von George Galloway
Die britische und die US-Regierung würden gewalttätige Proteste in ihren eigenen Ländern nicht tolerieren – doch geht es um Hongkong, so rühren sie die imperiale Trommel für "Demokratie" und "Menschenrechte".
Rick Sanchez, Moderator bei RT America, fragte mich diese Woche: "Wie viele Konflikte kann China gleichzeitig bewältigen?" Genau diese Frage stellen die USA und einige ihrer Verbündeten – systematisch. Auch sie wollen die Antwort wissen.
Der unmittelbare Grund für Ricks Frage war ein erneutes Aufflammen der Spannungen auf dem Gebiet von Ladakh, auf das Indien, China und Pakistan lange Zeit Ansprüche erhoben. Die Wiederkehr dieses Konflikts hat die Intensität der "Full-Court-Presse" ein Stück weit erhöht, bei der die USA China auf dem gesamten globalen Spielfeld unter Druck setzen, aggressiv sondieren und abwarten, ob nicht etwas durchschlägt.
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Von Zeitungsenten über Tibet und Falun Gong und dem alljährlichen "China verbietet den Ramadan" bis hin zu Manövern der US-Marine und des US-Bomberkommandos in der Region des Südchinesischen Meeres, den Handelskriegen und den Versuchen, China als Sündenbock für das Coronavirus zu missbrauchen – die Feindseligkeiten sind derart zahlreich, dass sie nur mit Not in einem Satz untergebracht werden können.
Dann fange ich eben einen neuen Absatz an, um die beiden schwerwiegendsten Angriffe zur Sprache zu bringen: Taiwan und Hongkong.
Allein in diesem Jahr brachte die Trump-Administration mehrere bedeutende Brüche mit der bisherigen Außenpolitik der USA gegenüber Taiwan zuwege. Also mit einer Politik, die vor fast 50 Jahren von Richard Nixon etabliert wurde. Und diese Brüche könnten noch an Bedeutung gewinnen.
US-Außenminister Pompeo – der wie immer so aussah, als sei er frisch von einem Poster der Sopranos in die reale Welt gesprungen – begrüßte unter den Ersten die Wiederwahl einer "Präsidentin" in Taiwan.
Dr. Tsai Ing-wen, herzlichen Glückwunsch zum Beginn Ihrer zweiten Amtszeit als Taiwans Präsidentin. Taiwans pulsierende Demokratie ist eine Inspiration für die Region und die Welt. Mit Präsidentin Tsai Ing-wen an der Spitze Taiwans wird unsere Partnerschaft weiter gedeihen.
Peking brandmarkte Pompeos Äußerungen als schweren Verstoß gegen die Ein-China-Politik.
Tatsächlich versuchen die USA nicht länger zu verbergen, dass sie die Insel zur "Unabhängigkeit" ermuntern. Sie sind viel zu sehr damit beschäftigt, sie zunehmend zu militarisieren, ja, sie in eine Festung zu verwandeln. Das hat für sie den zusätzlichen Vorteil, dass dadurch die US-Waffenverkäufe angekurbelt werden. Washington hat die taiwanesische "Regierung" zur Unterstützung seiner Provokationen im Südchinesischen Meer – und vor allem seiner Provokationen um Hongkong – verpflichtet.
Und durch Hongkong wird wohl die Frontlinie verlaufen.
Die ehemalige britische Kolonie – die China als Strafe dafür abgezwungen wurde, dass man es dort wagte, dem imperialen Drogendealer kein Opium abzunehmen – wurde 150 Jahre lang von Großbritannien regiert, ohne dass auch nur die geringste Spur von Demokratie oder Sorgen um die Menschenrechte zu sehen war.
Großbritannien aber, mittlerweile loyaler Adjutant des US-Imperiums, ist zutiefst besorgt über "Demokratie" und "Menschenrechte" in Hongkong. So wurde vergangene Woche der Fette Pang, hier auch bekannt als der letzte britische Gouverneur von Hongkong, Chris Patten, um es mit höchst vizeköniglichen Begriffen auszudrücken, aus seiner Vitrine im Britischen Museum herausgeholt.
In den USA war der Ton eher auf "New Jersey-Mafiaboss" gestimmt. Aber immerhin ergibt das zusammen Stereosound.
Und genau auf dieses Signal – wir wiederholen: inmitten einer Pandemie – kehrten auch die mordenden Randalierer auf die Straßen Hongkongs zurück und setzten der Öffentlichkeit und der Polizei gleichermaßen rücksichtslos zu.
Privates und öffentliches Eigentum wurde von einem riesigen Mob geplündert. Menschen – Frauen ebenso wie Männer – wurden erbarmungslos angegriffen. Und die beiden Regierungen, die in ihren eigenen Ländern weder das eine noch das andere dulden würden, hielten bei ihrem imperialen Trommelrühren von "Demokratie" und "Menschenrechten" Rhythmus und Lautstärke aufrecht.
Je mehr sie Chinas neue Sicherheitsgesetze in Hongkong anprangerten, die zur Bekämpfung der Gewalt und Zerstörung, wie sie bereits vor dem Coronavirus auftraten, entworfen wurden, desto mehr wurde mir klar: Diese Gesetze sind nicht nur notwendig, sondern längst überfällig.
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Als die Randalierer ausländische Flaggen aus der Kolonialzeit hissten und ihre Plakate mit Forderungen nach einer Unabhängigkeit Hongkongs und einer von den US-Amerikanern angeführten "Befreiung" von China schwenkten, wurde klar wie ein Sommerblitz: Diese Herausforderer Chinas waren in Wirklichkeit ein Orchester, ihre Bewegungen vom Dirigenten entworfen und streng nach Partitur durch seinen Dirigentenstab eingeleitet.
Das aufbrausende Crescendo zu Hongkong – etwa so subtil wie eine Blaskapelle – soll die chinesische Regierung in eine Falle locken. Die Handelskriege sollen China mit Zöllen fesseln und in einen Schlagabtausch "Aug' um Aug'" verwickeln. Auch der Chor der falschen Anschuldigungen bezüglich des Coronavirus wird lauter. Und die dicke Sängerin in Washington räuspert sich gerade. Vielleicht in Vorbereitung auf ihre Arie – mit dem ganz hohen C.
George Galloway war fast 30 Jahre lang Abgeordneter im Unterhaus des britischen Parlaments. Er ist Filmemacher, Schriftsteller und ein angesehener Redner. Galloway präsentiert auch Fernseh- und Radiosendungen, unter anderem bei RT International. Seinen englischsprachigen Twitterkanal liest und abonniert man unter @georgegalloway
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