtigter Weise Corona mehr als diese Erkrankungen fürchten und Warnzeichen unterdrücken und auch befürchten mit diesen Erkrankungen in der derzeitigen Corona-Fixierung im Krankenhaus nicht gut behandelt zu werden. In Konsequenz suchen derzeit viele Betroffene nicht / zu spät den Arzt auf, was bei diesen Erkrankungen erhöhte Morbidität, verschlechterte Rehabilitation und erhöhte Mortalität bedeutet.
Diese Probleme sind selbstverständlich nicht auf Deutschland beschränkt. Überall, wo Regierungen einen Lockdown verordneten und die Menschen aufgefordert wurden, zu Hause zu bleiben, gibt es diese Kausalität. Aber auch dort wird in der Regel das Coronavirus dafür verantwortlich gemacht, und nicht die Entscheidungen der jeweiligen Regierung.
So auf Mallorca beispielsweise. In der populären Sendung Goodbye Deutschland wurde der Fall einer Boutiquebesitzerin und deren langjährigen Mitarbeiterin gezeigt, beides deutsche Auswanderinnen, die vor dem finanziellen Ruin stehen. Aufgrund der staatlichen Verordnungen, geschlossenen Grenzen und Reisewarnungen fehlte die zahlende Kundschaft. Am Ende sah sich die kurz vor der Rente stehende Mitarbeiterin gezwungen, zusammen mit ihrem Ehemann die Baleareninsel zu verlassen und es in Deutschland noch einmal zu versuchen. Beim tränenreichen Abschied machte sie aber nicht etwa die Entscheidungen der Regierungen und deren Folgen verantwortlich, sondern das "verdammte Corona".
Vielleicht ist es auch nur eine Floskel, die unbedacht in emotionalen Stresssituationen auf diese Weise geäußert wird. Solche Beispiele wird man mit Sicherheit auch in der eigenen Familie erleben. Aber Corona, also das Virus selbst, mag der Grund für die staatlichen Maßnahmen gewesen sein, deren Erfolg oder Misserfolg, Sinn oder Unsinn, man erst ermessen kann, wenn die Pandemie tatsächlich vorüber ist. Sicher ist hingegen, dass die Ursache für die "sozialen Folgen" von denen Kanzlerin Merkel sprach, nicht etwa bei dem Virus zu suchen ist, sondern bei den Maßnahmen der Regierungen. Gerade deshalb ist es wichtig, hier zu differenzieren und Ross und Reiter beim Namen zu nennen.
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