von Zlatko Percinic
Es gab in der Geschichte schon immer Weltreiche, für die nicht dieselben Regeln galten und deren Uhren offenbar anders tickten, als bei anderen. Dafür war man schließlich auch ein Weltreich, das zumindest für eine gewisse Zeit die wirtschaftliche und kulturelle Region prägte, in der sich das Reich befand. Vasallen wurden gefördert, aufmüpfige Fürstentümer vernichtet und eingegliedert. Der Untergang eines Reiches wurde stets eingeläutet von Arroganz und einem Realitätsverlust gegenüber den wachsenden inneren und äußeren Widerständen, die irgendwann größer waren als die Angst vor Vergeltungsmaßnahmen.
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind in der Geschichte der Weltreiche eine ungewöhnliche Ausnahme. Sie herrschen weder direkt über fremde Völker noch befinden sich die Vasallen nur in geografischer Nähe des "Mutterlandes". Dennoch üben sie über einen beträchtlichen Teil des Globus erfolgreich ihren Einfluss aus, indem sie mit schierer militärischer und finanzieller Überlegenheit (Wall Street, IWF und Weltbank) über die Entwicklung eines anderen Landes wesentlich mitentscheiden können. Auch eine moderne Version der kulturellen Hegemonie findet statt, indem die Bevölkerungen durch Hollywood-Produktionen und transatlantisch orientierten Medien de facto immer weiter amerikanisiert werden.
Abweichler aus diesem US-dominierten System werden mit verschiedensten Mitteln unter Druck gesetzt. Mal sind es die Zinssätze oder gänzliche Verhinderung von Krediten, mal Wirtschaftssanktionen und wenn das alles nicht zum gewünschten Ergebnis führt, bleiben immer noch Operationen für einen Regime Change als erprobte Option übrig. Bisweilen kann es auch vorkommen, dass es die USA auch völlig unverhohlen und zügellos mit ihrer Kriegsmaschinerie versuchen, allerdings wurden trotz immenser menschlicher Verluste die strategischen Ziele langfristig nie erreicht.
Ein Land, das den angeblichen "US-Interessen" immer wieder im Wege steht, ist der Iran. Das gilt insbesondere für die Vorstellungen zur Umsetzung der in Washington formulierten Politik für die Region des Nahen und Mittleren Ostens. Anfang des Jahres standen beide Länder am Rande eines Krieges, als am 3. Januar eine US-Drohne einen der wichtigsten iranischen Militärs, Generalmajor Qassem Soleimani, in der irakischen Hauptstadt Bagdad ermordete.
Ein weiteres Land, das sich widerspenstig gegen die Einflussnahme der USA wehrt und von Washington zudem als eigenen "Hinterhof" betrachtet wird, ist Venezuela. Auch dort versuchte man es mit dem typischen Drehbuch von Sanktionen und Regime-Change-Missionen, einen Vasallen (Juan Guaidó) zu installieren. Doch sämtliche Versuche – auch der jüngste Söldnerangriff – scheiterten bisher kläglich.
Und ausgerechnet der Iran liefert jetzt mit fünf Tankern Treibstoff und andere Erdölprodukte nach Venezuela und umgeht somit die von Washington verhängten Wirtschaftssanktionen. Für Politiker und Militärs in den USA, die einen harten Kurs gegen beide Länder fordern, kommt das einem Sakrileg gleich. So empörte sich etwa John Bolton, der im vergangenen Jahr vom Präsidenten Donald Trump gefeuerte nationale Sicherheitsberater, über Twitter:
Trotz der maximalen Druckkampagne der USA hilft der Iran Venezuela aus der Klemme, indem er fünf große Öltanker entsendet, um Maduros Mangel an Treibstoff [sic!] zu lindern. Dem Versuch des Iran, sich den Prioritäten der USA zu widersetzen, muss mit Entschlossenheit entgegnet werden. China, Iran und Venezuela können ihr Ziel nicht erreichen.
Admiral Craig S. Faller, Kommandeur des U.S. Southern Command (SOUTHCOM), in dessen militärischem Verantwortungsbereich auch Venezuela liegt, meinte dazu:
Man muss sich fragen, welches Interesse der Iran in Venezuela hat, wo wir kürzlich Hinweise auf iranische militärische und staatliche Unterstützung gesehen haben. Es geht darum, einen Positionsvorteil in unserer Nachbarschaft zu erlangen, um den Interessen der USA entgegenzuwirken.
Diese Äußerungen von Bolton und Faller zeigen, welche Geisteshaltung in den Zirkeln der Macht in Washington vorherrscht. Sie haben die ganze Welt bereits in militärische Sektionen aufgeteilt, ähnlich wie es das Römische Reich getan hatte. Und in diesen Regionen haben die Kommandeure gemeinsam mit den US-Botschaftern sicherzustellen, dass kompromisslos die eigenen Interessen durchgesetzt werden. Sobald aber Abweichler versuchen, sich nicht nur den US-Interessen zu widersetzen, sondern gar ihre eigenen zu verfolgen, die denen der USA diametral entgegenstehen, ziehen sie den imperialen Zorn auf sich auf.
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