von Andreas Richter
Das Fernsehmagazin Report Mainz des Südwestdeutschen Rundfunks (SWR) hat sich in seiner Ausgabe vom Dienstag damit befasst, wie Menschen durch ihren Glauben an "Verschwörungstheorien" ihr soziales Umfeld verlieren und in die Isolation geraten.
Im Beitrag mit dem Titel "Wie Menschen in Parallelwelten abgleiten" kommen – anonymisiert – zwei Betroffene zu Wort. Und, kurz, als Vertreter der angeblich verantwortlichen "Verschwörungstheoretiker", der Autor Andreas Popp, der die Seite Wissensmanufaktur betreibt.
Popp wird als Verantwortlicher dargestellt, der einen der Betroffenen mit einem seiner Bücher gewissermaßen in die "Parallelwelt der Verschwörungstheoretiker" eingeführt habe und kommt mit drei Sätzen selbst zu Wort. Das klingt dann so:
Wir erreichen Andreas Popp per Skype. Ist ihm bewusst, wie sehr Menschen durch seine Inhalte ins soziale Abseits geraten können?
Popps Antwort:
Wie kommen Sie darauf, dass die ins soziale Abseits gedrängt werden? Die Frage ist die: Wir unterliegen natürlich einer Massenmanipulation. Das wissen wir alles. Das ist ja auch nicht ganz neu. Und ich wüsste nicht, aus welchem Grund ich etwas Dramatisches sage. Es sind ja die Medien, die die Menschen ins Abseits drängen, nicht wir.
Die WissensManufaktur veröffentlichte das Gespräch zwischen Popp und dem SWR-Journalisten Philipp Reichert in voller Länge auf Youtube. Das Interview ist aufschlussreich, es gewährt einen Einblick in die Gedankenwelt und auch die Arbeitsweise öffentlich-rechtlicher Journalisten der Gegenwart.
Reichert versucht in keinem Moment, mit Popp ins Gespräch zu kommen. Stattdessen bemüht sich der SWR-Mann darum, ihn zu überführen. Die ersten Fragen zielen auf Popps Gebrauch des Faschismus-Begriffs für die Beschreibung der Gegenwart. Das klingt so:
In Bezug auf die Corona-Krise sprechen Sie davon, dass der neue Faschismus bevorstehe. Verharmlosen Sie damit nicht die NS-Zeit?
Aber Sie sprechen explizit von Ermächtigungsgesetzen, das ist ein eindeutiger Begriff in Bezug auf den Aufstieg Adolf Hitlers. Also keine Verharmlosung der NS-Zeit?
Und es ist für Sie vertretbar, den Aufstieg Adolf Hitlers mit dieser Corona-Pandemie gleichzusetzen?
Nur geht Popp in seinen Antworten auf keine der ihm unterstellten Verkürzungen ein, sondern begründet seine Wortwahl differenziert und nachvollziehbar. Und er versucht, von der Debatte um Begriffe auf eine inhaltliche Ebene zu kommen:
Aber wir wollen uns ja über vernünftige Fakten unterhalten. Das macht ja mehr Sinn als diese Urteile aufgrund irgendeines Vokabulars. Das bringt uns ja nicht weiter. Denn dafür ist die Lage in unserem Land aus meiner Sicht zu ernst.
Daran wiederum zeigt sich Reichert nicht interessiert. Er stellt Popp wiederholt und in Variationen die Frage nach seiner Verantwortung für die in dem Beitrag dargestellten Leiden der "Verschwörungsgläubigen":
Ist Ihnen bewusst, dass Menschen, die Ihren Theorien folgen, die Ihre Bücher lesen, die Videos schauen, dass die völlig ins soziale Abseits gedrängt werden?
Aus Popps Antwort wurde das in dem Beitrag gezeigte kurze Statement herausgeschnitten. Der Großteil seiner Ausführungen, vor allem seine inhaltlichen Argumente, sind für den SWR-Interviewer nicht von Interesse. Ebenso wenig Popps ausführlichere Erklärung, warum Konsumenten alternativer Medien in ihrem Umfeld Probleme erfahren:
Das sind ja die Medien, die die Menschen ins Abseits drängen. Nicht wir. Wir reden ja offen darüber. Aus diesem Grund müssen wir davon ausgehen, das hier Ursache mit Wirkung verwechselt wird. Die Medien drängen sie schon ins Abseits, das sehe ich schon. Wir reden offen. wir sind zu einem wissenschaftlichen Diskurs bereit. Der wird definitiv nicht zugelassen. Das sehen wir durch die mediale einseitige und aus meiner Sicht auch tendenziösen Berichterstattung […]
Das bedeutet, dass man an dieser Stelle in einen wissenschaftlichen Diskurs kommen muss. Stattdessen werden diese Menschen dann abgeurteilt. Das schafft Abseits und Spaltung aus meiner Sicht.
Diese Aussage schaffte es nicht in den Report-Beitrag. Es lässt sich vermuten, dass sie die Zuschauer verunsichert und die ganze Stoßrichtung des Beitrags ad absurdum geführt hätte.
Man merkt SWR-Reporter Reichert das Unwohlsein mit der Gesprächssituation immer wieder an. Popp liefert ihm nicht die Plattitüden, auf die er offenbar gehofft hatte, sondern stellt ihn, seine Fragen und vorgefassten Meinungen immer wieder bloß, ohne dabei unhöflich zu werden. Und er versucht, mit dem Journalisten eine inhaltliche Debatte zu führen, auf die dieser erkennbar unvorbereitet ist und an der er kein Interesse hat.
Letztlich ist das Gespräch aus Sicht des öffentlich-rechtlichen Journalisten ein grandioser Fehlschlag. Nicht er stellt den vermeintlichen Verschwörungstheoretiker bloß, sondern dieser ihn. Und das Gespräch zeigt in aller Klarheit die Blase, in der sich – nicht nur, aber vor allem – der öffentlich-rechtliche Rundfunk in diesen Zeiten bewegt.
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